Darmstadt: „Il trionfo della fedeltà“, Maria Antonia Walpurgis

Lieber Opernfreund-Freund,

Maria Antonia Walpurgis Symphorosa von Bayern, 1724 als Tochter des bayerischen Kurfürsten Karl Albrecht geboren, war durch ihre Heirat nicht nur Kurfürstin von Sachsen, sondern auch anerkannte Sängerin, Cembalistin und Komponistin und erhielt u.a. Unterricht bei Johann Adolf Hasse und Nicola Antonio Porpora. Ihre Oper Il trionfo della fedeltà (Der Triumph der Treue) ist nun im Prinz-Georg-Garten in Darmstadt als Produktion des dortigen Staatstheaters zu erleben: Gestern hatte ich nach der am 4. Juni im wahrsten Wortsinne ins Wasser gefallenen Premiere die Gelegenheit, mir diese Rarität für Sie anzuschauen.

© Nils Heck

Betritt man den Prinz-Georg-Garten, in dem sich auch das gleichnamige Palais mit dem Porzellanmuseum samt großherzoglich-hessischer Porzellansammlung befindet, durch einen Seiteneingang, fühlt man sich sofort in eine andere Welt namens Arkadien versetzt. Die Protagonisten, die den gut 70minütigen Abend musikalisch gestalten, tummeln sich bereits auf dem Gelände, räkeln sich in ihren Kostümen auf Decken oder spielen Federball, so dass man sich auf einem Gartenfest im 18. Jahrhundert wähnt. Die natürlichen Hecken haben Lisa und Leo Moro mit künstlichen Blüten aufgemotzt und schaffen so einen wunderbaren Raum inmitten der Natur, an dem sich das Barockspektakel vortrefflich entfalten kann. Die Zuschauer sitzen auf Gartenstühlen und werden 360 Grad bespielt, so dass sie sich ständig mitten im Geschehen befinden, während das Staatsorchester Darmstadt unter der versierten Leitung von Nicolas Kierdorf aus einem Pavillon heraus leicht verstärkt den beschwingten musikalischen Teppich ausrollt.

© Nils Heck

Das Schäferspiel erzählt von Clori, die eigentlich mit Fileno zusammen ist, nachdem sie sich von Tirsi getrennt hat. Doch als der Gefallen an der exotischen Nice findet, erwacht ihre Eifersucht und sie spinnt eine Intrige, um das Glück zu zerstören. Dem jungen Regisseur Matthias Piro gelingt eine so origineller wie witziger Spagat, indem er die historische Handlung mit einem aktuellen Handlungsstrang paart: die junge Mutter Andrea aus dem benachbarten Büttelborn bleibt mit ihrem Auto auf dem Gelände des Gartens liegen. Weil sie ein Nike-Shirt trägt, wird sie von Clori und ihren Gefährten als gleichnamige Nymphe identifiziert. Aus dieser Konstellation entwickeln sich allerhand spritzige Dialoge und lustige Missverständnisse, die für einen unterhaltsamen Rahmen sorgen, in dem sich die Irrungen und Wirrungen rund um Treue und Hoffnung vortrefflich entfalten können. Dazu tragen nicht nur die hinreißenden, mit floralen Accessoires akzentuierten Kostüme aus der Entstehungszeit des Werks, die von Lisa Moro stammen, und die originellen Sprechtexte von Frieda Lange samt Team bei, sondern vor allem die unzähligen herrlichen Ideen von Matthias Piro, der motorisierte Schafe und lebende Büsche einsetzt, den mahnenden Klerus als stets finster dreinblickende Gesellen inszeniert, die Rundumbühne gekonnt belebt und so einen entstaubten, quirligen Musiktheaterabend präsentiert. Einen großen Auftritt hat auch die Komponistin selbst, die vom als Dragqueen Tante Gladice bekannten Markus Schubert im Hermelinmantel mit einer unvergleichlichen Mischung aus Grandezza und Augenzwinkern verkörpert wird, als Dea ex machina Cloris Intrige aufdeckt und die Protagonisten dazu ermuntert, ihre Träume auszuleben.

© Nils Heck

Das Ensemble überzeugt mich nicht nur mit seiner ansteckenden Spielfreude, die Sängerinnen singen zudem wunderbar: Jana Baumeister verkörpert die intrigante Clori mit seelenvollem Gesang, in den sie tolle Koloraturen voller Leichtigkeit einbaut. Der unglückliche Tirsi findet in Clara Kreuzkamp eine ideale Gestalterin, die einen glutvollen Mezzo voller Gefühl und farbenreichem Ausdruck mitbringt. Als geschasster Fileno darf Cláudia Pereira glänzen, während Nike Tiecke als Nice (im Nike-Shirt) ihren facettenreichen Sopran zeigt.

© Nils Heck

Das kurze Stück gerät in der Kombination aus Kulisse, Kostüm, Regie und der klangvollen Musik von Maria Antonia Walpurgis zum Gesamtkunstwerk und beschert dem Publikum einen unterhaltsamen musikalischen Frühsommerabend, ist ideal auch für einen ersten Kontakt mit dieser Kunstform und durchaus auch für junge Menschen geeignet. Wenn Sie hingehen, lieber Opernfreund-Freund – und das sollten Sie! – dann kommen Sie früh. So können Sie sich nicht nur die besten Plätze sichern, sondern auch die Atmosphäre der Produktion ganz und gar in sich aufnehmen.

Ihr
Jochen Rüth

20. Juni 2025


Il trionfo della fedeltà
Pastorale von Maria Antonia Walpurgis

Staatstheater Darmstadt

Premiere: 11. Juni 2025
besuchte Vorstellung: 19. Juni 2025

Regie: Matthias Piro
Musikalische Leitung: Nicolas Kierdorf
Staatsorchester Darmstadt

weitere Vorstellungstermine im Prinz-Georg-Garten: 22., 25. und 22. Juni sowie am 2. Juli 2025