Salzburg: „Carmen“

Aufführung vom 26.10.15

Mord im Drogenrausch

TRAILER

Einmal pro Saison stellen die Salzburger Festspiele Räumlicheiten des Festspielbezirkes dem Salzburger Landestheater zur Verfügung. Diesmal ist es die Felsenreitschule, in welcher insgesamt zehn szenische Aufführungen von Bizets Carmen stattfinden. Geht es bei der Ur-Carmen noch um den verführerischen Charme des Tabaks, ist diesmal der Focus auf härtere Drogen gerichtet, ist der Weg von der Verführung des jungen Soldaten José zur Droge bis zum finalen Schicksal der Verführerin Carmen als Opfer eines im Drogenrausch begangenen Eifersuchtsmordes die Essenz dieser Regiearbeit.

Mit wenigen, in immer wieder zueinander wechselnden Stellungen, die riesige Bühne füllenden Containern baute der englische Bühnenbildner Peter J. Davison einmal den von Bandenmitgliedern bewachten Lagerplatz eines Drogenkartells, die Spelunke, die wilde Gegend im Irgendwo einer heutigen, von Bandenkriegen betroffenen Welt und die Arena, in welcher Don José nach dem Mord siegestrunken und halluzunierend sich im Beifall des sensationsgierigen Publikums sonnt.

In diesem Ambiente läßt Andreas Gergen die bekannte Story dieser Oper mit einem Schuss an gehöriger und milieubedingter Brutalität ablaufen ohne allerdings zu vergessen, auch das ausreichende Kolorit an Show beizusteuern, so als wäre eben Franco Zeffirelli noch kurz vorbeigekommen und hätte Hand an die Kinderchöre und Fahnenschwinger gelegt. Und wenn dann noch Escamillo im weißen Mercedes hereingerollt wird, dann ist jenen Showelementen genüge getan, die der Regisseur in seiner Laufbahn auch stark bediente, nämlich das Musical.

Und merken Sie sich jedenfalls den Namen jener Dame, welche eine ganz außerordentliche musikalische Leistung zeigte, sie wird uns auf dem Weg nach oben sicher noch öfter begegnen: Mirga Grazinyté-Tyla, eine junge Litauerin, derzeit Musikdirektorin des Landestheaters Salzburg, die das Mozarteumorchester Salzburg und den Chor und Extrachor des Salzburger Landestheaters mit präzisem und pointiertem Dirigierstil zu einer beachtlichen Wiedergabe der Musik Bizets verführen konnte, die mit geradezu hingebungsvoll “streichelnder” Gestik für die Begleitung der Solisten und Solistinnen auf der Bühne sorgte.

Oksana Volkova als Carmen erfüllte alle erwarteten Klischeés der Titelrolle bis hin zum beinahe freiwillig wirkenden Gang in den Tod um der Ehre willen, auch brachte sie einen in allen Lagen gut klingenden Mezzo ein. Sie ist es, die Don José hilft, den ersten “Schuss” zu setzen, so dass dieser, den Hallizunationen ergeben, den erklecklichen Rest der Handlung bis hin zum Mord im Rausch erlebt. Micaela, die Russin Elena Stikhina, eine ungewohnt dominante Figur und nicht weniger verführerisch als Carmen, erscheint im Schmugglercamp dem José und den anderen Süchtigen im Rausch als Madonnenfigur, ein plausibler und köstlicher Gag. Sie singt, mit schönem, rundem Sopran ihre Arie, stimmlich schon weniger in der spanischen Provinz zu Hause, eher schon ins dramatische Fach einer Aida und Sieglinde unterwegs.

Mit etwas “verschattetem” aber in allen Höhen gut und leicht ansprechendem Tenor singt der aus Bilbao stammende Andeka Gorrotxategi seinen Part und macht den Abstieg in die Drogenszene vor allem schauspielerisch glaubhaft. Sein Gegenspieler, der Mann aus der Stier-Show mit den beachtlich durchschlagskräftigen Höhen (was ja für den Escamillo auch das Wichtigste ist) und dem Mercedes mit dem Kennzeichen “ESC 1” läßt aus dem Schauplatz des zweiten Aktes eine langbeinige und heulende Blondine zurück, so sehr hat es ihm Carmen angetan. Der so wenig Smarte ist der Amerikaner Zachary Nelson.

Die Frasquita war Laura Nicorescu, Mercedes Rowan Hellier, beide hübsch und mit auffallend gut ausgebildeten Stimmen versehen. Franz Supper, der Burgenländer war in der Rolle des Remendado gut, der rauhstimmige Elliott Carlton Hines als Morales jedoch schon weniger gut vertreten. Als Draufgabe der Regie gab es noch die Figur (laut Programmheft) des Todes, der auch im zweiten Akt den Wirt gab, hie und da aus der Beobachtung des Geschehens heraustretend auch Regieanweisungen gab. Sehr nett, aber wir hätten es auch so verstanden.

Peter Skorepa 29.10.15

Besonderer Dank an MERKER-online

Fotos: (C) Anna Maria Löffelberger / Landestheater Salzburg

BR-Klassik (Tonbeitrag)