Saarbrücken: „Le nozze di Figaro“

Premiere am 8. September 2019

Als rundweg gelungen darf man die Spielzeiteröffnung am Staatstheater in Saarbrücken bezeichnen. Mit viel Schwung und kluger Hand führt EVA- MARIA HÖCKMAYR Regie. Sie gewichtet manche Beziehungen erfrischend anders, lässt die Damen durchwegs aktiv bleiben und die Herren reagieren. Ungewöhnliche Anwesenheiten anderer Figuren in Einzelszenen bringen Spannungen und stellen Fragen. Auch ästhetisch ist die Produktion äußerst animierend. JULIA RÖSLER entwirft sinnliche Kostüme, die eine Zeitreise rückwärts vom Jetzt in das Rokoko machen. VOLKER THIELEs Bühnenraum auf dreifach sich teilweise gegensätzlich drehender Bühne wird zum unüberschaubaren Labyrinth an Zimmern und Fluren. Gelegentlich könnte es fast eine Verwandlung weniger sein, aber der Raum bietet schöne Spielmöglichkeiten und ist stimmig geleuchtet.

Es fällt auf, das die Personenregie kleinteilig und konsequent gearbeitet ist und sich dabei das Ensemble voll entfalten kann.

Die Krone gebührt dabei der Susanna, die von MARIE SMOLKA hinreißend interpretiert wird. Sie ist Dreh- und Angelpunkt, stimmlich äußerst delikat in perfektem Mozartklang und darstellerisch vielfarbig, alle Fäden in den Händen haltend.

Zu ihr passt vokal und szenisch ideal die Contessa von VALDA WILSON. Ebenfalls jung, attraktiv und mit großer Stimmkultur hat sie den Mut zu innigen, berührenden Piani in der großen Arie. So wird das kurze Brief- Duettino dieser beiden zum sinnlich- glühenden Höhepunkt der Aufführung.

MARKUS JAURSCH legt seinen Figaro als stets Aufbegerenden an, sowohl in seiner Beziehung zu Susanna wie in der zu den Herrschenden. Dabei gestaltet er sehr detailiiert und farbenreich, läuft aber bei den Gewaltausbrüchen zuweilen Gefahr, seine Gesangslinien dabei zu wenig zu entfalten.

Völlig unzureichend leider in Stimm-Material und Gesangstechnik ist als Graf Almaviva ein junger Sänger, dessen klangvoller Name zu seinem Schutz besser nicht erwähnt wird. Diese Besetzung führt leider dazu, dass das Kräfteverhältnis im Stück unausgewogen ist, und derjenige, an dem sich die anderen abarbeiten müssten, mehr oder minder kaum vorhanden ist. So vermisst man schmerzlich zum Beispiel im gesamten zweiten Finale eine Autoritätsperson. Bei der Leistungsdichte an guten Baritonisten wundert man sich nur über diese Fahrlässigkeit.

Großartig dagegen die Charakterstudien des Basilio und Don Curzio von ALGIRAS DREVINSKAS, der auch eine optimal geführte, edle Tenorstimme ins Feld führt. JUDITH BRAUN als Marcellina und HIROSHI MATSUI als Bartolo stellen ein solides Elternpaar dar, VADIM VOLKOV poltert rollendeckend als Antonio und BETTINA MARIA BRAUER als Barbarina macht neugierig auf größere Aufgaben.

Der Chor das Staatstheaters wird durch zusätzliche Auftritte aufgewertet und singt homogen.

Der neue GMD SÉBASTIEN ROULAND zeigt bereits in der schmissigen Overtüre, dass er eine hervorragende Intuition für Mozarts Musik besitzt. Die Tempi, die Farben und die mit den Sängern subtil gestalteten geschmackvollen Fioraturen gelingen und lassen einen frischen, immer musikantischen Klangreichtum entstehen. Das Orchester des Staatstheaters macht im Miteinander den besten Eindruck.

Das ausverkaufte Opernhaus spendet ungetrübt starken Beifall. Man darf sich auf weitere interessante Premieren freuen und eine weite Reise nach Saarbrücken hat sich in jedem Fall gelohnt.

Damian Kern 12.9.2019

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