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Dortmund 10. Mai 2021 – Goldsaal der Westfalen-Hallen

Béla Bartók - Herzog Blaubarts Burg

mit Videos als Stream

Oldtimer - Autos statt alter Burggewölbe

Nicht aus dem Konzerthaus, nicht aus dem Opernhaus, sondern aus dem „Goldsaal“ der Dortmunder Westfalenhallen wurde am Montag als Stream gesendet eine konzertante Aufführung von Béla Bartóks einziger Oper „Herzog Blaubarts Burg“ (A kékszakállú herceg vára) in einem Akt auf den Text von Béla Balász. Ausführende waren unter Leitung von GMD Gabriel Feltz Mitglieder der Dortmunder Philharmoniker sowie in den Gesangspartien Adriana Bastidas-Gamboa von der Oper Köln als Judith und Bálint Szabó  von der Staatsoper München als Blaubart.

Der von Bartók und dem Librettisten vorangestellte gesprochene Prolog fiel der „reduzierten Fassung“ zum Opfer. Dafür deutete Regisseurin Andrea Hoever die Handlung als eine Art bösen Traum Judiths. Zum Beginn mit dem Bekenntnis Judiths, ihr früheres Leben Blaubart zu Liebe aufgegeben zu haben, fuhren beide verliebt in einem Oldtimer durch die Gegend, als Judith einschlief.

 

Nun begann die eigentliche konzertante Aufführung, während der der Oldtimer zwischen den Sängern stand, wohl weil die hinter Blaubart aufgestellte Tanksäule kein Benzin abgab. Während der Zwischenspiele waren Videos von Oldtimer-Autos als von Judith geöffnete Räume zu sehen – die Aufführung sollte zunächst in einem Automuseum stattfinden. Als Videos sah man etwa in der „Folterkammer“ in einem Auto Utensilien von sadistischem Sex-Spielzeug und hörte das Seufzen der Gequälten, in der „Schatzkammer“ einen Koffer voll Geld und Waffen, als Garten ein Cabrio, in dem Judith den Beifahrersitz einnahm, beim Blick auf die weiten Lande wurde ein neues Auto und ein Palast auf einem Tablet gezeigt, vor dem „Tränensee“ fand Judith bereits Fotos der drei früheren Frauen Blaubarts im Handschuhfach, von denen ja die Tränen geweint wurden. Diese betrachtete Blaubart dann beim Öffnen der siebten Tür und ihrer Schilderung bewundernd.Nach Blaubarts letzten viermal immer leiser eindrucksvoll gesprochenem „Ewig“ (éjjel) und dem ppp-Schluß   fahren beide nicht etwa, wie es Libretto und Musik verlangen, ins ewige Dunkel, sondern wohl erlöst in eine bessere Zukunft in dem Oldtimer, mit dem sie gekommen waren und der die ganze Zeit zwischen ihnen stand.

 

Die Besetzung des Orchesters war von der von Bartók spätromantisch vorgeschriebenen Grösse (z.B. 16 erste Geigen) auf die Fassung von Eberhard Kloke reduziert mit ungefähr dreissig Musikerinnen und Musikern. Dabei gab Eberhard Kloke anläßlich der szenischen Uraufführung dieser Fassung im kleinen Theater Biel-Solothurn zu, bei seiner Bearbeitung handele es sich nicht nur um eine Reduzierung für die Aufführung in kleineren Häusern, (oder angepaßt für Pandemie-Vorschriften) sondern um eine „an der Substanz des Notentextes durchgeführte Interpretation“ (zitiert von Musikkritiker Peter Hagmann in seinem Blog zur klassischen Musik)

Bekanntlich kommt Judith aus Liebe zu ihm in die Burg Blaubarts und verlangt nach und nach Öffnung der Türen zu allen sieben (Seelen-) Räumen – Symbole für seine charakterlichen Züge. Dafür erfand Bartók wie eine Art Suite für jeden Raum einen dessen Inneres teils impressionistisch beschreibende Musik. Durch die Bearbeitung Klokes wird insbesondere der auch bei Bartok an R. Strauss angelehnte spätromantische „Zuckerguß“, vor allem der grossen Streicherbesetzung, einiger Szenen reduziert, den Eberhard Kloke betreffend „Rosenkavalier“ in einem Interview mit dem Musikkritiker Harald Suerland in den Westfälischen Nachrichten als übertrieben empfand. Für manche Szenen ist das schade, etwa in der hymnischen C-Dur- ff-Szene beim Anblick von Blaubarts „weiten Landen“, wodurch dann der Kontrast zu Judiths ganz ohne Orchester gesungener Bestätigung um so eindrucksvoller wird oder etwa die Kantilene der Violinen beim „langen Kuß“ oder der Übergang vom ff zum ppp am Schluß, wobei die von Bartók geforderte Orgel nicht gestrichen war..

