Berlin: Verdi-Gala

Wie die beiden anderen Berliner Opernhäuser hat auch die Deutsche Oper ihren ganz eigenen Weg gefunden, das Bestmögliche aus der Corona-Krise zu machen, hat ihr Parkdeck zum dritten Spielraum neben großem Saal und Tischlerei gemacht und bereits vor wie auch nach der Sommerpause ein halbszenisches Rheingold mit reduzierter Orchesterbesetzung aufgeführt, eine große Duke-Ellington-Hommage, gestaltet durch die hauseigene Big Band stattfinden und mit dem Dschungelbuch Ein Jazzabenteuer für Familien aufführen lassen. An drei Abenden, und da kam endlich wieder die Hauptbühne zur Aktion, wurde ein grenzüberschreitendes Unternehmen mit Beethovens 7. Sinfonie plus Klezmermusik, Tanz und Dokumentartheater, das Schicksal von aus Afrika nach Europa flüchtender Frauen zu Thema habend, für Deutschland aus der Taufe gehoben. „Echte“ Oper gab es endlich am 12. September mit einer Verdi-Gala mit Arien und Szenen aus Macbeth, Nabucco, Don Carlo und Un Ballo in Maschera.

Damit das Konzert- und bald noch weitere- stattfinden konnte, hatte man sich ein umfassendes Hygienekonzept erarbeitet. Ungefähr nur jeder sechste Platz war verkauft worden, gelbe Stoffbänder auf den nicht zu besetzenden werteten die alten Stühle noch einmal auf, Gastronomie fand nur im Freien statt, der Besucher wurde zu einem der beiden Zugänge geführt, damit Ansammlungen vermieden wurden, und erst auf dem Sitzplatz angekommen durfte man seine Maske abnehmen. Einige ältere Besucher waren offensichtlich so sehr von Corona verängstigt, dass sie ihren Schutz auch während der ungefähr hundert Minuten dauernden pausenlosen Darbietung aufbehielten. So hielten sich zunächst Vorfreude auf das lange vermisste Genießen großer Musik und eine gewisse Beklemmung wegen der notwendigen Einschränkungen die Waage.

Von einer Gala erwartet man besonders hervorragende Leistungen, und das Aufgebot an Sängern war vielversprechend, so mit der spanischen Sopranistin Saioa Hernández und dem mongolischen Bariton Amartuvshin Enkhbat. Erstere hatte sich im Dezember 2018 bei der Scalaeröffnung als Odabella einen Sensationserfolg ersungen, letzterer bereits auch an der DO als Nabucco sehr zu gefallen gewusst. Leider schlug Corona zu und verhinderte die Reise des Sängers aus seiner Heimat nach Berlin trotz aller Bemühungen des Hauses um sein Erscheinen. Für ihn sprang gleich in allen vier Opern der Kanadier Etienne Dupuis ein, dem Berliner Publikum bereits bestens bekannt als Eugen Onegin und vielen Partien des italienischen und französischen Fachs. Außer auf den mongolischen Bariton musste man an diesem Abend auch auf den kroatischen Bas Marko Mimica verzichten, jahrelang Ensemblemitglied und inzwischen sogar in der Arena di Verona geschätzt.

Für ihn sprang der Koreaner Byung Gil Kim ein und konnte sowohl als Zaccaria wie als Banco mit einem dunkelglühenden, höhensicheren Bass erfreuen und mit einer besonders geschmackvollen Fermate. Das Mezzosopranfach wurde von Irene Roberts vertreten, die eine elegante, tragikumflorte Eboli sang, die Stimme wie aus einem Guss, ohne brustige Tiefe und mit dunklen Mezzofarben bis in die Extremhöhe, mit einem schönen Glockenton und auch in der mezza voce gut tragender Stimme. Weniger gut war es um das Tenorfach bestellt. Zwar kann man dem amerikanischen Sänger Patrick Cook nicht absprechen, über eine durchdringende, hochpräsente Stimme zu gebieten, aber über ein Verditimbre verfügt sie nicht, ist recht grell, und wer die Klage des Macduff um die gemeuchelte Familie mit einem gewinnend erscheinen sollenden Lächeln beschließt, handelt wohl auch nicht im Sinne des Komponisten. Als zweiter Tenor beschloss Robert Watson den Abend mit dem Freundschaftsduett aus Don Carlo, wirkte zunächst wie ein Tenorino und irritierte durch ein wie aus einem alten Handbuch für Operngestik entnommenes Gebaren.

Im Mittelpunkt des Abends und des allgemeinen Publikumsinteresses standen Sopran und Bariton. Etienne Dupuis hat an der DO schon viele berechtigte Erfolge errungen und gefiel dem Publikum auch an diesem Abend. Leider hatte er kaum berücksichtigt, dass er nicht weit entfernt von demselben über ein großes Orchester hinweg singen musste und so war er zunächst bei allen Meriten vor allem laut, eher martialisch als nobel, oft a squarcia gola singend, beeindruckend, aber nicht berührend. Unglücklich war die Entscheidung, den Posa erst mit O Carlo, ascolta-Io morró beginnen zu lassen, so dass der Eindruck veristischen Singens entstehen musste, war der Nabucco zwar kraftvoll, aber nicht balsamisch, wenn er es sein müsste, konnte man sich mit ihm erst im feurigen Freundschaftsduett, aber auch mit einem gespenstisch klingenden Macbeth in Mi si affaccia pugnai anfreunden.

