Mannheim: „Der Ring an einem Abend“, Richard Wagner/Loriot

Nationaltheater Mannheim, 08. Februar 2020

Zum letzten Mal in dieser Spielzeit präsentierte das Nationaltheater Mannheim die Kurzfassung von Wagners „Ring des Nibelungen“ in der humoristischen Fassung des großen Wagner Liebhabers und Humoristen Loriot. Der mit dem Künstler befreundete ehemalige Intendant des Nationaltheaters Mannheim, Klaus Schultz, entwickelte mit ihm diese wunderbare Idee: an einem Abend in chronologischer Abfolge die wesentlichen Teile der Tetralogie zu musizieren und dazwischen verbindende „loriotische“ Texte einzustreuen. Das Publikum nahm dieses Projekt mit großer Begeisterung auf. Seither wurde dieses Fassung an vielen Opern- und Konzerthäusern aufgeführt.

Das Nationaltheater Mannheim kann auf eine lange Wagner-Tradition blicken. Einmal mehr war es beeindruckend zu erleben, wie hochrangig das musikalische Niveau an diesem Abend war. Bis auf Brünnhilde waren alle Mitwirkenden aus dem Ensemble des Nationaltheaters besetzt.

Elisabeth Teige war ursprünglich als Brünnhilde vorgesehen und sagte sehr kurzfristig ab. Für sie sprang Dara Hobbs ein, die bereits als Brünnhilde Erfahrung in kompletten „Ring“-Zyklen vorweisen kann, u.a. in der viel beachteten Inszenierung von Gerd Heinz in Minden.

Sie gefiel mit ihrem leuchtenden Sopran sehr. Mit Leichtigkeit gestaltete sie die Lieblingstochter Wotans und beeindruckte mit hoher Präsenz im Auftritt und großer stimmlicher Geste. Die Todesverkündigung gestaltete sie mit samtiger Mittellage und Profundität in der Tiefe. Jubelnd aufleuchtend dann das Finale im dritten Aufzug mit geradezu lustvoll ausgesungenen, absolut sicheren Spitzentönen. Kein Wunder, dass ihr dann auch das Finale aus dem Schlussgesang in der „Götterdämmerung“ fast schon lässig aus der Kehle tönte. Ihre Textverständlichkeit war sehr gut und zu jedem Zeitpunkt war spürbar, dass sie genau fühlte, was sie sang. Eine fabelhafte Leistung!

Seltsam, dass es dem Nationaltheater Mannheim nicht möglich war, ihren Namen noch auf dem Besetzungszettel zu vermerken. Zumindest eine handschriftliche Änderung auf den großen Besetzungstafeln im Foyer wäre das Mindeste gewesen, um dem Publikum den Namen dieser Sängerin bekannt zu machen und auch dem couragierten Einspringen der Sängerin den nötigen Respekt zu zollen. Eine kurze Ansage vor der Vorstellung ist da zu wenig!

An ihrer Seite mühte sich Roy Cornelius Smith als Siegfried redlich. Sicher, er traf alle Töne und fühlte sich vor allem dann wohl, wenn er laut singen konnte. Aber leider wurde an diesem Abend doch auch offensichtlich, wie sehr seine Stimme Defizite aufwies. Fortwährend klang sie belegt, sprach im Piano nicht an und auch ein Legato wollte sich nicht einstellen. Ungenügend war auch leider seine Textverständlichkeit. Selten war etwas vom Text zu verstehen, die Artikulation des deutschen Textes wirkte schwerfällig. Zu oft wirkten die Töne heraus gebellt, zerfielen in einzelne Silben. Auch konnte Smith nicht vermitteln, dass er wusste, was er da sang. Insgesamt wirkte sein Vortrag unsicher und nicht hinreichend studiert. Er ist ein sensibler Sänger und bemühte sich hörbar um Differenzierung, aber die Stimme konnte das technisch nicht hinreichend leisten. Der Siegmund lag ihm deutlich besser als der Siegfried, wenn auch hier die Defizite leider im Vordergrund standen.

An seiner Seite hatte er mit Astrid Kessler eine stimmlich ungemein aufblühende Sieglinde, so dass das Finale des ersten Aufzuges durch sie eine mitreißende Emphase vermittelte. Jubelnde Soprantöne gelangen ihr dann im „hehrsten Wunder“ und auch in den wenigen Beiträgen als Gutrune wusste sie zu überzeugen.

