Köln: „Die Frau ohne Schatten“, Richard Strauss

Richard Strauss’ Mammutwerk „Die Frau ohne Schatten“ gehört bei Opernkennern zu einer der beliebtesten Opern, die man ob ihrer massiven Orchesterbesetzung und der teils monströsen Solistenpartien, jedoch nur selten und wenn dann auf den Spielplänen der großen Häuser wiederfindet. Die Kölner Oper wollte die Saison mit einem Paukenschlag eröffnen und präsentierte eine Produktion, deren Premiere ein veritables Ärgernis werden sollte.

Die Kölner Oper spielt seit Jahren nun im Staatenhaus, und Bühnenbildner und Regisseure könnten wissen, wie problematisch dieser Ort ist, gerade, wenn es darum geht, ein wie in diesem Werk gefordertes Riesenorchester zu platzieren. Was Regisseurin Katharina Thoma und Bühnenbildner Johannes Leiacker hier aber machen, ist so langweilig wie nicht nachvollziehbar und wird zum Problem, das den ganzen Abend überschattet und so zum Scheitern verurteilt. Der einzige Bühnenaufbau ist ein stufig angeordneter Hügel, wie er aus einem Architekturmodell stammen könnte, auf dessen Gipfel ein Fels thront. Das war es. So langweilig dies ist, so omnipräsent ist das direkt daneben sitzende Orchester mit Dirigent Marc Albrecht, der quasi permanent die Szenerie beherrscht. Durch diese merkwürdige Anordnung entsteht ein Orchesterklang, der die Wucht der Strauss‘schen Partitur verpuffen lässt und der auch immer wieder dazu führt, dass Sänger sich weg vom Publikum in Richtung Dirigent wenden.

(c) Matthias Jung

Neben dieser räumlich absolut misslungenen Anordnung funktioniert ein Einheitsbühnenbild in einem Werk wie diesem nicht. Regie und Ausstattung schaffen es nicht, Räume zu definieren. Sie nehmen dem Werk Farbigkeit und Phantasie und präsentieren langweiligstes Rumstehtheater, bei dem die Sänger auch das Angebot, das Werk semikonzertant zu spielen, teils dankbar annehmen. Auftritte sind vorhersehbar, nichts überrascht, nichts interessiert, keine Spannung – dieses Werk müsste eigentlich mitreißen, und das tut es nicht. Alle gerät bieder, brav und betulich. Dabei hält die Inszenierung zudem bei weitem nicht, was das Programmheft verspricht. Die Regie wolle auch die Ungerechtigkeit der Welten zwischen protzigem Kaiser und armen Schluckern zeigen – ja wo passiert das denn? Im dritten Akt kommt es schließlich aus heiterem Himmel zu einem Realitätsbezug, der, nachdem der einbrechende Fluss im Finale des zweiten Aktes alle hinfort gespült hat, sich die Färber nicht in unterirdischen Gefilden wiederfinden, sondern zwischen Menschen auf der Flucht. Ja, dieser Gedanke funktioniert, kommt aber zu unvermittelt und fügt sich so gar nicht in das ein, was bisher zu sehen war, denn bis zu diesem Punkt blieb die Regie noch irgendwie halbwegs nah am Werk. Die in sich stimmige Kostümwelt von Irina Bartels wird nun durch Warnwesten und Sanitäterkluft durchbrochen, die den Menschen auf der Flucht helfen, Wasserflaschen reichen und Sandwiches verteilen. Hier bekommt der Abend zwar auf einmal eine menschliche Tiefe, dafür werden aber zig andere musikalisch so einnehmende Szenen, wie etwa der Erdenflug im ersten Akt oder das Finale des zweiten Aktes mangels einer irgendwie sinnvoll bespielbaren Bühne komplett verschenkt. Da helfen die teils dekorativen, teils störenden und nur selten wirklich erhellenden Videos von Georg Lendorf auch nicht.

(c) Matthias Jung

Aber auch auf der musikalischen Seite zeigt sich der Abend durchwachsen. Stars des Abends sind sicherlich Daniela Köhler aus Kaiserin, die ihre Stimme zwischen zarter Koloratur und Dramatik genau zu führen weiß und den Grenzgang zwischen Geister- und Menschenwelt in den Fähigkeiten ihrer wunderbar klingenden Stimme bestens zum Ausdruck bringt, sowie Jordan Shanahan als Barak, der wohltönend und mit viel Spielfreude seine Figur auslotet. Lise Lindstrom meistert die Färberin souverän, ist mal Biest und mal Opfer ihres eigenen Handelns und überzeugt gesanglich auf ganzer Linie. Irmgard Vilsmaier singt die Monsterpartie der Amme solide und beeindruckt vor allen Dingen mit einer soliden Tiefe und exzellenter Textverständlichkeit, was gerade bei den parlierenden Passagen dieser Rolle Gold wert ist. In den Höhen gerät sie gelegentlich Bedrängnis und übersteigert das aufgedreht Keifende der Figur bis ins leicht Schrille. AJ Glueckert als Kaiser bleibt im Spiel kühl und emotionslos, und so schön seine Stimme klingt, so bleibt er bei dem riesigen Orchester doch sehr verhalten und akzentuiert mehr das Lyrische als das Heldenhafte, und das ist bei diesem Werk ein Problem. Glueckert mag mit seiner tadellosen Stimme im italienischen Fach oder in einem dünnen instrumentierten Werk sicher restlos überzeugen – der Kaiser gerät ihm zu leise, zu zart und ohne nennenswerte Spannung.

(c) Matthias Jung

In den kleineren Partien überzeugt das Trio der drei Brüder (Ralf Rachbauer, Christoph Seidl und Insok Choi) mit viel szenischem Einsatz und solidem Gesang. Giulia Montanari als Falke und Hüterin der Schwelle des Tempels hört man gerne zu. Bryan Lopez Gonzalez überzeugt zwar szenisch in der Rolle des Jünglings, kraftmeiert sich aber durch diese kleine Partie und wirkt so gesanglich unschön angestrengt. Karl-Heinz Lehner als Geisterbote meistert seine Partie absolut solide mit kraftvollem Bass. Die weiteren kleinen Partien sowie der Chor- und Kinderchorpart fügen sich ein angemessenes Klangbild.   

(c) Matthias Jung

Das Gürzenich-Orchester unter Marc Albrecht geht kraftvoll ans Werk, verliert auf der Strecke aber an Prägnanz, was vielleicht der ungünstigen und sehr offenen Positionierung geschuldet ist. Der Klang geht in die Weiten des Staatenhauses, aber nicht nur in den Zuschauerbereich. Kammermusikalische Momente werden fein gearbeitet, im großen, pompösen Klang bleibt das Orchester aber verhalten und verliert an Glanz und Strahlkraft. Albrecht wählt die Tempi solide, schafft es aber nicht, die Schroffheit und Kanten der Partitur durchbrechen zu lassen, gleichwohl die fließenden und melodischen Bögen wunderbar gelingen.

So hinterlässt die Frau ohne Schatten in Köln einen schalen Nachgeschmack und vermag letztlich nicht zu überzeugen. Schade darum, denn so oft sieht man dieses Werk leider nicht.

Sebastian Jacobs, 18. September 2023


Die Frau ohne Schatten
Richard Strauss

Oper Köln

Premiere: 17. September 2023

Inszenierung: Katharina Thoma
Musikalische Leitung: Marc Albrecht
Gürzenich Orchester