Heldritt: „The Blues Brothers in Prison“

Besuchte Vorstellung am 19.08.2017 Premiere am 09.08.2017

Laut, schrill, unkonventionell und gar nicht operettig

Eine „Musical-Comedy“ lässt ihr Publikum in die Jugendjahre zurückwandern und abrocken – Die Coburger Sommeroperette auf der Waldbühne in Heldritt wird zur Nostalgieshow

In diesem Jahr hat mich die Coburger Sommeroperette vor ein großes Problem gestellt. Ursprünglich war „Die Fledermaus“ angekündigt und dann Programmwechsel. Auf der wunderschönen Waldbühne der Coburger Sommeroperette wird ganz überraschend die Musical-Comedy „The Blues Brothers in: Prison“ gezeigt. Es kostet viel Überredungskunst meiner Freunde, mit denen ich nach Heldritt fahre, um meine Voreingenommenheit in den Hintergrund zu drängen und mich dazu zu bewegen nach Heldritt zu fahren. Um es gleich vorwegzunehmen, ich habe es nicht bereut. Doch der Reihe nach. Die überaus engagierte, rührige und äußerst erfolgreiche Produktionsleiterin Adelheid Frankenberger hat in den letzten Jahren dafür gesorgt, dass in Heldritt Operette auf höchstem Niveau gespielt worden ist. Sie holt Ausnahmekünstler zu einem Honorar auf die Waldbühne, für die sie woanders nicht einmal eine Stunde auftreten würden. In dem in Wien erscheinenden Magazin „Festspiele“ rangiert die Sommeroperette Coburg im letzten Jahr in der Abteilung Operette und Musical auf dem sensationellen vierten Platz, nach den Seefestspielen Mörbisch, dem Lehár-Festival Bad Ischl und dem Operettenfest Baden bei Wien und somit auf Platz 1 in Deutschland. Ich habe dies im letzten Jahr schon geschrieben, aber es ist so grandios, dass man es immer wieder wiederholen sollte. Es ist so sensationell, dass Coburg und das ganze Coburger Land in Ehrfurcht erstarren und so viel Fördermittel wie nur möglich aus allen möglichen Töpfen zur Verfügung stellen müssten, damit diese überragende Auszeichnung keine Eintagsfliege bleibt. Na ja, ich habe mich zwar nicht damit abgefunden, aber es als feststehend zur Kenntnis genommen, dass in Coburg der Prophet im eigenen Land nichts gilt und dass im Coburger Raum die Operette momentan auf verlorenem Posten steht. Das Publikum sieht es Gott sei Dank vollkommen anders und das sollte auch einmal die Region begreifen und ihr zu denken geben. Um das hervorragende Niveau der Coburger Sommeroperette auf Dauer zu halten, zu stärken und zu festigen, erfordert es keiner jährlichen Zuschusskrumen, die auch für eine solide Planung problematisch sind, sondern einer andauernden gleichbleibenden Unterstützung auf breiter Ebene. Vielleicht werde ich es ja eines Tages noch erleben, dass hier ein Umdenken stattfindet. Die Operette (Gott sei Dank ab nächstem Jahr wieder auf dem Programm) und die Verantwortlichen der Coburger Sommeroperette haben es mehr als verdient.

Thomas Gerber-Ron Williams-Karsten Kenzel

Auch heute muss ich wieder einmal auf eine kleine Besonderheit in Heldritt hinweisen und dies tue ich mit besonderer Freude. Eine Besonderheit, die meine Pfunde immer etwas in die Höhe schießen lassen, aber das weiß ich von vornherein und stelle mich darauf ein. Man kann hier in wunderschönem Ambiente lukullische Köstlichkeiten der Region zu sich nehmen und sich mit diesen Schmankerln auf die bevorstehende Aufführung einstimmen. Auch das gehört hier zum Theatererlebnis einfach dazu und hebt die Sommeroperette auch in dieser Beziehung von anderen Spielorten ab. Die Bewirtung übernehmen ehrenamtliche Helfer, so wie die Ehrenamtlichkeit der gesamten Sommeroperette im Vordergrund aller Arbeiten steht, ohne das wäre all diese Arbeit auch nicht zu stemmen. Auch deshalb ist eine besondere, regionale und überregionale feststehende finanzielle Hilfe einfach zum Überleben dieser einmaligen Einrichtung erforderlich.