Als Wotan und Wanderer war KS Thomas Jesatko zu erleben. Mit glasklarer Artikulation und stimmlicher Souveränität zeigte er eindrucksreich seine große Erfahrung als Göttervater. Da wurde jede Silbe zelebriert und ausgeformt. Herrlich sein Spiel mit Stimm- und Textfarben. Großartig, wie er Wotans Wut in der Begegnung mit den Walküren in die Stimme legte. Erschütternd dann seine stimmliche Wandlung in einen seelenvollen Schmerzenston bei Wotans Abschied, der ungemein bewegte. Ebenso traf er genau die Zwielichtigkeit des Wanderers.

Rita Kapfhammer war eine stimmlich dominante Fricka und somit ein wichtiger Aktivposten an der Seite von Jesatko.

Großartig einmal mehr der so wandlungsfähige Joachim Goltz als Alberich, der mir raumgreifender Stimme und perfekter Textgestaltung einen der sängerischen Höhepunkte markierte. Sein dämonischer und doch schmerzvoller Fluch ging unter die Haut.

Und auch der Gunter in der noblen, stimmlichen Gestaltung von Thomas Berau gefiel durch seine Markanz und die stimmliche Noblesse.

Als finsterer Hagen zeigte der stimmstarke Patrick Zielke, dass er auch in einer bösen Rolle beherrschendes Format besitzt. Es ist immer wieder faszinierend, seiner Freude an der Textgestaltung zu lauschen. Zielke kann mit Leichtigkeit das Haus mit seiner sonoren Stimme füllen und doch sucht er immer die Zwischentöne. Dabei nahm er oft seine Stimme in ein geheimnisvoll wirkendes Piano zurück. Ganz bei sich war er in Hagens „Hier sitz ich zur Wacht“. Von dieser Szene ging durch seinen Vortrag eine dämonische Wirkung aus.

Sehr gut besetzt waren auch die Rheintöchter und die dynamisch gut abgestimmt agierende Schar der Walküren.

Eine ausgezeichnete Leistung erbrachte der Sprecher Thomas Peters, der mit fein abgestufter Sprechstimme und sehr gutem Timing, den herrlichen Texten von Loriot die pointierte Würze gab. Dabei interagierte er spontan mit dem Publikum, als er ein beherztes „Gesundheit“ zu einem niesenden Gast rief.

GMD Alexander Soddy erzeugte mit dem aufmerksam musizierenden Orchester des Nationaltheaters Mannheim einen weiten Klangkosmos. Immer bei den Sängern, sorgte er nicht nur für Transparenz, sondern auch für wirkungsvolle Akzente. Allerdings fehlten dem „Einzug der Götter“ im Finale des Rheingoldes die rhythmische Prägnanz, so dass dieser Abschnitt etwas verschwommen geriet. Im „Trauermarsch“ scheute Soddy die dynamischen Extreme. Das dreifache Crescendo in den Celli und Bässen war recht harmlos zu vernehmen. Und den darauf folgenden Tutti-Schlägen des Orchesters fehlte der Biss, die unerbittliche, niederschmetternde Härte.

Das Orchester des Nationaltheaters hatte hörbar Freude und sorgte maßgeblich für das gute Gelingen dieses Opernabends. Lediglich die Hörner mussten den ein oder anderen Schmiss hinnehmen. Und auch das Schlagzeug, vor allem die Schlagbecken im Trauermarsch, erklangen an diesem Abend ängstlich und damit zu defensiv.

Das Publikum im ausverkauften Nationaltheater jubelte ausdauernd.

Dirk Schauß 09. Februar 2020

Credits

Musikalische Leitung: Alexander Soddy

Siegmund, Siegfried: Roy Cornelius Smith

Brünnhilde: Elisabeth Teige (Gast)

Loge, Mime: Uwe Eikötter

Wotan, Wanderer: KS Thomas Jesatko

Fricka, Grimgerde: Rita Kapfhammer

Alberich, Gunter: Joachim Goltz

Hagen: Patrick Zielke

Sieglinde, Gutrune: Astrid Kessler

Gunter: Thomas Berau

Woglinde, Ortlinde: Amelia Scicolone

Helmwige: Natalija Cantrak (Opernstudio)

Gerhilde: Estelle Kruger

Waltraute (Götterdämmerung), Rossweiße: Sylvia Rena Ziegler (Gast)

Floßhilde, Schwertleite: Julia Faylenbogen / Sandra Fechner (Gast)

Waltraute (Walküre), Wellgunde: Marie-Belle Sandis

Siegrune: Martiniana Antonie (Opernstudio)

Sprecher: Thomas Peters