Berlin: „Die kleine Hexe“, Franz Wittenbrink

Gute Kinderoper ist keine Hexerei

© Jan Windszus

Jedes Jahr im trüben November, in der verheißungsvollen Vorweihnachtszeit und bis ins neue Jahr hinüber bringt die Komische Oper eine neue Kinderoper heraus, und angefangen mit einem inzwischen studierenden Enkel bis hin zur nun neun Jahre alten jüngsten Enkelin konnte man damit als Großmutter mit einem Besuch immer eine große Freude machen. In Erinnerung ist noch das aufmüpfige Schneewittchen im Stammhaus in der Behrenstraße, die kunterbunte Pippi Langstrumpf, der Tom Sawyer im stimmungsvollen Mississippi-Bühnenbild, und zuletzt Nils Holgerssons wundersame Abenteuer mit den zauberhaften Wildgänsen. Damit in diesem Jahr mit Franz Wittenbrinks neuer Kinderoper Die kleine Hexe nach dem Kinderbuch von Otfried Preußler nicht genug, es wird auch noch eine Premiere von Humperdincks Hänsel und Gretel in der Regie von Dagmar Manzel geben und Tom Sawyer kehrt auf die Bühne zurück. In Offenbachs Robinson Crusoe, der noch vor Weihnachten Premiere haben wird, sollte man sich allerdings einen erwachsenen Begleiter suchen, da handelt es sich um keine Kinderoper. Aber drei Kinderopern in einer Saison sind eine schöne Bilanz, und damit nicht genug. Die Komische Oper kümmert sich um ihr Publikum von morgen auch mit vielen anderen Aktivitäten, so um regelmäßige Kinderkonzerte zum Zuhören, Mitmachen, Mitdenken und Mitfühlen, wie versprochen wird und Projekten wie dem Abenteuer Oper! Oder Singing all together! Natürlich hat das Haus auch seinen eigenen Kinderchor, der nicht nur in La Bohème, sondern besonders in den Kinderopern seine Aufgaben findet.

© Jan Windszus

Das Libretto zur Kinderoper Die kleine Hexe stammt von Anne X. Weber und Susanne Lütje und bedient sich einer Kind gerechten, nicht kindischen Sprache, was wichtig ist, da textverständlich gesprochen und auch so gesungen wird. Die Musik ist so anspruchsvoll wie Kinder nicht überfordernd, vielseitig mit Jazz-Elementen, Tango- oder Kinderliedanklängen, gut singbar und teilweise sogar gut mitsingbar, und nach gutem altem Brauch werden die Kinder auch ab und zu zum Mitwirken aufgefordert. So folgen, obwohl ein Publikum im Grundschulalter vorgesehen ist, auch die viel Kleineren aufmerksam dem Zwei-Stunden-Event ohne Ermüdungserscheinungen, wenn dargestellt wird, wie die kleine Hexe mit Unterstützung des Raben Abraxas sich die Erlaubnis erzaubern will, am Tanz auf dem Blocksberg teilzunehmen, was beinahe daran scheitert, dass sie auch am Freitag trotz Zauberverbots ihre guten Taten vollbringt.

Die Bühne von Alfred Peter ist einfach, aber durch den möglichen schnellen Wechsel bei offenem Vorhang publikumsgerecht, die Kostüme von Dinah Ehm sind prachtvoll, phantasiereich und zum Teil urkomisch. Geschichte wie Publikum ernst nehmend ist die Regie von Martina Gredler, und sie gibt den Sängern die Möglichkeit, sich die Gunst des Publikums zu erwerben.

© Jan Windszus

Am 1. Dezember gab es gleich zwei Vorstellungen. In der ersten um 14 Uhr, und deshalb wohl mit besonders jungem Publikum, sang die Premierenbesetzung Paulina Plucinski die Kleine Hexe mit einer unverkennbar an Musicals geschulten Sopranstimme und machte das einzige und eigentlich vernachlässigungsfähige Problem deutlich, nämlich den gut hörbaren Unterschied zu am Operngesang geschulten Sängern, die natürlich ebenfalls als Ensemblemitglieder des Hauses eingesetzt wurden. Übrigens scheint der Komponist darauf Rücksicht genommen zu haben, denn es gab sehr unterschiedliche Musikstile, mehr oder weniger der Oper fern, wenn zum Beispiel das Papierblumenmädchen von Julia Schaffenrath, Mitglied des Opernstudios, eine schöne, opernnahe Arie zu singen hatte, auch der Revierförster von Noam Heinz profitierten von dieser musikalischen Vielfalt. Mirka Wagner als Maronifrau konnte optisch wie akustisch gefallen, im Zentrum des Geschehens und in jeder Hinsicht höchst erfreulich, nicht zuletzt wegen seines unverwechselbaren feinen Näselns, stand Michael Heller als Rabe Abraxas.

© Jan Windszus

Der Kinderchor der Komischen Oper (Leitung Dagmar Fiebach) eifert dem Chor der Erwachsenen nach, die allerdings diesmal vom Vocalconsort, ebenfalls stets eine Bank für optische und akustische Perfektion, vertreten wurden. Anne Hinrichsen führte das Orchester mit viel Schwung, Feinfühligkeit und Sängerfreundlichkeit durch den Nachmittag. Wundert man sich manchmal, woher auf einmal die vielen Frauen am Regie- und am Dirigentenpult kommen- Anne Hinrichsen und Martina Gredler sind ganz bestimmt keine Quotenfrauen, sondern beweisen auch mit dieser Produktion , dass sie ihre Position allein ihrer Leistung zu verdanken haben.

Die Vorstellung war dem unlängst verstorbenem langjährigem Ensemblemitglied Carsten Sabrowski gewidmet.

Ingrid Wanja, 1. Dezember 2024


Die kleine Hexe
Franz Wittenbrink

Komische Oper Berlin

6. Vorstellung am 1. Dezember 2024
nach der Premiere am 26. Oktober 2024

Regie: Martina Gredler
Musikalische Leitung: Anna Hinrichsen
Orchester der Komischen Oper Berlin

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