Krefelder Premiere: 26. September 2015, besuchte Vorstellung: 23. Oktober 2015
ONLINE MUSIK MAGAZIN
Die Opern Benjamin Brittens etablieren sich auf den Spielplänen mittlerweile zu echten Klassikern. In NRW läuft in Gelsenkirchen „Ein Sommernachtstraum“, in Köln folgt „The Rape of Lucrezia“, in Bielefeld „Death in Venice“ und in Krefeld ist „Peter Grimes“ als Übernahme aus Mönchengladbach zu sehen.
Das Team um Regisseur Roman Hovenbitzer hat sich eine Menge interessanter Gedanken über das Stück gemacht, wie im Programmheft von Ulrike Aistleitner zu lesen ist. Beispielsweise wird der Autor George Crabbe, von dem die Verserzählung „The Borough“ stammt, welche die Vorlage der Oper ist, immer wieder als Figur erwähnt, die aber nie persönlich erscheint. Außerdem hat das Team bemerkt, dass einige Stellen der Komposition „marionettenhaft-mechanisch“ klingen.
Aus diesen Erkenntnissen entstand die Idee, Crabbe als Puppenspieler durch das Stück führen zu lassen. Die Umsetzung dieser guten Idee gelingt jedoch nicht schlüssig. Als Crabbe ist Christoph Mühlen mit zynischem Grinsen fast dauerpräsent, doch sind die sonstigen Darsteller weder als Puppen kostümiert, noch bewegen sie sich so.
Das führt dazu, dass Puppenspieler Crabbe in der ansonsten starken Aufführung wie ein Fremdkörper wirkt und man sich als Zuschauer, der das Programmheft noch nicht studiert hat, immer wieder fragt: „Was soll das denn?“
Die Personenführung Hovenbitzers, der die Geschichte Peter Grimes als die eines Außenseiters zeichnet, gelingt nämlich sehr eindringlich und spannungsvoll. Dazu macht der geschlossene Bühnenraum von Roy Spahn alle Figuren zu Gefangenen einer unbarmherzigen Gesellschaft. Gleichzeitig gelingen beeindruckende Videoeinspielungen, die das Stück wieder ans Meer holen.
Beachtlich ist die sängerische Leistung: Heiko Börner singt mit heldischen Aufschwüngen den Peter Grimes, zeigt aber auch die Zerrissenheit der Figur. Izabela Matula ist eine großartige Ellen Orford, die sich selbstbewusst gegen die engstirnige Dorfgemeinschaft behauptet. Mit breit strömendem Wotan-Bariton gibt Johannes Schwärsky den Balstrode.
Geradezu phänomenal ist der von Maria Benyumova einstudierte Chor und Extrachor des Theater Krefeld und Mönchengladbach. Mit stimmlicher Wucht und darstellerischer Überzeugungskraft zeigen die Damen und Herren, dass „Peter Grimes“ ein Werk in der Tradition großer Choropern ist.
Auch GMD Mihkel Kütson zeigt viel Gespür für den typischen Britten-Klang. Am Pult der Niederrheinischen Sinfoniker dirigiert er eine atmosphärisch dichte Aufführung, in der man sowohl den Wohlklang der Musik genießen, als auch die Tragik der Geschichte miterleben kann. Dabei ist man immer wieder begeistert, welch eine tolle Theatermusik Britten komponiert hat.
Ein großes Kompliment verdient auch das Krefelder Publikum: Das Theater ist sehr gut besucht, das Publikum folgt der Aufführung sehr konzentriert und am Ende gibt es begeisterten Applaus.
Der nächste „Peter Grimes“ in RW lässt sich übrigens nicht lange auf sich warten: Im April 2016 wird Tilman Knabe das Stück in Dortmund inszenieren.
Rudolf Hermes 26.10.15
Fotos Manthias Stutte / Theater Krefeld