Mönchengladbach: „My Fair Lady“

Premiere am 17.11.2013, besucht: 2. Aufführung am 29.11.2013

Etwas schmalbrüstig in Mönchengladbach

„My Fair Lady“, das berühmten Musical von Frederick Loewe nach "Pygmalion" von George Bernhard Shaw, ist ein gesellschaftskritisches Stück über "die da oben und die da unten", verpackt als Komödie über eine hoffähige Sprache und ein entsprechendes Benehmen. Der Sprachwissenschaftler Higgins schließt mit seinem Kollegen Oberst Pickering eine Wette ab, das einfache Blumenmädchen Eliza Doolittle mit der schrecklichen Aussprache allein durch vokales Training auf einer Veranstaltung der feinen Gesellschaft als unbekannte Gräfin ausgeben zu können. Die Geschichte dürfte hinlänglich bekannt sein und sei hier nicht noch einmal ausgebreitet. Shaw´s Schauspiel wie auch das Musical von Loewe haben viel hintergründigen Witz und Spitzigkeit, sie spielen im unterschiedlichen Milieu der niederen Straße und der feinen Gesellschaft, lassen grobschlächtige einfache Leute in der Kneipe neben feinen Herrschaften der Oberklasse bei Pferderennen, Tanzvergnügen und Nachmittagstee agieren. Und zeigen, wie man allein durch Unterricht aus diesem Milieu hochkommen kann, um schließlich selbst Sprachunterricht zu geben. Ein Stück also der Kontraste und der subtilen Ironie.

Okarina Peter und Timo Dentler haben für den von Theater kommenden Regisseur Roland Hüve eine Art Zirkusarena nachgebaut, mit flackernden Lichterketten und einer Drehbühne mit großer Zwischenwand, welche die niedrige Welt der Straße von den höheren Arealen des Daseins trennt. Die im ersten Akt auch prompt ihren Geist aufgab, sah man doch schwarz gekleidete Bühnenarbeiter hin und her flitzen; in der Pause konnte die Technik dann jedoch erfolgreich repariert werden. Auf der feinen Seite standen immerhin einige Möbelstücke und ein Grammophon als Zimmer von Higgins und für die Teezeremonie mit seiner Mutter herum, dafür umso weniger auf der arg ambientenarmen Straße, aber immerhin ein Papp-Oldtimer. Zum einen preiswert und für schnellen Szenenwechsel praktikabel, zum anderen vielleicht aber auch ein Symbol für die sich drehenden gesellschaftlichen Veränderungen. Nur – die starke Vermischung der Protagonisten und der Spielebenen raspelt die Ecken und Kanten des Stücks ein wenig rund; der Shaw´sche Biss kam nicht recht über die Rampe. Was allerdings auch an der teilweise etwas schlichten Personenführung und vor allem der Choreografie lag. Obwohl das Ballettensemble von Robert North noch einigermaßen ansehnlich agierte, erinnerten die "Tänzchen" der Sänger auf der Straße und in der Kneipe schon arg an Volksbrauch. Auch szenisch gab es kleine Minuspunkte und vertane Möglichkeiten. Trotz Drehbühne waren die einzelnen Nummern und auch der Zusammenhang der Personen ein wenig auseinandergerissen, beim Pferderennen hört man nur die Startglocke, leider aber nicht das Hufgetrappel quer über die Bühne; die Technik dürfte doch wohl dafür da sein. Kein Wunder, dass die Zuschauer des Rennens auch nur in eine Richtung schauten anstatt mit den Augen und mit dem Kopf mitzugehen. Originell hingegen die Szene beim Tee in der Loge von Mrs. Higgins, wo die Papp-Pferdchen vorbeiziehen oder die hinter ihren Papp-Blumenkästen aus dem Fenster schimpfenden Nachbarn ob des Lärms auf der Straße.

Ja, wenn diese großartige Musik und die Ohrwürmer nicht wären, die für über mache kleine Unzulänglichkeit hinwegsehen bzw. -hören lässt. Ein Pluspunkt des Abends waren die niederrheinischen Sinfoniker unter Andreas Fellner. Der Maestro hielt seine Musiker zu packendem Spiel an, zu viel Drive und Farbigkeit, wenn auch die Lautstärke gelegentlich die Sänger etwas überdeckte – trotz deren Mikroports. An der bemängelten Verständlichkeit der Übertragung bei der Premiere hat man wohl noch etwas nachjustiert – das war jetzt brauchbar. Auch die Darstellung der Titelfigur in der besuchten zweiten Aufführung durch das Ensemblemitglied Susanne Seefing – es war ihr Rollendebut – überzeugte sehr, quirlig agierte sie zwischen den älteren Herren, der feinen Gesellschaft und dem Volk auf der Straße, mit beweglichem hellen Sopran, sicherer Höhe und Berliner Dialekt, den der Regisseur verordnet hatte. Die berühmten Sprachübungen mit den grünen Gärten Spaniens und den Krähen in der Nähe waren sehr allerdings überzeichnet, wenn auch zur großen Freude des Publikums. Rührend dann aber die Szene, wo es auf einmal klappte mit den "Ü"s. Markus Heinrich als Higgins fehlt ein wenig die vornehme Feinheit der Figur; auch Pickering hätten etwas mehr Noblesse und eine akzentuiertere Sprache gut getan, wie man sie bei Johanna Lindinger genussvoll vernehmen konnte. Von Kopf bis Fuß war sie eine Lady in Bewegung und Ausstrahlung – aber sie hat auch leichter, sie ist Schauspielerin. Debra Hays als Hausdame von Higgins spielte und sang ihre Rolle überzeugend, spricht allerdings mit deutlichem amerikanischen Akzent – ob sich ein echte Higgins das hätte gefallen lassen ? Der Müllkutscher und Elizas Vater Alfred (Hayk Dèinyan) gibt der Figur einen bärbeißigen, durchaus passenden groben Touch, teilweise aber auch arg überzeichnet, ebenso wie seine beiden Kumpel von der Straße Harry und Jamie. Sein nicht näher definierbarer Dialekt war wenig verständlich, dürfte es im wahren Leben aber auch kaum sein. Gesanglich gefiel Rafael Bruck als Verehrer von Eliza ausnehmend gut. Die kleinen Rollen waren durchweg adäquat gut besetzt und der Chor stimmstark und präzise wie immer (Maria Benyumova und Ursula Stigloher); ein wenig mehr Schauspielerei und Bewegung hätte ihm jedoch gutgetan.

Fazit: Insgesamt ist dem Hause kein nennenswerter Wurf gelungen, allenfalls eine nette Vorstellung mit durchweg achtbaren Gesangsleistungen und in hübschen Kostümen. Dem ausverkauften Hause gefiel die Vorstellung jedoch ausnehmend gut, wie es zahlreiche Lacher, häufiger Zwischenapplaus und ein begeistertes Jubeln zum Ende zeigten. Dann ist es auch gut so.

2.12.2013 Michael Cramer

Fotos: Matthias Stutte