









Während sich die Opernhäuser europaweit in einem Wettbewerb um die hässlichste, absurde Ring-Inszenierung befinden, trat in Erl mit der ersten zyklischen Aufführung ihres Rings Brigitte Fassbaender vor einem Jahr den Beweis an, dass das Rad nicht neu erfunden werden muss und es möglich ist, mit sparsamen Mitteln Wagners Trilogie packend zu erzählen.
Unter den Operndirigenten glänzte Christian Thielemann nach seiner epochalen Frau ohne Schatten in Dresden nun in Berlin mit einer ebenso grandiosen, sublimen Einstudierung der schwierigsten Strauss-Oper Die schweigsame Frau.
Elsa Dreisig, die ich angesichts ihres luziden, kristallinen Soprans schon länger auf dem Schirm habe, betörte meine Ohren als Capriccio-Gräfin derart, dass ich nicht mehr zögere, sie auf eine Stufe mit einer Silberfürstin wie Gundula Janowitz zu stellen. Bei den Herren war es Michael Spyres, eben auch für seine trefflichen Debüts als Stolzing und Siegmund in Bayreuth gefeiert, der als Palestrina in Thielemanns Einstudierung an der Wiener Staatsoper seine Klasse unter Beweis stellte.
Da ich zunehmend lieber Konzerte als (schlecht inszenierte) Opernaufführungen besuche, gehören Seitenblicke ins Konzertleben für mich zu einer Saisonbilanz unweigerlich dazu. Riccardo Muti, Christian Thielemann, Herbert Blomstedt und der (aus meiner Sicht zu Unrecht ausgegrenzte) Teodor Currentzis habe ich allesamt mehrfach mit Sternstunden erleben dürfen. Aber sollte ich eines der Konzerte herausgreifen, dann doch Bruckners Achte in Salzburg unter Riccardo Muti, der mittlerweile die Sätze beinahe so langsam auskostet wie einst der legendäre Sergiu Celibidache.
Zum größten Ärgernis wurden für mich die kürzlich bekannt gewordenen Misswirtschaftsvorwürfe gegen das Leitungsduo der Komischen Oper, mit denen sich seltsamerweise die Berliner Tagespresse gar nicht beschäftigen will, nachdem das Van-Magazin seine Recherchen auf den Tisch gelegt hat. Laut Van-Magazin geht es unter anderem um hohe Beträge für den Rückbau unzulässiger Baumaßnahmen im Berliner Schillertheater, den der Denkmalschutz einfordere, über den sich das Leitungsduo angeblich einfach hinweggesetzt habe. Abgesehen davon, dass der heimliche Intendant wohl immer noch Barrie Kosky heißt, der laut Bericht große Summen für einen „Beratervertrag“ kassiere. Angesichts der hohen Sparauflagen in Berlin stimmen die Ergebnisse dieser Recherchen fassungslos. Und ein bisschen beschleicht mich der Eindruck, dass die Komische Oper hier von ihrer Beliebtheit bei den Medien profitiert, die die schützende Hand über sie halten. Würden solche Vorgänge über Christian Thielemann oder Elisabeth Sobotka publik, wäre die Entrüstung sicherlich groß.
Der Bregenzer Freischütz, den auch in diesem Jahr wieder zu einem massentauglichen Event wird, hat bei mir sehr zwiespältige Eindrücke hinterlassen: als Theaterabend durchaus packend, aber er hat wenig mit Carl Maria von Webers Oper zu tun. Man hätte ihn deshalb anders verkaufen müssen: als einen Musiktheaterabend mit Musik von Weber.
Beste Produktion (Gesamtleistung):
Der Ring des Nibelungen, Festspiele in Erl 2024
Größte Enttäuschung:
Die Frau ohne Schatten, Deutsche Oper Berlin
Beste Wiederaufnahme:
Der Rosenkavalier, Berliner Staatsoper
Beste Gesangsleistung (Hauptpartie):
Elsa Dreisig als Capriccio-Gräfin, Salzburger Festspiele 2024
Michael Spyres als Palestrina, Wiener Staatsoper
Beste Gesangsleistung (Nebenrolle):
Lilit Davtyan für Sophie in Werther, Deutsche Oper Berlin
Nachwuchssänger des Jahres:
Serafina Starke, Opernstudio Berliner Staatsoper
Bestes Dirigat:
Christian Thielemann für Capriccio in Salzburg 2024 und Die schweigsame Frau an der Berliner Staatsoper
Beste Regie:
Brigitte Fassbaender für den Ring des Nibelungen in Erl und Parsifal an der Oper Frankfurt
Bestes Bühnenbild:
Kaspar Glarner, der Ring des Nibelungen in Erl
Beste Chorleistung:
Staatsopernchor Berlin (Die schweigsame Frau)
Größtes Ärgernis:
Das Ergebnis der Recherchen über Misswirtschaft an der Komischen Oper Berlin
Bestes Dirigat (Konzert)
Riccardo Muti, Bruckners Achte, Salzburger Festspiele
Bestes Dirigat Barockoper:
Teodor Currentzis, Castor et Pollux, Palais Garnier, Paris
Bestes Nachwuchs-Dirigat:
Henry Kennedy, Tosca, Lucca und Ravenna
Zwiespältige Festspielproduktion:
Der Freischütz, Bregenz
Es reiste für Sie Kirsten Liese.