Im Jahre 1980 hatte diese Inszenierung von Giorgio Strehler die Saison eröffnet, wurde durch die Wahl der typischen Gehöfte der italienischen Poebene für den Ort der Handlung in den zauberhaften, suggestiven Bühnenbildern des 2007 verstorbenen Ezio Frigerio, der auch für die Kostüme verantwortlich war, rasch zur Legende. Vor dieser Wiederaufnahme war sie in sieben verschiedenen Jahren gezeigt worden, unterbrochen nur von Produktionen durch Robert Carsen bzw. Damiano Michieletto. Persönlich hätte ich es vorgezogen, die mit viel britischem sense of humour aufwartende Regie von Carsen wiederzusehen, denn die für die Wiederaufnahme verantwortliche Marina Bianchi ist zwar eine verlässliche Kraft, aber die szenische Wiedergabe schien eher routiniert denn inspiriert.
Sehr inspiriert waren hingegen Daniele Gatti und das Orchester des Hauses. Der Dirigent ließ eine quecksilbrige, überaus farbige Interpretation hören, in der sich schalkhafte und lyrische Momente perfekt die Waage hielten. Besonders unterhaltsam waren die mehrfach hervorgehobenen Einsätze der Holzbläser. Der Chor des Hauses unter Alberto Malazzi hielt gleichfalls dieses hohe Niveau.
Die Stimme von Ambrogio Maestri in der Titelrolle scheint mir heller geworden und der Künstler sein Höhenregister im Vergleich zur Mittellage zu präferieren. Die szenische Gestaltung war mir etwas zu routiniert – aber vielleicht kein Wunder bei der großen Anzahl von Vorstellungen, die Maestri in dieser seiner wichtigsten Rolle absolviert(e). Gespannt war ich auf den Ford von Luca Micheletti, denn von ihm, einem ausgebildeten Schauspieler, den ich im Vorjahr als Molières „Misanthrop“ gesehen habe, erwartete ich mir eine große Leistung und wurde insofern enttäuscht, als er zwar einen eifersüchtigen Zornpinkl auf die Bühne stellte, aber vermissen ließ, dass Ford in den Augen des Publikums, das ja die Wahrheit kennt, auch komisch sein muss. (Wie köstlich machte das Rolando Panerai, obwohl er „nur“ Sänger war!). Michelettis angenehm timbrierter Bariton klang ausgeruht. Rosa Feola hat meiner Ansicht nach nicht das nötige Kaliber für Alice Ford, da sie weder szenisch noch gesanglich eine führende Rolle im Damenquartett einnahm. In den Dreißigerjahren wurde diese Rolle von Gilda Dalla Rizza, Maria Caniglia oder Jarmila Novotná gesungen, in den Fünfzigern von Renata Tebaldi, in der näheren Vergangenheit von Mirella Freni.
Da konnte Feola in keiner Weise mithalten. Die Spanierin Rosalia Cid war hingegen mit reizvollem Sopran eine überzeugende Nanetta, gegen die ihr Fenton in Gestalt von Juan Francisco Gatell mit wiederholt fast unhörbaren Tönen entschieden abfiel. Sehr erfreulich war der satte, warm klingende Mezzo von Marianna Pizzolato als sehr unterhaltsam agierende Quickly, während Martina Belli eine unauffällige Meg war. Sehr positiv die Leistung des offenbar langsam ins Charakterfach schwenkenden Antonino Siragusa als Dr. Cajus, sowie Christian Collia als springlebendiger, akrobatischer Bardolfo und Marco Spotti als geboten gravitätischer Pistola.
Viel gut abgestufter Applaus für die Sänger und Jubel für Daniele Gatti.
Eva Pleus, 27. Januar 2025
Falstaff
Giuseppe Verdi
Teatro alla Scala, Mailand
26. Januar 2025
Inszenierung: Giorgio Strehler
Musikalische Leitung: Daniele Gatti
Orchestra del Teatro alla Scala