Düsseldorf, Ballett: „Krabat“

Vor fast 10 Jahren fand am Opernhaus Stuttgart die Uraufführung des Ballettabends „Krabat“ statt, für den Demis Volpi nach dem bekannten Roman von Otfried Preussler eine abendfüllende Choreografie entwickelte. Dass die Premiere in Düsseldorf am 10. November 2022 nun zeitlich nah an der Wiederaufnahme der gleichnamigen Rockoper am Gelsenkirchener Musiktheater im Revier liegt, kann man durchaus als Indiz dafür werten, dass sich diese Geschichte in der Tat gut für eine Bühnenadaption eignet.

(c) Ingo Schäfer

Es gibt neben Märchenmotiven und einer Menge Magie in Otfried Preusslers Buch auch eine zeitlose Ebene über Machtstrukturen und die universelle Kraft der Liebe, die heute aktueller denn je scheint. So kommt der junge Krabat als obdachloser Waisenjunge zur Mühle des Meisters, an der er zusammen mit elf weiteren Gesellen in der Kunst der Magie ausgebildet wird. Zum Jahresende erscheint stets der Herr Gevatter um seinen Tribut vom Meister zu fordern. Ein Geselle stirbt und ein neuer kommt hinzu, der ewige Kreislauf der Mühle beginnt jedes Jahr von neuem, ohne dass es einen Ausweg zu geben scheint. Doch wenn ein Mädchen einen Gesellen liebt, kann sie ihn vom Meister frei bitten. Hierzu muss sie allerdings eine ihr vom Meister auferlegte Prüfung bestehen. Gelingt ihr dies, ist der Geselle frei und der Meister stirbt. Scheitert sie, muss das Mädchen mir ihrem Geliebten sterben. In der Osternacht, die die Gesellen stets außerhalb der Mühle verbringen dürfen, lernt Krabat die Kantorka kennen, deren Identität aber zunächst geheim bleibt. Im dritten Jahr auf der Mühle, ist es schließlich dieses Mädchen, die beim Meister um Krabats Freilassung bittet, nachdem dieser in der anstehenden Silvesternacht geopfert werden soll. Hierzu muss sie Krabat mit verbundenen Augen unter den zwölf Gesellen erkennen, die der Meister allerdings zuvor in Raben verwandelt hat. An der großen Angst Krabats, nicht um sein eigenes sondern um das Leben der Kantorka, erkennt sie ihn schließlich und bricht hierdurch die Macht des Meisters ein für allemal.

(c) Ingo Schäfer

Wie das Buch, teilt Volpi das Ballett in drei Teile, hierbei entspricht ein Akt jeweils einem Jahr auf der Mühle. Wichtige Handlungsteile werden hierbei geschickt tänzerisch herausgearbeitet. Das Bühnenbild besteht aus nahezu 1.500 Mehlsäcken, die das innere der Mühle symbolisieren und die mit allerlei kleinen magischen Bühnentricks aufwarten können. Katharina Schlipf, ebenso verantwortlich für die gelungenen Kostüme des Abends, schuf hier ein optisch ansprechendes Bühnenbild, welches den Tänzern und Tänzerinnen genügend Raum lässt und trotzdem verschiedene Ebenen bietet. Gelungen ist auch die Musikauswahl des Abends. Die Düsseldorfer Symphoniker spielen unter der Leitung von Katharina Müllner u. a. Auszüge aus Peteris Vasks Streichquartett Nr. 3 und Krzystof Pendereckis Symphonie Nr. 1. Philip Glass ist mit Teilen aus seinen Konzerten für Violoncello und Orchester sowie Violine und Orchester vertreten. Eingerahmt wird der Abend aber in die Mühlenmusik von Christoph Kirschfink, die im Mai 2012 in der Mäulesmühle aufgenommen wurde, und zu deren rhythmischen Klängen eindrucksvolle Tanzbilder entstehen.

(c) Ingo Schäfer

Überzeugend einmal mehr das gesamte Ensemble des Ballett am Rhein. Miguel Martínez Petro gefällt als junger Krabat, auch im Zusammenspiel mit Emilia Peredo Aguirre als Kantorka. Die Figur des Gevatter ist in dieser Inszenierung als sehr mächtig angelegt, die mit minimalen Bewegungen große Wirkungen erzielen kann. In Form einer Flamme kann Lara Delfino diese Rolle gut ausfüllen. Ein Highlight des Abends ist im zweiten Jahr der Kampf zwischen dem Meister (Damián Torío) und dem Zauberer Pumphutt (Charlotte Kragh) für den es einen großen Zwischenapplaus gab, der sich ansonsten am Premierenabend eher in Grenzen hielt. Von den weiteren Gesellen hinterlassen vor allem Daniele Bonelli als Altgeselle Tonda, Jack Bruce als schüchterner Bettlerjunge Witko und Evan L’Hirondelle als frecher Lobosch bleibenden Eindruck. Ausdrücklich ist an dieser Stelle aber für eine gelungene Umsetzung die gesamte Compagnie zu nennen, insgesamt stehen bei dieser Produktion über 30 Tänzer und Tänzerinnen auf der Bühne.

Das Publikum zeigte sich am Ende begeistert und man kann froh sein, dass ein solch gelungener Abend erneut auf die Bühne kommt, denn außerhalb von Stuttgart ist dieses Handlungsballett sicher an vielen Zuschauern vorbei gegangen. Mit einer Gesamtlänge von rund drei Stunden (einschließlich zwei Pausen) ist der Abend dann aber doch eher für ein erwachsenes Publikum angelegt, auch wenn es ursprünglich als Kinder- und Jugendstück angedacht war. Da Demis Volpi zum 01. August 2024 die Nachfolge von John Neumeier als Intendant des Hamburg Balletts antritt, bleibt zu hoffen, dass den Zuschauern am Rhein auch in der kommenden Spielzeit noch weitere ansehnliche Arbeiten von Volpi folgen werden, der es geschafft hat, in den vergangenen zwei Jahren am Rhein eine junge Ballettcompagnie zu formen, zu deren Vorstellungen man gerne ins Theater geht.

Markus Lamers, 13. November 2022


Krabat“ Ballett, Buch-Vorlage von Otfried Preussler

Besuchte Premiere: 10. November 2022

Choreografie: Demis Volp

Ballett am Rhein

Musikalische Leitung: Katharina Müllner

Düsseldorfer Symphoniker