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CINDERELLA
Besuchte Aufführung 2.2.14 im Theater Rendsburg (Premiere 19. Oktober 2013)
„Aschenputtel“ tiefen-psychologisch vertanzt
Aschenputtel, Cinderella, Cenerentola, Soluschka – in vielen Ländern dieser Welt kennt man den Traum vom gutherzigen Mädchen, das aus der Asche auf den Königsthron steigt und mit dem Prinzen glücklich wird. Aus diesem Märchenstoff entstanden Opern (Rossini, Massenet und andere), Musicals, Filme aller Genres und Ballette.
Sergej Prokofjew, Nachfolger Tschaikowskys als Komponist klassischer, russischer Handlungsballette, erhielt den Auftrag zu „Cinderella“ nach seinem großen Erfolg mit „Romeo und Julia“ 1936. 1941 entstanden die ersten beiden Akte (Im Haus von Cinderellas Vater, Der Ball im Schloss des Prinzen), 1943 – nach einer kriegsbedingten Unterbrechung – der dritte. Nach der Moskauer Uraufführung 1945 wurde „Cinderella“ schon 1948 in London einstudiert und hat seither weltweit Choreografen von Rudolf Nurejew bis John Neumeier zu eigenen – durchaus auch eigenständigen – Inszenierungen angeregt.
Die Flensburger Ballettmeisterin Katharina Torwesten beschäftigt sich in ihrer seit Oktober 2013 laufenden Interpretation vor allem mit den tiefenpsychologischen Aspekten der Figuren: Warum ist die Stiefmutter so verbittert, aus welchem Zwang heraus die Stiefschwestern so böse und welche Rolle spielt der Prinz für das unbeachtete Familienmitglied? Er befreit Cinderella aus den eingefahrenen Verhaltensmustern ihres Alltags und gibt ihr die Kraft, aus dem Schatten herauszutreten, selbstbewusst zu werden.
Unter der musikalischen Leitung von Theo saye steht ihr im Bühnenbild von Erwin Bode und den Kostümen Martina Lücke ein kopfstarkes Ensemble zur Verfügung, in dem trotzdem viele Mitwirkende mehrere Rollen übernehmen müssen. Wir haben eine der letzten Vorstellungen am eisten Februar-Sonntag im Stadttheater Rendsburg besucht.
Wenn sich der Vorhang öffnet, wird zu den Klängen der Ouvertüre auf der Bühne das Sterben der Mutter der Cinderella und deren Metamorphose zur guten Fee dargestellt. Sehr makaber! Und überhaupt behält der Abend mehr den Charakter einer Pantomime denn des eines Tanztheaters. Gerade einmal Arsen Chraghyan als Königssohn beeindruckt in einer Szene mit großen Sprüngen. Tamirys Candido als Cinderella ist eine starke Frau und gefällt vor allem durch ihre Lieblichkeit. Timo-Felix Bartels als groß gewachsener Mann stellt die Stiefmutter dar. Tanja Probst und Li Tan sind als Steifschwestern vor allem attraktiv, aber eigentlich durchaus nicht böse. Prokofjew lässt den Prinzen auf der Suche nach der Trägerin des richtigen Schuhs nach Spanien und Arabien reisen. Dabei muss er auf dem Meer tolle Abenteuer bestehen. Das wird reizvoll umgesetzt. Dem Rendsburger Publikum gefällt es. Es geizt nicht mit Szenenbeifall und spendet am Schluss reichen Applaus. Dass der Stellvertr4etende Erste Kapellmeister Theo Saye das Sinfonische Orchester des Landestheaters über weite Strecken viel zu laut aufspielen lässt und aus Prokofjews subtilen Klängen Marschmusik werden lässt, hat offenbar nicht gestört.
