Lüttich: „Idomeneo“, Wolfgang Amadeus Mozart



Lieber Opernfreund-Freund,

in der neuen Spielzeit hat man sich in Lüttich wieder einen bunten Strauß an Schmankerln überlegt: neben Dauerbrennern wie Rossinis Barbiere di Siviglia, Offenbachs Hoffmanns Erzählungen und Mozarts Zauberflöte präsentiert man unter anderem Pelléas et Melisande von Claude Debussy und Bellinis I Capuleti et i Montecchi und in Puccinis Todesjahr einen Doppelabend mit Le Villi und seiner Messa di Gloria. Den Reigen der Produktionen eröffnet ein eher vernachlässigtes Werk – Mozarts Choroper Idomeneo.

(c) J. Berger – ORW Liège

Jean-Louis Grinda war von 1996 bis 2007 Chef an der ORWL in Lüttich und betont in seiner Version des antiken Stoffes die Zwänge, zwischen denen sich die Titelfigur aufreibt. Laurent Castaingt gestaltet dazu eine offen gehaltene Bühne, auf der sich Mauern eines Labyrinths von Akt zu Akt mehr nach oben schrauben und so die Protagonisten begrenzen. Jorge Jara hat dazu neo-klassizistische Kostüme geschneidert, die gekonnt mit historischen Anleihen und futuristisch anmutenden Elementen spielen. Den Clou schafft jedoch Arnaud Pottier mit seinen Videoeinspielungen, die das Meer – bei Idomeneo ja allgegenwärtig – in einer Installation über allem schweben lässt und gleich den Gemütszuständen der Protagonisten die verschiedenen Meeres-Zustände wie Sturm, ruhige Wasser oder stimmungsvolle Sonnenuntergänge zeigt.

Musikalisch geht es recht mozart-untypisch zu. Ian Koziara läuft als Idomeneo zu Höchstform auf, singt ihn lebendig und voller Leidenschaft, beinahe expressionistisch und bleibt auch darstellerisch der vielschichtigen Rolle nichts schuldig. Annalisa Stroppa legt die Hosenrolle des Idamante vergleichsweise zart an, steigert sich jedoch in den Duetten mit der hinreißenden Ilia von Maria Grazia Schiavo. Als Gegenpart zur Titelfigur wird Elettra: die Georgierin Nino Machaidze verfügt über einen kraftvollen Sopran voller Feuer und spielt die Rolle so überzeugend, dass deren Eifersucht förmlich Funken sprüht. Der Italiener Riccardo della Sciucca erweist sich als Luxusbesetzung für die vergleichsweise kleine Rolle des Arbace mit seinem klangschönen und ausdrucksstarken Tenor.

(c) J. Berger – ORW Liège

Im Graben tönt es eher nach einer Mischung aus Rossini und Bellini, denn nach der Komposition des seinerzeit 25jährigen Mozart. Fabio Biondi mischt nach meinem Dafürhalten eine Prise zu viel Italianitá in die Musik des Meisters aus Salzburg – zu dieser Produktion mit ihren engagierten Sängern passt seine Lesart allerdings gut. Heimlicher Star des Abends sind ohnehin die Damen und Herren des Chores, die unter der Leitung von Denis Segond die umfangreiche Partie ohne Fehl und Tadel stemmen.

Ihr

Jochen Rüth


Idomeneo
Oper von Wolfgang Amadeus Mozart
Premiere: 19. September 2023

Inszenierung: Jean-Louis Grinda
Musikalische Leitung: Fabio Biondi
Orchestre d’Opéra Royal de Wallonie-Liège