Darmstadt: „Im weißen Rössl“, Ralph Benatzky

Lieber Opernfreund-Freund,

Ralph Benatzkys Im weißen Rössl ist nicht erst seit der Verfilmung mit Peter Alexander aus dem Jahr 1960 ein Dauerbrenner – rund ein halbes Dutzend Produktionen laufen in dieser Spielzeit auf deutschen Bühnen. Dabei ist Philipp Moschitz am Staatstheater Darmstadt eine außerordentlich frische Rössl-Version gelungen, die ich mir am gestrigen Ostersonntag gerne für Sie angesehen habe.

© Martin Sigmund

Gründlich entstaubt hat der vom Musical kommende Philipp Moschitz die Geschichte um den unglücklich verliebten Zahlkellner Leopold, der gerne eine biedere Spießigkeit anhaftet. Stattdessen würzt er die Story mit viel Witz, polyamourösen Anklängen und aktuellen Anekdoten und macht sie dadurch nicht nur zeitgemäß, sondern extrem unterhaltsam und zu einem Plädoyer für die Liebe in jeder Form. Die Kostümabteilung rund um Claudio Pohle fährt zu diesem Spektakel farbenfrohe und detailreiche Kostüme jenseits bloßen Lokalkolorits auf, die sich auf der offenen Bühne von Matthias Engelmann, die irgendwie an einen Heustadl erinnert, vollends entfalten können.

© Martin Sigmund

Die Sängerschar mag dem einen oder anderen im Zuschauerraum in anderem Zusammenhang bereits begegnet sein: Louisa von Spies und Tobias Licht kennt man aus dem Fernsehen, Franziska Schuster seit einer Casting-Show von der Musicalbühne, Jendrik Sigwart hat Deutschland schon beim ESC vertreten. Derlei birgt durchaus die Gefahr, dass man sie in einer Operettenproduktion als fehl am Platz empfindet – doch sie erwecken gestern den Eindruck, dass sie genau da hingehören. Louisa von Spies ist eine charaktervolle Josepha und Jendrik Sigwart ein quirliger, exzellent singender Piccolo. Tobias Licht hätte ich – so ehrlich will ich sein – am wenigsten zugetraut, mich als Operettendarsteller überzeugen zu können; doch das Gegenteil ist der Fall: der aus Köln stammende Schauspieler packt mich mit seiner überragenden Bühnenpräsenz, seiner nonchalanten Spielweise und seinem ausdrucksstarken Gesang. Der musicalerprobte Julian Culemann steht seinem Kollegen in nichts nach, macht den Advokaten Dr. Siedler durchaus sympathisch und wird zusammen mit seiner ebenfalls exzellent singenden und tanzenden Kollegin Franziska Schuster zum zweiten Traumpaar des Abends.

© Martin Sigmund

Michael Nündel haucht der musikalischen Seite mit seinen Arrangements frisches Leben ein und macht den Abend zusammen mit den Musikerinnen und Musikern des Staatsorchesters Darmstadt perfekt. Auch Operettenskeptikern kann ich diese Produktion deshalb ausdrücklich empfehlen: Philipp Moschitz und Michael Nündel gelingt zusammen mit der Sängerschar eine unterhaltsame Mischung aus Musical, Komödie und Operette in bester Revue-Tradition, aber weit jenseits von „altbacken“.

Ihr

Jochen Rüth, 1. April 2024


Im weißen Rössl
Singspiel von Ralph Benatzky


Premiere: 15. März 2024

besuchte Vorstellung: 31. März 2024


Regie: Philipp Moschitz

Musikalische Leitung: Michael Nündel
Staatsorchester Darmstadt

weitere Vorstellungen: 5. und 20. April, 10. Mai, 16. Juni sowie 12. Juli