Horst Schinzel 3.2.2014 Fotos: Henrik Matzen
ANYTHING GOES
Besuchte Vorstellung im Theater Rendsburg am 17. März 2013
Irgendwie gleicht das Schleswig-Holsteinische Landestheater mit den Hauptsitzen in Flensburg und Schleswig dem weiland Prinzipal Striese aus dem Raub der Sabinerinnen“. Mit den geringstmöglichen Mitteln wird Erstaunliches geleistet Getragen wird die Bühne von einer Gesellschaft, der rund zwanzig Städte und Gemeinden im Norden und Westen des Landes angehören. Auch das Land gibt Geld – viel zu wenig, wie die Intendanten beklagen. Die Bühne bespielt mit Abstechern eine Region, die von Itzehoe über Heide, Wyk auf Föhr, Westerland bis in das südliche Nordschleswig reicht. Stadttheater-Funktion hat sie außer in Flensburg in Schleswig – wo im Slesvighus ein Ausgleichquartier für das marode Stadttheater gefunden worden ist – und Rendsburg. Dort haben wir die überaus farbenprächtige und personenstarke Musikalinszenierung „Anything goes“ von Cole Porter besucht.
„Alles ist möglich" auf dieser Europareise auf dem Luxusdampfer "S.S. American" 1934 von New York nach "good old Europe". Dort wollen sie alle ihren Traum verwirklichen: Der erfolgreiche Börsenmakler, der in London eine Ruder-Regatta gewinnen will, und seine Jugendliebe Evangeline, die ihre schöne Tochter mit einem skurrilen, nicht mehr taufrischen, aber reichen britischen Aristokraten verheiraten möchte. Der junge Angestellte Billy, der eben diese Tochter aus gutem Hause, Hope, für sich gewinnen will und dafür Reno, die "sinnlichste Predigerin der Welt" abblitzen lässt.
Für das nötige Verwechslungs-Chaos sorgen ein "unglücklicher" Gangster, der sich als Priester verkleidet hat, ein "unglücklicher" Priester, der für den Gangster gehalten wird, Erma, eine "verführerische Gangsterbraut" sowie Luke und John, zwei "bekehrte Chinesen". Aber auch das Schiffspersonal kann sich sehen lassen: von den steppenden Matrosen über Fred, den Barmann, der für jedes Wehwehchen den richtigen Drink mixt, die vier Showgirls mit viel Pfeffer und Swing - aber allesamt "Engel der Unschuld" -, bis hin zum Kapitän, der eine Menge zu tun hat, bis er zu guter Letzt vier Paare unter die richtige Haube gebracht hat.
Alles klar? Dann kann das Schiff ja in See stechen. "Glückliche Reise" mit einigen der schönsten Cole-Porter-Schlagern wie "I Get a Kick Out of You", "Let's Misbehave", "Night and Day", "It's De-Lovely", "Blow, Gabriel ´, Blow“ Das sehr angejahrte Musikal ist auf den deutschen Bühnen kaum bekannt. Im deutschen Sprachraum hat es ein Gegenstück in Eduard Künnekes Revue „Glückliche Reise“.
Die Handlung ist dünn und wenig mitreißend. So setzt die Regie von Markus Hertel auf die musikalischen Werte. Dazu kann er auf ein Ensemble bauen, das unter der musikalischen Leitung von Stefan Diederich in dem luftigen Bühnenbild und in den fantasievollen Kostümen von Eckhard Reschat zu singen, zu spielen und zu tanzen weiß. Das kopfstarke Ensemble wird ergänzt mit Tänzern des hauseigenen Balletts, Mitgliedern des Opernchors und gut geschulten Statisten. 150 Minuten wirbelt es hinreißend über die Bühne. Das Schleswig-Holsteinische Sinfonieorchester gefällt vor allem in den Bläser-Passagen.
Das Rendsburger Publikum – das Durchschnittsalter ist erschreckend hoch – ist beifallfreudig und feiert am Schluss alle Beteiligten lang und anhaltend.
Horst Schinzel Fotos Henrik Matzen