Große Erwartungen hatten sich an das Erscheinen von Saioa Hernández geknüpft, und sie enttäuschte nicht, hatte wundervoll gleisnerische Töne für die Lady, sichere Intervallsprünge für die Abigaille, eine schneidende Höhe, aber auch eine schöne Melancholie für die sanfteren Gefühle und für eine schöne Kadenz. Man kann nur hoffen, dass sie nicht durch übermäßigen Einsatz im Turandot-Abigaille-Lady-Fach zu sehr strapaziert wird.

Dem Orchester der Deutschen Oper merkte man an, wie froh es darüber war, wieder im großen Saal spielen zu dürfen, und Roberto Rizzi Brignoli war der richtige Dirigent vor allem für den frühen Verdi, den er mit fröhlicher Robustheit und viel italienischem Brio zu gestalten wußte.

Etwas befremdlich war die Kleiderordnung, wenn das Orchester in Frack und Abendkleid, die beiden Solistinnen in schönen Glitzerkleidern, die Herren an ihrer Seite jedoch im lässigen Straßenanzug auftraten.

Es folgen im September noch zwei Verdi-Abende, jeweils ca. 90 Minuten und ohne Pause, für Aida und für La Gioconda. Und da kommt mit Joseph Calleja auch ein toller Tenor.

13.9.2020

Ingrid Wanja

Pressemitteilung

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir sind froh, unserem Publikum nach den langen opernlosen Wochen seit dem 12. Juni sechs Vorstellungen eines halbszenischen RHEINGOLD auf dem Parkdeck bieten zu können, bevor am 30. Juni die Sommerpause beginnt. Und da zu vermuten ist, dass die Abstandsgebote und Vorsichtsmaßnahmen uns auch zu Beginn der neuen Saison begleiten, haben wir – einstweilen für die Wochen vom 21. August bis 26. September – einen neuen Spielplan erstellt, der diesen Bedingungen Rechnung trägt. Über die Realisierung der für den Fortgang der Saison geplanten Produktionen informieren wir Sie ab Mitte August, wenn der dann gesteckte Rahmen sich klarer abzeichnet.

Die Vorstellungen im August finden auf dem Parkdeck, also unter freiem Himmel statt. In die Saison starten wir am 21. August mit drei weiteren Vorstellungen des RHEINGOLD in der von Jonathan Dove für 22 Musiker orchestrierten und gekürzten Fassung der Birmingham Opera Company. Weiter geht es dann mit zwei Jazz-Produktionen der BigBand der Deutschen Oper Berlin für Erwachsene und für Kinder: Am 25. und 26. August laden die Musiker zu einer großen Duke-Ellington-Hommage ein, die von Rezitationen durch Schauspieler Maximilian Held ergänzt wird. Für Kinder entsteht eine neue Fassung von Rudyard Kiplings Dschungelbuch, gelesen von Christian Brückner und mit Musik von Martin Auer, zu erleben am 29. und 30. August.

Im September bieten wir konzertante, gekürzte Aufführungen von Repertoirewerken sowie die Premiere einer Inszenierung der französischen Regisseurin Marie-Ève Signeyrole, die Beethovens 7. Symphonie zum Ausgangspunkt eines grenzüberschreitenden Konzert-Projekts gemacht hat: Deutsche Sinfonik und jiddische Klezmer-Musik begegnen sich, und aktuelle Berichte von nach Europa geflüchteten Frauen treffen auf Beethovens Anspruch eines weltumspannenden Humanismus. BABY DOLL. Eine Flucht mit Beethovens 7. Sinfonie ist ein Abend zwischen Sinfoniekonzert und Klezmer-Session, zwischen Tanz, Dokumentartheater und Video-Installation mit dem Orchester der Deutschen Oper Berlin, dem Klezmer-Komponisten Yom und weiteren Gästen unter der musikalischen Leitung von Generalmusikdirektor Donald Runnicles. Die Produktion entstand unter Federführung des Orchestre de Chambre de Paris und wurde für die Cité Musicale Metz premierenreif geprobt, bis der Lockdown Mitte März die Uraufführung vereitelte.