 

Auf der anderen Seite wurde die teilweise an die ungarische Volksmusik angelehnte Melodik und teils schroffe auch auf Pentatonik basierende Harmonik deutlicher. Auch wurden die instrumentalen Soli vor allem dank der großartigen Solistinnen und Solisten der Dortmunder Philharmoniker sehr gut hörbar. Erwähnt seien etwa die schnellen Tonleitern herauf und herunter gespielt von Xylophon und Holzbläsern in der „Folterkammer“, die Trompeten in der „Waffenkammer“, Horn, Oboe und Klarinette im „Garten“, Harfe, Cello Klarinette und Streichersolisten beim „Tränensee“, englisch-Horn und Klarinette/ Baßklarinette bei dem Betrachten der früheren Frauen Blaubarts oder Oboe und Flöten zum Schluß.

 

In dem erwähnten Interview in den Westfälischen Nachrichten bemerkte Eberhard Kloke zudem, schreiende Sänger über einem Riesenorchester wirkten heute wie aus der Zeit gefallen. Das reduzierte Orchester nutzte hier besonders der Sängerin der Judith Adriana Bastidas-Gamboa, indem sie nie zu forcieren brauchte und ausdrucksvoll die jeweiligen Gegensätze - erst Bewunderung, dann Entsetzen über das Innere von Blaubarts (Seelen)-räumen - im ariosen Sprechgesang stimmlich darstellte, etwa auch ganz zurückgenommen beim Betrachten des „Tränensees“.

Bálint Szabó als Blaubart verfügte über eine sonore Baßstimme, wäre auch mühelos bei einem grösseren Orchester zu hören gewesen und konnte sowohl befehlend scharf als auch fast liebevoll lyrisch bis hin zum p singen,

Gabriel Feltz leitete Solisten und Orchester überlegen mit exakter Zeichengebung, was bei dem Corona-bedingten notwendigen Abstand zwischen den einzelnen Streichern bzw. der Plastikabschirmungen zwischen den Bläsern besonders wichtig war. Die Anfangsmotive beginnend bei Judiths Berührung der nassen, weinenden Wände, die die einzelnen Szenen verbinden, waren wiederkehrend zu hören. Kurz vor Schluß gab es trotz des kleinen Orchesters eine gewaltige dynamische Steigerung, wobei das kurze Liebesduett der beiden zu einem Höhepunkt des Abends geriet.

 

Foto Michael Baker

 

Sigi Brockmann 11. Mai 2021

 

CD-Empfehlung. E. Obraszowa, J. Nesterenko, Orchester der ungarischen Staatsoper 

ML J. Ferencsik, erschienen bei Capriccio, mit Bühnenbild der Uraufführung auf dem Cover

 

 

Klangvokal Musikfestival Dortmund

 

Mystisches Abschlußkonzert am 16. Juni 2019

Chor des lettischen Rundfunks

Betreffend Zahl der Teilnehmer war das 11. Fest der Chöre am vergangenen Samstag mit über 150 Chören und Vokalensembles, die an allen erdenklichen (insgesamt 18) Orten wie Kirchen, Plätzen, U-Bahn-Stationen auftraten, sicherlich der Höhepunkt des Klangvokal Musikfestivals in Dortmund.

Mit ganz gegensätzlich nicht einmal dreissig Sängerinnen und Sängern bestritt a capella das Abschlußkonzert der Chor des Lettischen Rundfunks unter Leitung von Sigvards Kļava in der zentralen St. Reinoldi-Kirche. Da alle Chormitglieder solistischen Ansprüchen genügten, wurde es ein gelungener besinnlicher Abend, wozu auch die Atmosphäre des Kirchenraums beitrug. Das Programm wies zum allergrößten Teil schon hin auf den 37. Deutschen Evangelischen Kirchentag, der am 19. Juni in Dortmund beginnt. Das sah man auf dem Hinweg schon daran, daß vor der St. Reinoldi-Kirche aus Holz ein temporärer Eingangs-Vorbau errichtet war mit der Bezeichnung stadtparadies sankt reinoldi.