Nun, im letzten Jahr wurden wir auf der Waldbühne von einem ganz tollen „Fidelen Bauer“ verwöhnt und deshalb war ich ja so gespannt auf die angekündigte „Fledermaus“, die ich auch als stv. Vorsitzender der Deutschen Johann Strauss Gesellschaft mit besonders kritischen Augen und Ohren verfolgen wollte – Pustekuchen – Programmänderung. Die „Fledermaus“ soll nun im nächsten Jahr zum 25jährigen Bühnenjubiläum aufgeführt werden und ich gebe gerne zu, dass ich mich darauf ganz besonders freue. Doch nun zur heutigen Aufführung.

Karsten Kenzel-Ron Williams-Thomas Gerber

Der Autor Thomas Elben hat die Handlung des berühmten Films „Blues Brothers“ von 1980 anders geformt und vollkommen im Gefängnis spielen lassen. Man hat gar nicht erst versucht eine große schlüssige Handlung zu ersinnen, die alles wiedergibt, sondern man hat um die Songs und Musizierbereiche eine lockere Handlung gesponnen. Die eigentliche Hauptperson ist der Gefängnisdirektor (auch in der Rolle des Hausmeisters und des Gefängnisarztes) in der Gestalt von Ron Williams als unumstrittener Stargast der gesamten Produktion. Daneben sind noch die beiden Bluesbrothers, ihr ungeschickter Anwalt Sline mit seiner Adjutantin, die beiden Gefängniswärterinnen und Etta, die Henkerin die weiteren Darsteller des Geschehens. Bezeichnend ist ja schon, dass im Programmheft keinerlei Handlungsbeschreibung enthalten ist, einfach deshalb, weil sie neben den Songs und Ohrwürmern nachrangig ist. Die Uraufführung erfolgte bei den Alzenauer Burgfestspielen 2016, von denen die meisten Akteure auch heute in Heldritt dabei sind. Im Gegensatz zu meinen sonstigen Rezensionen werde ich auf die einzelnen Protagonisten nur ganz grob eingehen. Dazu kommt, dass mich diese Art von Musik nicht so toll anspricht und ich mit „normalem Gesicht“ neben meinen wie wild rockenden und zuckenden Freunden auf den Plätzen um mich sitze, ohne Zucken, ohne Kopfwackeln. Das führt dazu, dass mich Ron Williams, indem er auf mich zeigt und seine Mundwinkel nach oben schiebt, auffordert, doch auch endlich in den Rausch der Musik einzusteigen. Gut, ich bemühe mich dann etwas mehr, aber so ganz ist es doch nicht meine Welt, aber das ist natürlich mein persönliches Problem. Auch kenne ich fast keinen der Songs, was meine Mitreisenden fast schon erschüttert. Nun gut, zugeben muss ich, dass alles mitreißend und doch schon sehr unterhaltend ist, wenn auch durch eine gewisse Übersteuerung der Musikanlage das Ganze für mich etwas zu laut und damit zu wenig zu verstehen ist. Nun aber zu den einzelnen Darstellern.

