Aachen: „Powder Her Face“

Thomas Adés

Premiere: 19. März 2017

Besuchte Vorstellung: 8. April 2017

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Mittlerweile ist der 1971 geborene Thomas Adés mit Werken wie „The Tempest“ und „The Exterminating Angel“ auf der großen Opernbühne angekommen. Begonnen hat er seine Karriere jedoch 1995 mit einer Kammeroper: „Powder Her Face“ benötigt gerade einmal 18 Instrumentalisten und 4 Sänger. Für kleine Häuser wie das Theater Aachen, wo die Oper jetzt Premiere hatte, ist es sozusagen das ideale Stück.

Erzählt wird das bewegte Leben von Margaret Whigham, der historischen Herzogin von Argyll, die durch ihr bewegte Liebesleben und einen für sie demütigenden Scheidungsprozess bekannt geworden ist. Gern wird diese Oper auf die große Blowjob-Szene reduziert, bei der die Herzogin nur noch summen kann. Jedoch reiht sich diese in andere große Sexszenen der Operngeschichte ein, wie es sie ja auch im „Rosenkavalier“ oder „Lady Macbeth von Mzensk“ gibt. Zum „Rosenkavalier“ gibt es weitere Parallelen, denn auch in „Powder Her Face“ geht es um die Suche nach Liebe und die Vergänglichkeit des Lebens.

Die Musik von Adés ist bläserlastig, besitzt viele jazzige Big-Band-Anklänge und kommt oft ironisch wie ein Stück von Kurt Weill daher. Kapellmeister Justus Thorau lässt das Sinfonieorchester Aachen lasziv und humorvoll aufspielen, scheut aber auch nicht die großen Gefühle. Insgesamt gesehen ist das eine zeitgenössische Musik, die auch ein traditionell orientiertes Publikum sehr gut hören und nachvollziehen kann.

Während die Nebenfiguren immer wieder auf Distanz zur Herzogin gehen und sie kommentieren, nimmt Ades die Herzogin musikalisch ernst und trotz ihres sexuell ausschweifenden Lebenswandels, zeichnet Ades sie glaubwürdigen Charakter.

Sopranistin Eva Bernard wird zwar als grippal indisponiert angekündigt, steigert sich aber in eine glutvolle authentische Interpretation ihrer Rolle. Bernard und auch die drei anderen Akteure, die in Vielzahl von Nebenrollen schlüpfen, zeigen in der Inszenierung von Ludger Engels nicht nur großen stimmlichen Einsatz, sondern auch den Mut, die diversen Sexszenen spärlich bekleidet auf die Bühne zu bringen.

Jelena Rakic glänzt mit flinkem Sopran, der sich durch alle Lagen zwitschert, und Patricio Arroyo bringt seinen Tenor farbenreich zur Geltung. Bassist Bart Driessen bleibt hingegen stimmlich etwas blass, verkörpert seine Rollen mit lässiger Boshaftigkeit.

Regisseur Ludger Engels stellt der singenden Herzogin noch die Schauspielerin Elisabeth Ebeling an der Seite, die sich als alte Herzogin an ihr Leben erinnert. Ansonsten zeichnet Engels treffende Inszenierung die Figuren plastisch bis drastisch. Auf der Drehbühne von Moritz Junge reichen Salon, Kamin- und Schlafzimmer als Schauplätze für den Lebensweg der Herzogin aus.

Die Sonntagnachmittag-Vorstellung im Theater Aachen ist zwar nur schwach besucht, das Publikum lässt sich aber von Musik, Geschichte und Inszenierung fesseln und feiert alle Akteure, besonders Sopranistin Eva Bernard.

Rudolf Hermes 13.4.2017

Bilder (c) Theater Aachen