Wuppertal: „Krol Roger“

Premiere am 14.6.14

Exemplarische Produktion zum Saisonende

Videotrailer zur Produktion

Zum Inhalt, weil ihn keiner kennt: König Roger herrscht mit seiner Frau Roxana. Da taucht ein geheimnisvoller Fremder auf, der vorgeblich Menschen zu Rausch und Exzess verführt. Auch Das Königspaar kann sich der erotischen Ausstrahlung des Fremden, der sich später als Dionysos zu erkennen gibt, kaum entziehen. Am Ende steht die Verschmelzung von Körper, Geist und Natur. Ein innerlich verwandelter König schreitet im Finale beglückt der aufgehenden Sonne entgegen.

Leider setzte erst in den neunziger Jahren (ähnlich wie bei Schreker z.B.) eine Szymanowski-Renaissance ein; Intendanten und Dirigenten (Boulez, Rattle, Satanowski, Gergiev…) begannen sich endlich für sein vergessenes Werk zu interessieren; sogar die Silberling-Industrie begleitet diese Entwicklung. Ein Wunder ist geschehen…

Und was für eine grandiose, ja geradezu herrliche Musik ist das!

Wir versinken in die Klangteppiche spätromantisch üppige Sinnlichkeit, fast rauschhaft impressionistisch überwältigender Klänge und das alles mit teilweise orientalischer Chromatik und Melismatik durchsetzt. In den nur 85 Minuten tangiert die Musik tristanschen Wagner; wir hören Anklänge an Claude Debussy oder Maurice Ravel bzw. Impressionen an Strauss und vor allem erinnert viel an die Klangfarbenmusik des ebenfalls selten gespielten Russen Alexander Skrijabin, besonders an dessen 3.Sinfonie (Poeme de l´Extase) – eben dort in Wuppertal (!) vor kurzem brillant in der Stadthalle aufgeführt.

KROL ROGER ist die einzige Oper des Spätromantikers Karol Szymanowski (einer der wichtigsten Erneuerer und Begründer einer musikalischen Moderne in Polen). Ein herausragenden Werk des nicht nur polnischen modernen Musiktheaters, von großer Raffinesse und Feinsinnigkeit, welche weit über die zeitgenössische Kraft und Wirkung eines Janacek hinausgeht und durchaus mit Bartok in Konkurrenz treten kann. Das teilweise etwas konfuse und verquaste Libretto erfordert einen guten Regisseur, man braucht Spitzen-Sänger und einen Dirigenten, der mit Gefühl dieses fast mahlerhaft große Orchester und die Chormassen bewegen kann. Der Komponist fordert Grenzwertiges, denn die Sänger müssen stets im rauschhaftesten Dauerespressivo singen; Legato finden in diesen 1,5 Stunden nicht statt.

Ein letztes Aufbäumen vor dem Ende der Wuppertaler Oper?

Daß gerade ein Haus, wie Wuppertal, welches so schlimm vom Sparzwang gebeutelt, und demnächst nur noch mit fragmentarischem Ensemble im Stagione-Betrieb arbeiten wird, solch eine Weltklasseleistung auf die Bühne stemmen kann, hat niemand erwartet. Und wenn ich so meine letzten Produktionen (Dortmund, Bregenz, Bonn, Stuttgart) Revue passieren lasse, dann führt diese Inszenierung nicht nur meine imaginäre Hitparade an, sondern auch und unter Berücksichtigung der Silberscheiben konstatiert der Kritiker und erklärte Szymanowski-Fan:

Atemberaubend: Besser geht es nicht – dieser Ausnahme-Abend setzt Maßstäbe.

Das Sinfonieorchester Wuppertal besticht in Maximalbesetzung unter der Leitung von Florian Frannek, die Chöre (Opernchor und Extrachor der Wuppertaler Bühnen, sowie Wuppertaler Kurrende) sind von Jens Bingert & Dietrich Modersohn trefflich eingestellt und bezaubern ebenso, wie die Solisten, allen voran ein begnadeter mit dem nötigen Charisma versehener Rafał Bartmiński als Hirte/Dionysos; des Weiteren singt man durchweg, um im aktuellen Zeitgeist (Fußball-WM) zu sprechen, "weltmeisterlich".

Ob Banu Böke als Roxane, Kay Stiefermann als König oder Christian Sturm (Edrisi/Dr. Freud) – es kommt einem Wunder gleich, daß man diese hochgradig schwierigen Hauptpartien so perfekt aus den eigenen Reihen besetzen konnte.

Nicht zuletzt loben wir ein fabelhaftes Regieteam (Inszenierung: Jakob Peters-Messer / Bühne: Markus Meyer / Kostüme: Sven Bindseil & Licht: Henning Priemer), welches sich nicht versuchte durch Mätzchen, Vulgarismen oder werkfremden Firlefanz zu profilieren, oder in den Vordergrund zu drängeln (wie zuletzt bei Braunfels in Bonn) sondern eine geradezu perfekte Musiktheater-Produktion, ganz im Sinne intelligenter Werktreue, auf die Beine stellte. Danke.

Zurecht gab es nicht enden wollende Vorhänge verbunden mit Riesenapplaus und Bravi-Chören – keiner verließ schnell das immerhin zu 2/3 besetzte Auditorium, was sonst in Wuppertal nach Fallen des Vorhangs, egal bei welcher Oper, üblich ist – und setzte damit auch ein Zeichen des Dankes zum Ende der diesjährigen Spielzeit für den scheidenden Opernintendanten Johannes Weigand.

Dank und Respekt für die vielen Jahre, die dieser Intendant, für spannendes Musiktheater und stets für sein Publikum – gegen die politischen Windmühlen und Wirrköpfe – gekämpft hat. Besser und schöner kann eine Ära kaum enden. Nur noch vier Vorstellungen – bitte unbedingt hinfahren!

Peter Bilsing 15.6.14
Bilder von Uwe Stratmann

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