CDs: „Rachmaninows Klavierkonzerte“, Boris Giltburg

In diesem Jahr jährt sich der Geburtstag des großen Sergej Rachmaninow zum 150. Mal. Das Label Naxos hat nun dieser Tage die dritte CD mit den Klavierkonzerten eins und vier mit dem Pianisten Boris Giltburg veröffentlicht. Der in Moskau geborene israelische Pianist hat sich im Laufe seines Wirkens auf Rachmaninow spezialisiert.

Boris Giltburg spielte die beiden mittleren Konzerte mit dem Royal Scottish Philharmonic Orchestra und dem Dirigenten Carlos Miguel Prieto ein.

Die Eröffnungsakkorde nimmt Giltburg im breiten Tempo. Die aufwühlenden Momente des ersten Satzes werden kraftvoll ausgespielt, aber dynamisch ebenso wieder klar eingefangen. Der berühmte Mittelsatz kann schnell einen akustischen Zuckerschock auslösen, doch Giltburg vermeidet jede Sentimentalität, seine Phrasierung ist sensibel mit lockendem Ton. Das Finale bündelt alle Kräfte und demonstriert einmal mehr das gute Zusammenspiel mit dem Orchester. Carlos Miguel Prieto geht kraftvoll zur Sache und animiert das Royal Scottish Philharmonic Orchestra zu hingebungsvollem Spiel. Dies alles ist in einem kraftvollen Klangbild gut eingefangen.

Sehr hörenswert sind die Solobeigaben. Aus dem Jahr 1911 stammen die „Études tableaux“. Zudem sind noch zwei Bearbeitungen Rachmaninows zu hören, Fritz Kreislers „Liebesleid“ und ein besonderes Arrangement der Polka „Lachstäubchen“ von Franz Behr. Zu erleben ist ein ausgeprägt virtuoses Solo-Klavierspiel im beherzten Zugriff mit nostalgischer Note. Boris Giltburg begegnet diesen Miniaturen mit vielerlei Farben und herrlicher Leichtigkeit. Dazu geht er als Interpret einen eigenen Weg und versucht nicht die Tondokumente von Rachmaninow zu kopieren.

Auf gleich hohem Niveau ist auch die Aufnahme des dritten Klavierkonzertes gelungen. Boris Giltburg entkommt der Virtuosenfalle und gestaltet es nicht als Schaustück für Kunststücke am Flügel. Seine technische Souveränität und seine ausgeprägte Musikalität nutzt Giltburg für einen erzählerischen Grundton. Traumwandlerisch sicher steuert er die Dynamik, geizt auch nicht mit perkussivem Anschlag und findet sich dann doch wieder in feine Rubati ein, die er jenseits der Forte Wallungen entwickelt.

Die gewaltige Kadenz am Schluss des Konzerts ist dann wirklich auch ein logisch entwickelter finaler Höhepunkt. Dirigent Carlos Miguel Prieto begleitet äußerst einfühlsam. Dabei nutzt er gekonnt jede Gelegenheit, sein vorzüglich spielendes Orchester in den Vordergrund zu stellen, wenn dies im Sinne des Werkes ist.

Ergänzt wird diese CD mit den animiert vorgetragenen Corelli Variationen, welche Rachmaninow 1921 veröffentlichte. Kleine Erzählungen im ständigen Wechselspiel der Dynamik. Faszinierend, wie stilsicher Giltburg diesen Anforderungen begegnet und eine packende pianistische Geschichte fesselnd darbietet. Auch bei dieser CD ist die Aufnahmetechnik vorzüglich. Unbedingt lesenswert ist auch das Beiheft, in welchem Giltburg seine Gedanken zu den eingespielten Werken formuliert.

In der jüngsten Einspielung der Klavierkonzerte eins und vier gibt es als Ergänzung die berühmten Variationen auf ein Thema Paganinis. Spannend sind diese Aufnahmen auch durch den Wechsel von Orchester und Dirigent.

Rachmaninows Klavierkonzert Nr. 1 wurde 1892 geschrieben, als dieser sein Studium am Moskauer Konservatorium beendete. 1917 wurde es von ihm nochmals überarbeitet. Rachmaninow war sich bewusst, dass dieses Werk noch unausgereift war. Tschaikowsky, Liszt und Grieg lassen sich recht gut als Einflussgeber heraushören. Dennoch hat dieser Erstling seiner Klavierkonzerte Substanz und kompositorische Kreativität.

Weitaus erfolgreicher ist das Klavierkonzert Nr. 4, das einzige Konzert, das Rachmaninow geschrieben hat, als er in den Vereinigten Staaten lebte. Ähnlich wie seine letzte Sinfonie, so geht dieses letzte Konzert einen neuen Weg. Es ist dunkler und nicht so melodienselig wie seine Vorgänger. Das Auslassen der großen Kantilenen mag dazu beigetragen haben, dass dieses Konzert immer ein wenig im Schatten der beiden mittleren Konzerte steht.

Viel beliebter und wieder voller intensiver Kantabilität und pianistischer Showeffekte sind die überaus beliebten „Paganini Variationen“. Diese Komposition fasziniert durch seine farbliche Vielfalt und den musikalischen Motivreichtum.

Boris Giltburg spielt alle drei Werke mit höchster Souveränität und kluger dynamischer Gestaltung. Für die kantablen Abschnitte nimmt er sich hinreichend Zeit, um diese empfindungsvoll zu artikulieren, ohne in Kitsch abzudriften. Gerade die 18. Variation in den „Paganini Variationen“ ist einer der großen Höhepunkte dieser CD. Feine Rubati und eine kluge Agogik verleihen seinem musikalischen Vortrag Spannung und Abwechslungsreichtum. Am Pult des Brussels Philharmonic stand der russische Altmeister Vassily Sinaisky. Dieser hervorragende Dirigent mit einem umfangreichen Repertoire kennt überragend genau die Anforderungen, die Rachmaninow an das Orchester stellt. Mit großer Stilsicherheit ist Sinaisky ein sehr aufmerksamer Partner, der mit großer Vehemenz, aber auch ausgeprägter Sensibilität das Brussels Philharmonic befeuert. Das Orchester setzt die Vorgaben des Dirigenten mustergültig um und begeistert mit lichtem Klang, der auch sehr markant sein kann. So sind auch in dieser neuen Aufnahme, wunderbare Einspielungen gelungen, um Rachmaninow gebührend zu ehren.

Lesenswerte Beiheft Informationen und eine fabelhafte Aufnahmetechnik runden diese CD-Produktion ab.

Alles in allem sind diese Einspielungen der Rachmaninow Klavierkonzerte sehr konsistent in ihrer herausragenden Qualität. Sie bieten einen frischen Blick auf diese herrlichen Kompositionen im mitreißenden Vortrag.

Dirk Schauß, 15. April 2023


Sergej Rachmaninow

Klavierkonzert Nr. 2*

Études-Tableaux, Op. 33

Boris Giltburg, Klavier

Royal Scottish National Orchestra*

Carlos Miguel Prieto, Leitung

Naxos  8.573629

Klavierkonzert Nr. 3*

Variationen auf ein Thema von Corelli

Boris Giltburg, Klavier

Royal Scottish National Orchestra*

Carlos Miguel Prieto, Leitung

Naxos  8.573630

Sergej Rachmaninow

Klavierkonzerte Nr. 1 und 4

Variationen auf ein Thema von Paganini

Boris Giltburg, Klavier

Brussels Philharmonic

Vassily Sinaisky, Leitung

Naxos  8.574528