Köln: „Béatrice et Bénédict“, Hector Berlioz

Premiere: 30.04.2022, besuchte Vorstellung: 05.05.2022

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Ein zu Unrecht im Schatten der monumentalen Werke von Hector Berlioz stehendes musikalisches Kleinod ist dessen opera-comique „Béatrice et Bénédict“, die vielleicht etwas populärer wäre, hätte man sich seinerzeit für den Titel der Shakespearschen Vorlage entschieden, denn dann hieße dieses Werk „Viel Lärm um nichts“ – zugegeben aber ein im Musiktheater etwas schwieriger Name. Berlioz schrieb dieses Werk im Auftrag des Spielbankbesitzers von Baden-Baden Edouard Banouzét, der im mondänen Ort das neue Theater mit einem angemessenen Werk eröffnen wollte. Obwohl die vom Komponisten dirigierte Uraufführung ein voller Erfolg war, geriet das Werk doch zunehmend in Vergessenheit. Eigentlich schade, denn diese Oper hat trotz einer teils etwas holprigen Dramaturgie durchaus das Potential häufiger auf die Spielpläne zu gelangen und ihr Publikum zu erreichen.

In Köln ist das Werk nun in einer beachtlichen Aufführung zu erleben. Hier treffen charmante Inszenierung und musikalische Erstklassigkeit aufeinander. Die leicht verdauliche Komödie um den erfolgreichen sizilianischen General Don Pedro und dessen Adjutant Claudio, der nach siegreicher Heimkehr aus der Schlacht mit der schönen Hero verheiratet werden soll und dem „Paar daneben“, den Titelfiguren der Oper Béatrice und Bénédict, denen man die gegenseitige Liebe nur einreden will, bis diese selbige dann wider Erwarten wirklich empfinden und damit für ein großes Hallo sorgen, findet eine leichte, vor Italianismen strotzende Musik, die süffig ist, wie ein Glas guter Chianti. Um so erfreulicher, dass man diese Leichtigkeit auch den ganzen Abend über spürt. Der Kölner GMD Francois-Xavier Roth hat einen wunderbaren Zugriff auf die Musik. Er kennt „seinen“ Berlioz und geht mit Witz und Freude an die Arbeit und entlockt einem blitzsauber aufspielenden Gürzenich-Orchester einen fein zelebrierten Berlioz, dass es eine Freude ist zuzuhören.

Die Inszenierung von Jean Renshaw ist dem Stück verpflichtet und nimmt den Zuschauer mit auf eine pittoreske und amüsante Reise in das Italien der 1950er Jahre. Christof Cramer entwirft einen kunstvoll verschachtelten, ja fast urigen, italienischen Marktplatz, auf dem die Regie ein munteres und unterhaltsames Treiben entfesselt. Cramer zeichnet ebenfalls für die perfekten 50er Jahre Outfits verantwortlich, die der Szenerie ein absolut rundes Gesamtbild verleihen. Kleine Nebenhandlungen lockern die Szenerie auf und lassen das Publikum immer wieder Schmunzeln. Überhaupt ist die Leichtigkeit dieser Produktion bemerkenswert. Zwar wirkt manches hin und wieder ein kleines bisschen bemüht, wenn beispielsweise die Bräute am Ende mit Bügelbrett und Mixer ausgestattet werden um auf ihr Leben als Ehefrau vorbereitet zu werden, aber unterm Strich macht diese Produktion gute Laune. Die Zeichnung der Figuren ist stringent und verstrickt sich nicht in unnötiger Tiefgründigkeit.

Was die so schwungvolle Inszenierung aber abrundet ist ein – trotz Einspringer – exzellentes Solistenensemble. Allen voran begeistert Jenny Daviet als Hero das Publikum – was für eine wunderbare Stimme! Daviet begeistert neben ihrem charmanten Spiel mit einem lupenreinen und in allen Lagen wohlklingenden Sopran. Sie dosiert ihre Kraft wirklich perfekt und weiß in den verhaltenden Passagen genauso zu punkten, wie sich kraftvoll gegen das üppig besetzte Orchester zu behaupten. Ihr zur Seite – für den leider erkrankten Miljenko Turk – eingesprungen steht Aimery Lefevre in der Rolle des Claudio. Im Spiel zunächst etwas verhalten meistert er seine Aufgabe dennoch souverän und ergänzt sich stimmlich absolut adäquat mit seiner Partnerin. Als Bénédict beeindruckt Paul Appleby. Am Anfang etwas zögerlich zeigt der amerikanische Tenor neben Witz und Charme im Spiel, dass er seine Partie mit samtweicher Stimme ohne jegliche Kraftmeierei singt. Ihm zur Seite als Béatrice steht Isabelle Druet – auch sie eine perfekte Besetzung für diese Partie. Nicht minder schön im Gesang als ihre Kollegen gibt sie die kratzbürstige Heiratsverweigererin.

Aber auch die kleinen Partien sind rundum solide besetzt und liefern eine exzellente Ensembleleistung. Der von Rustan Samedov einstudierte Chor meistert seinen Part souverän und zeigt – wie so oft in Köln – eine mitreißende Spielfreude. ​Dieser Abend ist mit seiner „Italianita“ eigentlich eine perfekte „Sommeroper“ – wenn es sowas denn gibt. Berlioz Werk ist eine echte Entdeckung und die absolut gelungene Kölner Produktion ein dringendes Plädoyer dafür das Stück häufiger auf die Spielpläne zu nehmen.

Sebastian Jacobs, 8.5.22

Die Fotos stammen von Hans Jörg Michel