Frankfurt: „Die Zauberflöte“, Wolfgang Amadeus Mozart

Kann man sich tatsächlich an diese Zauberflöte ohne Zauber, dieses gesichtslose, weiße Bühnenbild und diese profillosen Dutzend-Kostüme gewöhnen? Man kann, wenn wie in der aktuellen Wiederaufnahmeserie eine spielfreudige Spitzenbesetzung aus dem hauseigenen Ensemble auf eine profilierte Dirigentin im Orchestergraben trifft. Dann nämlich ist es ziemlich egal, ob zu Mozarts Mischung aus Volkstheater und Weihefestspiel auf der Bühne gerade ein Schlafzimmer, ein Eßzimmer oder ein Waschraum hereingedreht wird. Man muß dann auch nicht den theoretischen Überbau der Inszenierung von Ted Huffman kennen (mehr dazu in unserer Premierenkritik). Denn der Regisseur versteht es immerhin, die Figuren lebendig zu führen. Die Belanglosigkeit des Bühnenbildes lenkt zudem den Blick auf die geschickte, abwechslungsreiche und genau auf die Musik abgestimmte Lichtregie von Joachim Klein, dem es zusammen mit den darstellerisch motivierten Sängern gelingt, szenische Atmosphäre zu schaffen.

Magnus Dietrich als Tamino / © Barbara Aumüller

Wie schon in der Premiere rockt Danylo Matviienko als Papageno förmlich die Bühne. Das Stimmtimbre paßt perfekt zu der Rolle, sein Spiel wirkt inzwischen noch souveräner. Eine kongeniale Ergänzung erfährt er durch das neue Ensemblemitglied Magnus Dietrich als Tamino. Der junge Sänger verfügt über einen idealen Mozart-Tenor mit leuchtenden Höhen und einem virilen Kern. Zudem beeindruckt er mit enormer Bühnenpräsenz. Auch bei Elena Villalón kann man von einer nahezu idealen Stimme für die Pamina sprechen: klar und gerundet, in der Verzweiflungsarie „Ach, ich fühl’s, es ist verschwunden“ mit einer anrührenden Innigkeit ohne Larmoyanz. Ebenfalls neu ist das Opernstudiomitglied Clara Kim als Königin der Nacht. Ihr heller Sopran hat ein ausgeprägtes, aber kontrolliertes Vibrato. Den berühmten Koloraturkunststücken ihrer Partie bleibt sie nichts schuldig. Klar, unerschrocken und absolut treffsicher attackiert sie selbst die höchsten Spitzentöne. Als Sarastro übertrifft Andreas Bauer Kanabas deutlich seine Premierenleistung. Sein machtvoller Baßbariton klingt ausgeglichener und wärmer, vor allem aber gelingen die tiefen Töne satter und selbstverständlicher. Auch die übrige Besetzung hält das Niveau der Hauptpartien.

Danylo Matviienko (Papageno, links) mit Peter Marsh (Monostatos, rechts) / © Barbara Aumüller

Das Mozart-Glück ist (nahezu) perfekt, denn Julia Jones formt mit dem gut aufgelegten Orchester in Kammerbesetzung einen profilierten Mozart-Sound, der von einem individuellen und doch immer überzeugenden Blick auf die Partitur geprägt ist. Schon in den ersten Tönen der langsamen Einleitung zu Beginn entwickelt sie mit Phrasierung und Betonungen eine Klangrede, die an Harnoncourt erinnert und doch wesentlich organischer als beim Altmeister der Originalklangbewegung wirkt. Ihre besondere Aufmerksamkeit gilt den Holzbläsern, die auch da, wo sie nicht solistisch zum Einsatz kommen, eine plastische Präsenz erhalten. Über den gesamten Verlauf der Oper arbeitet Julia Jones viele sonst vernachlässigte Details heraus und entdeckt kleine Kostbarkeiten in den Nebenstimmen, ohne dabei den großen Bogen aus dem Blick zu verlieren. Das hinterläßt einen derart starken Eindruck, daß auch die leider immer wieder zu bemerkenden Intonationstrübungen der Geigen nicht ins Gewicht fallen.

© Barbara Aumüller

Das Publikum bekommt einen fabelhaft musizierten Mozart-Abend geboten mit großartigen Gesangsleistungen und einem profilierten Orchesterklang. Szenisch profitiert diese „Zauberflöte für Erwachsene“ von der enormen Spiellust des Ensembles. Wie hinreißend müßte das erst wirken, wenn sich das Produktionsteam auf den Märchengehalt des vielschichtigen Werkes eingelassen hätte! Immerhin bleibt in den von einer Schauspielerin aus dem Off vorgetragenen Sprechtexten eine rudimentäre Fassung des Originals erhalten, die für Kenner des Werkes ausreichend ist, um die nötigen Zusammenhänge zu stiften. Zauberflöten-Neulingen ist anzuraten, sich zuvor mit der Handlung vertraut zu machen.

Michael Demel, 14. Februar 2024


Die Zauberflöte
Wolfgang Amadeus Mozart

Oper Frankfurt

Aufführung am 11. Februar 2024
Premiere am 2. Oktober 2022

Inszenierung: Ted Huffman
Musikalische Leitung: Julia Jones
Frankfurter Opern- und Museumsorchester

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