Weiter geht es am 12. und 13. September mit einer Verdi-Gala, in der Auszüge aus MACBETH und NABUCCO konzertant präsentiert werden. Mehr als die Hälfte seiner Opern schrieb Giuseppe Verdi in dem Jahrzehnt zwischen 1840 und 1850. Die Gegenüberstellung seiner beiden bekanntesten Werke aus dieser Zeit, die im Zentrum der Verdi-Gala stehen, zeigt auf faszinierende Weise die Entwicklung von Verdis musikdramatischer Charakterisierungskunst, gerade weil die Hauptpartien in NABUCCO und MACBETH für ganz ähnliche Stimmen geschrieben sind: Sind die beiden Titelrollen die ersten großen Beispiele für den Verdi-Bariton, stellen die Abigaille im NABUCCO und die Lady Macbeth mit ihrem unbedingten Machtwillen dämonische Gegenbilder zu den zarten, hilflosen Sopranfrauen der romantischen Oper dar. Im Gala-Konzert werden diese charismatischen Bühnenfiguren von zwei Ausnahmesängern gestaltet: Der junge mongolische Bariton Amartuvshin Enkhbat feierte bei seinem Debüt an der Deutschen Oper Berlin in der Titelpartie des NABUCCO einen triumphalen Erfolg, die spanische Sopranistin Saioa Hernández hat sich seit ihrem Debüt an der Mailänder Scala 2018 mit der Odabella in ATTILA weltweit als Interpretin der großen dramatischen Verdi-Partien profiliert. Ihnen zur Seite stehen Irene Roberts, Marko Mimica, Patrick Cook und das Orchester der Deutschen Oper Berlin unter der Leitung von Roberto Rizzi Brignoli.

Am 19. und 20. September laden wir zu einem Best of AIDA unter musikalischer Leitung von Giampaolo Bisanti ein. Dass Verdis AIDA eine der meistgespielten Opern ist, hat nicht nur mit dem legendären Triumphmarsch zu tun, sondern auch mit Arien wie „O patria mia“, „Celeste Aida“ oder dem Schlussduett „O terra addio“. Als Aida ist die junge russische Sopranistin Elena Stikhina zu erleben, die als Preisträgerin des Operalia-Wettbewerbs für Aufsehen sorgte und in kürzester Zeit die großen Bühnen weltweit eroberte. Judit Kutasi begeisterte mit ihrer Amneris u.a. schon in der Arena di Verona und ist eine der gefragten Erdas (DAS RHEINGOLD) sowie Lauras (LA GIOCONDA), so auch an der Deutschen Oper Berlin. Und Jorge de León, häufiger Gast im Haus an der Bismarckstraße, leiht seinen tenoralen Glanz dem ägyptischen Feldherrn Radames.

Mit LA GIOCONDA schrieb Amilcare Ponchielli Musikgeschichte: Das Werk erzählt von einer Sängerin, genannt „La Gioconda“, „die Heitere“, die sich opfert, um dem von ihr unglücklich geliebten Enzo ein neues Leben mit einer bereits verheirateten Frau zu ermöglichen – Laura, der Frau des venezianischen Politikers Alvise Badoero. Es ist zentrales Meisterwerk der italienischen Oper zwischen Verdi und Puccini, zwischen Melodramma und Verismo, melodiensatt und zugleich dramatisch zupackend. Und es ist jene Oper, deren populärste Nummer mit dem „Tanz der Stunden“ ausgerechnet die Ballettmusik des dritten Aktes ist. Diese erklingt in der konzertanten Aufführung Best of LA GIOCONDA am 25. und 26. September neben weiteren Ausschnitten, darunter etwa Giocondas Arie „Suicidio!“ oder Enzos „Mare e ciel“.

Als Enzo wird mit Joseph Calleja einer der gefragtesten Tenöre unserer Zeit zu erleben sein. An seiner Seite steht mit dem Bariton Roman Burdenko als sein intriganter Gegenspieler Barnaba ein ebenfalls regelmäßiger Gast im Haus an der Bismarckstraße – neben zwei jungen Sängerinnen, die zu den aufstrebenden Stars der Opernwelt zählen: Judit Kutasi als Laura sowie in der Titelpartie die jungen russische Sopranistin Irina Churilova. Es spielt das Orchester der Deutschen Oper Berlin unter Ivan Repuši

ć, als Moderator führt Jörg Schörner durch den Abend.

Da die behördlichen Bestimmungen entsprechend des aktuellen Infektionsgeschehens in Bewegung sind, starten wir am 22. Juni zunächst mit dem Vorverkauf für den Monat August, der Vorverkauf für September beginnt am 17. August. Dementsprechend freuen wir uns über Ihre Pressekartenbestellungen für den Monat August ab sofort, bitten allerdings um Verständnis, dass wir wegen der sehr begrenzten Platzkapazität nur eine Pressekarte (keine Begleitkarten) reservieren können. Da sich das Platzangebot im großen Haus möglicherweise noch ändern kann, würden wir Sie bitten, uns Ihre Bestellungen für September erst nach der Sommerpause mitzuteilen.

Vom 30. Juni bis 12. August befindet sich die Deutsche Oper Berlin in Ferien – selbstverständlich melden wir uns dann kurzfristig mit aktuellen Informationen und hoffen sehr, Sie und unser Publikum zu einem wieder umfänglicheren Vorstellungsangebot bei steigender Platzkapazität begrüßen zu dürfen!