Dresden: Tops und Flops – „Bilanz der Saison 2022/23“

Nein, ein „Opernhaus des Jahres“ können wir nicht küren. Unsere Kritiker kommen zwar viel herum. Aber den Anspruch, einen repräsentativen Überblick über die Musiktheater im deutschsprachigen Raum zu haben, wird keine Einzelperson erheben können. Die meisten unserer Kritiker haben regionale Schwerpunkte, innerhalb derer sie sich oft sämtliche Produktionen eines Opernhauses ansehen. Daher sind sie in der Lage, eine seriöse, aber natürlich höchst subjektive Saisonbilanz für eine Region oder ein bestimmtes Haus zu ziehen. Heute blicken wir nach der Lindenoper Berlin auf die Semperoper Dresden. Weitere Bilanzen sollen folgen.


Beste Produktion:
Reimanns „Die Gespenstersonate“ von Corinna Tetzel im Semper Zwei.
Die Uraufführung von „Chasing Waterfalls“ im Semper Zwei.

Größte Enttäuschung:
Im Spielplan: Torsten Raschs „Die andere Frau“ hätte unbedingt in das Repertoire übernommen werden müssen.
Bei den Aufführungen: Pavol Breslik als Der Sänger im „Rosenkavalier“ der Strauss-Tage.

Entdeckung des Jahres:
Das Hausdebüt Jürgen Sachers als Mime im „Siegfried“.

Beste Wiederaufnahme:
Der „Decker-Ring“ neben der „Arabella“.

Beste Gesangsleistungen in Hauptrollen:
Christa Mayer als Ensemblemitglied und Georg Zeppenfeld als häufiger Gast bleiben mit ihren beständigen Leistungen ungeschlagen.
Vom Ensemble weiter: Nikola Hillebrand mit tollen Leistungen in der Breite und Tuuli Takala.

Beste Gesangsleistung in Nebenrolle:
Mariya Taniguchi in der Wiederaufnahme von Peter Eötvös‘ „Der goldene Drache“ im Semper Zwei.

Nachwuchssänger des Jahres:
Ofeliya Pogesyan vom Jungen Ensemble.

Bestes Dirigat:
Das Dirigat von Cornelius Meister als Einspringer im „Rosenkavalier“ der Strauss-Tage.
Christian Thielemann erlebten wir im Sempergraben nur im „Decker-Ring“ : Super, aber ohne Überraschungen.

Beste Regie:
Nikolaus Habjan mit „L´Orfeo“.

Bestes Bühnenbild:
Wegen seiner Funktionalität : Das „Pique Dame“- Bühnenbild von Mathias Fischer-Dieskau.

Beste Chorleistung:
Chöre im konzertanten „Attila“.

Größtes Ärgernis:
Das den Eindruck der Saison überdeckende Problem der „Strauss-Tage“ 2023:
Es war bekannt, dass die Semperoper für ein Dresdner Publikum mit dem angestrebten Preisniveau einfach zu viele Plätze hat. Die Gemeinde der Christian-Thielemann-Verehrer war mit den „betagten“ Inszenierungen trotz des hervorragenden Sänger- und Orchesteraufgebots nicht von den eingeführten Osterfestspielen in Salzburg, Baden-Baden usw. nach DD zu locken gewesen. Nach Thielemanns Absage brach der Ticket-Verkauf regelrecht ein. Damit wurden die Strauss-Tage für das Haus ein richtiges finanzielles Problem, obwohl das künstlerische Niveau hervorragend war.
Dass der „Noch-Chefdirigent“ und die Sächsische Staatskapelle Zugkraft entwickeln konnten, hatten die beiden Decker-Ringe Ende Januar und Anfang Februar 2023 nachgewiesen, die beide mit fast ähnlichem Kartenpreis-Niveau nahezu völlig ausverkauft waren.


Die Bilanz zogen Marianne und Thomas Thielemann.