Monteverdi
Wo bleibt Odysseus ?
Merkwürdige Basler Inszenierung von Monteverdi
Der Schöpfer der Oper,Claudio Monteverdi ,hätte seine Freude gehabt am Spiel des Barockensembles ‚La Cetra‘: Lebhaft, kundig, differenziert und nuanciert. Auch die Leistung der Sänger hätte ihm gefallen. Ganz besonders die der ‚Penelope‘, der Mezzosopranistin Katarina Bradić, die nicht nur ihre weiche, warme Stimme tadellos führte und modellierte, sondern durch ihre schauspielerische Gestaltung die Stimmungen ihrer Figur von wartend und hoffend, über wütende Gegenwehr gegen die drückenden Avancen ihrer Freier , bis zur Verzweiflung, dass sich offenbar nichts zum Guten wendet, Ausdruck gibt. Katarina Bradic spielt und singt mal subtil, mal fast an Melodramatik grenzend. Sie ist zweifellos ein Höhepunkt der Aufführung. Allerdings fehlt es dieser wirklich an Odysseus.
Dieser, also die Hauptperson des Stücks, um die sich alle dreht, findet hier einfach nicht statt. Weder physisch noch musikalisch. Wahrscheinlich eine der wirkungsvollsten Amputationen der Operngeschichte. Statt dessen hört man, untermalt von elektronischen Klängen, immer wieder Aussagen von Flüchtlingen, alles Männern, die von den Situationen ihrer Heimatländern, Erlebnissen auf der Flucht erzählen und schließlich, diverse Bewertungen ihrer Gastländer abgeben. In der Art von Luftgeistern. Sehen tut man sie erst am Schluss als ‚Männer aus Basel’.
Hat man sich nicht vorher mit der Inszenierung beschäftigt, so schaut man verständnislos um sich um zu verstehen, was diese Einschübe sollen ? Ein wirklicher Verfremdungseffekt allerdings nicht im Brechtschen Sinn stellt sich ein: Hirtenromatik gegen Flüchtlingsrealittät. Was soll nun dies ?
Die Flüchtlingsaussagen auf elektronischer Musik gesprochen, wartete man ab wie die Werbung während eines Lieblingsfilms: ungeduldig, irritiert, leicht gereizt.
Da wird einem der Link zur Gegenwart mit der Keule eingehämmert. Das um Kreativität bemühte Regieteam um den polnischen Regie-Newcomer Krystian Lada zieht den vermeintlichen Link nicht nur an den Haaren, sondern an Schiffstauen herbei.
Zur Erinnerung: Odysseus war kein Flüchtling, sondern ein Fürst und Heimkehrer. In dieser Oper geht es – wie der Titel sagt- um die Rückkehr des Odysseus in sein Land – nach seiner ‚durchaus freiwilligen Teilnahme am trojanischen Krieg. Also um Situationen beim Zurückkommen ins Gewohnte, ins emotional Nahe. Und es geht um eine freiwillige Reise, keine aufgezwungene Flucht vor existentieller Gefahr . Man kann es nicht mal als Umkehr von Odysseus Schicksal sehen. Es ist also schwierig da Parallelen zum Flüchtlingsschicksal zu finden.
Ein geschätzter Kollege pflegte nach einem Film, der ihn nicht überzeugte, mit gefürchtet Stirne und tragender Stimme seufzend zu sagen: ‚Leider ist er missraten‘.
Genau so ist dieser Regieeinfall zu bewerten.
Dabei hat diese Inszenierung durchaus ihre Verdienste. Penelope in eine Box zu schließen, um die herum die Aktionen laufen, machen ihre Isolation, Einsamkeit und auch ihre Hilflosigkeit durchaus spürbar. Das Orchester halb im Graben, halb erhöht in der Tiefe der Bühne schließt die Handlung auf der Bühne wie in einer Klangglocke ein. Auch zeigt die Inszenierung diverse kleine Aktionen der Gestik und Mimik der Darsteller, die oft witzig und amüsant sind und die Aufmerksamkeit des Publikums immer wieder stimulieren. Ein Regiemittel, das der große Schweizer Opern- und Bühnenregisseur Luc Bondyso ausgezeichnet anwandte. Auch Bühnenbild- und Requisiten finden diverse kreative Lösungen. Die Kostüme allerdings machen nicht nur Freude.
Ein Einfall der Kostümbildnerin war es die Götter in Unterhosen zu stecken; solchen wie auf den Wühltischen italienischer Märkte; billige Rippenware, die leicht aus der Form fällt und verfärbt. Keine kleidsamen Kleidungsstücke. Wenn diese dann auf mächtige Leiber mit umfangreichen Schenkeln und ausladenden Gesäßbacken treffen, ist dies etwas problematisch. Sicher kein ästhetisches Erlebnis. Auch wenn die Wirkung beim einen durch ein Bauchkorsett etwas eingedämmt wurde. Natürlich mussten die Götter keine Adonisse sein, doch waren sie so unklug dies den Sterblichen so schmerzlich aufs Auge zu drücken ? Auch diese ‚Götter‘, die in ihrer Zweitbesetzung auch als Freier der Penelope auftraten, wirkten in ihren später getragenen eleganten weißen Anzügen sehenswert.
Die Uraufführung des ‚Il ritorno d’Ulisse in patria‘ ‚fand 1639 während des Karnevals in Venedig statt und wird seitdem immer wieder gerne gespielt, gesehen und gehört. Es ist zu bezweifeln, dass dieser Version der Oper eine ähnlich lange und erfolgreiche Lebensdauer beschieden sein wird.
Nächste Vorstellungen im Theater Basel:
16. & 19.11. und 2.12.2021
Dagmar Wacker, 14.11.21
Photos (c) Judith Schlosser