Ben Schobel, Amina Marjam Liedtke

Also ein Orchester im eigentlichen Sinn gibt es bei der heutigen Aufführung nicht. Die „Prison Band“ spielt im Orchestervogelhaus über den Köpfen des Publikums die Prison Band und die Jungs machen ihren Job wirklich recht gut. Fetzig, schmissig, mitreißend, manchmal ein bisschen zu laut und überdreht, aber immer gefällig, spielen die sechs Musiker unter der Leitung von Christoph Gerz, der auch an den Keyboards sitzt. An der Gitarre Gabor Racz, an den Saxophonen Valentin Huber und Alexander Jung, am Bass Jan-Nicolai Schmidt, an der Trompete Steffen Mathes und am Schlagzeug schließlich Tobias Vogelsang. Regie führt Ulrich Cyran und er macht es schnörkellos und mit einfachen Mitteln. Unterstützt von der Choreographie von Ben Schobel und dem Bühnenbild von Matthias Winkler. Den Sängern merkt man an, dass sie großen Spaß an ihren Rollen haben. Sie knien sich richtig hinein und geben teilweise mehr als ihr Bestes um die bekannten Songs über die Rampe zu bringen. Hier ist natürlich an erster Stelle der in Kalifornien geborene Ron Williams zu nennen, der übrigens für dieses Musical zwei Songs komponiert hat. Ron Williams ist das, was man gemeinhin als „Bühnensau“ oder „Rampensau“ im allerbesten Sinn bezeichnet. Er hat über 800 Fernsehauftritte als Gast und über 300 eigene Sendungen im deutschsprachigen Raum hinter sich. Wenn er über die Bühne rockt, kann keiner glauben, dass er bereits über 75 Jahre alt ist. Bei ihm scheint die Zeitmessung stehengeblieben zu sein. Mit rauer, vollmundiger und volltönender Stimme ist er der Mittelpunkt der Aufführung, mit seiner „Röhre“, man gestatte mir den Ausdruck, füllt er das Rund der Waldbühne. Wie er zeitlos diese Bühne für sich vereinnahmt und die Zuschauer für sich einnimmt, das ist schon beeindruckend. Als Jolient Jake Blues gibt Karsten Kenzel sein Bestes und als sein Bruder Elwood J. Blues steht ihm Thomas Gerber in nichts nach. Di beiden ergänzen sich vorzüglich, sind gut bei Stimme und auch darstellerisch gibt es keinerlei Einschränkungen. Als Wärterin Nancy Charles weiß Dorothee Streich sowohl mit ihrer Stimme als auch mit ihrer überzeugenden Darstellung zu beeindrucken. Gut aufgelegt, ein anwaltlicher Hans Dampf in allen Gassen und durch seine Spontanität von folgenschweren Fehlentscheidungen nicht gefeit, ist Ben Schobel als Anwalt Bernie Sline eine Type für sich. Als Voodoo-Hexe und Oberin überzeugt als seine Assistentin Amina Marjam Liedtke in jeder Beziehung. Keinerlei stimmlichen oder darstellerischen Ausfälle bei der kompletten Truppe. Als Etta die Henkerin setzt Mandy Menz eine äußerst beeindruckende Stimme ein, die die Waldbühne bis in den letzten Winkel mühelos ausfüllt. Als Tänzerinnen und im Chor können sich Nathalie Hack und Sol Spies eindrucksvoll in Szene setzen. Der Chor der Coburger Sommeroper passt sich nahtlos dem Niveau der Gäste an und er trägt ein großes Stück vom Erfolg dazu bei.

Die Songs und Lieder der Jugendzeit wieder zu hören, hat an diesem Nachmittag das Publikum restlos begeistert, welches immer mehr mitklatscht und mitgeht, vor allem nach der Pause ist es fast nicht mehr zu halten. Langanhaltender stürmischer Beifall für eine geschlossene und eindrucksvolle Leistung aller beteiligten Künstler. Dass ich mich trotzdem auf die „Fledermaus“ im nächsten Jahr riesig freue, sei mir hoffentlich ein bisschen verziehen.

Manfred Drescher 22.08.2017

Bilder 1 bis 3 von Ulrich Göpfert, Coburg, Bild 4 Opernfreund

Zugaben

Original FIMTRAILER (1980)

Filmausschnitt 1

Filmausschnitt 2 (die legendäre Club Szene!)

Filmausschnitt 3

Blues Brothers 2000 TRAILER (Remake 1998)