Wiener Staatsballett, Wiener Staatsoper, 28.9.2017
Mehr als nur eine Repertoire-Vorstellung
Mit der bereits 69. Vorstellung von Elena Tschernischowas „Giselle“, bzw. die 5. Vorstellung in Serie diesen Herbst, kann sich der Zuschauer erneut vom hohen Niveau des Wiener Staatsballetts überzeugen, und dass der „Ballettklassiker“ keinesfalls zu einer gewöhnlichen Repertoire-Vorstellung abgestumpft ist.
Aufgrund einer Erkrankung von Maria Yakovleva wurde die Titelpartie wieder von Nina Polakova getanzt, welche mit ihrer dritten Vorstellung nun ganz in die Rolle hineingefunden hat. Während der 2. Akt schon bei der Wiederaufnahme atemberaubend schön war, hat sie sich nun auch im 1. Akt die Giselle zueigen gemacht; noch neckischer und unbeschwerter sind die gemeinsamen Momente mit Albrecht, überzeugend ist sie auch das schüchtern-verliebte, herzkranke Bauernmädchen, welches an Albrechts Betrug zerbricht und wahnsinnig wird.
Dies liegt nicht zuletzt auch an ihrem neuen Partner Masayu Kimoto, welcher mittlerweile schon gewöhnt an Prinzen-Rollendebüts mit Livestream (zuletzt im Juni als Schwanensee-Prinz) sein dürfte. Kimoto ist nicht nur ein hervorragender Partner, sondern hat auch die Ausstrahlung eines Prinzen, der sehr wohl die Flirtereien mit Giselle geniesst, aber dessen fürstliche Haltung nie verloren geht. Seine Variationen tanzt er sowohl ausdrucksstark, als auch mit makelloser Technik. Als sein Kontrahent Hilarion weiss Andrey Kaydanovskiy zu überzeugen, dessen eifersüchtige Handlungen aus Liebe zu Giselle nur logisch erscheinen – völlig am Boden zerstört bleibt er am Ende des 1. Aktes zurück, ohne jedoch affektiert zu wirken. Im 2. Akt wieder einmal hervorragend: Rebecca Horner als unbarmherzige Myrtha, die gekonnt Eleganz und Ausdrucksstärke vereint und überdies auch mit Sprungkraft glänzt.
Rollendebüts gab es diesmal auch für das Bauernpaar (Alice Firenze und Leonardo Basilio), zwei äusserst souveräne Tänzer, sowie in den statistischen Rollen für Kamil Pavelka (Herzog von Kurland) und Vanessza Csonka (Bathilde), während die Solo-Wilis erneut von den federleichten Damen Rikako Shibamoto und Elena Bottaro getanzt, bzw. geschwebt wurden.
Das Corps de Ballet erntete im 2. Akt Szenenapplaus und glänzte durch Harmonie – auch in kleinen Gruppen sehr anmutig: Giselles Freundinnen (Elena Bottaro, Sveva Gargiulo, Fiona McGee, Xi Qu, Rikako Shibamoto und Céline Janou Weder).
Das Orchester der Wiener Staatsoper unter der Leitung von Valery Ovsyanikov spielte auch deutlich besser, als bei der Wiederaufnahme; besonders schön gelangen die Bratschensoli im 2. Akt.
Folgevorstellungen: 1. und 9.10.2017, sowie 30.5., 2., 4. und 6.6.2018
Katharina Gebauer 1.10.2017
Bilder Staatsballett