Im ersten Teil erklangen zunächst zwei Werke lebender estnischer Komponisten, zuerst - im Programm als zweites angegeben – ein Werk vom hier wenig bekannten nach bester estnischer Tradition vor allem für Chor komponierenden Ēriks Ešenvalds  (Jahrang 1977). Es war  unter dem Titel A drop in the ocean eine Art Hymne auf die hl. Mutter Teresa von Calcutta, die - als Abschluß des Chorwerks vom Solo-Sopran zitiert - einmal ihre Taten als nichts als ein Tropfen im Ozean bezeichnete.Vorher wurde zuerst vom Solo-Sopran das lateinische Vater unser angestimmt, worauf vermischt mit Versen von Franz von Assisi und Mutter Teresa selbst vom gesamten Chor eine grosse dynamische Steigerung und folgender Abschwächung folgte. Mystische Stimmung zu Beginn und zum Schluß entstand dadurch, daß Chormitglieder auf bestimmter Tonhöhe hörbar atmeten, was zum verklingenden Schluß durch leises Pfeifen ergänzt wurde.

Es folgten vom berühmtesten estnischen Komponisten Arvo Pärt dessen Sieben Magnificat-Antiphonen. Es handelt sich eigentlich um Rahmengesänge um einzelne Verse des Magnificats (Hoch preise meine Seele den Herrn), die der schwangeren Gottesmutter Maria zugeschrieben werden. Da für den RIAS-Kammerchor komponiert vertonte Pärt auf Deutsch diese Lobpreisungen Gottes.. Hörbar wurde teilweise seine tintinnabuli (Glöckchen) – Kompositionsweise, die durch über einem Dreiklang sich erhebende Solostimme mystische Wirkung erzeugte. Abwechslung wurde dadurch erreicht, daß einzelne Verse auf verschiedene Chor-Stimmen verteilt wurden, so etwa O Weisheit vor allem für die Damen oder O Adonai für die Herren, wobei die tiefen Bässe zu bewundern waren. Gewaltiger Höhepunkt – den Kirchenraum füllend – entstand bei der Bitte um Öffnung des Kerkers der Finsternis und der Fessel des Todes.

Es folgte ein Chorwerk ganz ungewohnter Art. Als Teil seiner fünften Sinfonie schrieb Gustav Mahler bekanntlich ein Adagietto für Streichorchester und Harfe. Dies etwas sentimentale Stück wurde populär, weil Luchino Visconti es in seinem Film nach Thomas Mann´s Der Tod in Venedig ausführlich verwendete. Der französische Komponist Gérard Pesson bearbeitete es für Chor a capella, in dem er Textteile verwendete, die Anfang des 18. Jahrhunderts August von Platen zum Lobe Venedigs verfaßt hatte. Der Chor sang dieses Stück sehr durchsichtig und lyrisch, - die Soprane bis in höchste Höhen - sodaß man Mahler´s Musik wiedererkannte. Allerdings fehlte der bei Mahler charakteristische Ton der Harfe.

Hauptteil des Konzerts war nach der Pause Peter Tschaikowsky´s Vertonung von Teilen der Liturgie des Heiligen Johannes Chrysostommos op. 41. von konservativen Zeitgenossen als geistliche Oper verunglimpft. Opernhaft wirkte, daß die jeweilige Einleitung der Chorgesänge durch den Diakon von einem Solo-Baß und die des Priesters von einem Solo-Tenor vorgetragen wurden. Gesungen wurde die weitgehend der katholischen ähnliche Liturgie sehr einfühlsam und dynamisch abwechselnd zwischen ganz leisem p und grossen Forte-Stellen. Dies galt etwa für Gloria, Glaubensbekenntnis und Vater unser. Der orthodoxen Gewohnheit entsprechend wurde meistens einstimmig, dies mit teils langen Tönen intonationsgenau und ohne falsches Vibrato gesungen. Da freute man sich über einige polyphone Stellen – vielleicht westlicher Einfluß bei Tschaikowsky. Genannt seien etwa der Schluß des Cherubim-Hymnus oder das ebenfalls hymnische Lob der Gottesgebärerin Maria..Beim Kommunionshymnus wurde der Herr sogar fugato gelobt, was dem Chor wieder Gelegenheit gab, seine auch polyphonische Gesangskunst zu zeigen.

Selbst Teile des Publikums, die die Texte aus dem Programmheft nicht mitgelesen hatten und deshalb auch wenig verstehen konnten, zeigten sich nach der abschliessend gesungenen Fürsprache für Bischöfe, Regierende und alle Christen ergriffen und spendeten reichlich Beifall. Diesen belohnte der Chor mit einer auswendig gesungenen Zugabe.

 

Sigi Brockmann, 17. Juni 2019

(c) Konzert Bülent Kirschbaum

(c) Eingangs-Vorbau St. Reinoldi Der Opernfreund / S. Brockmann

 

 

 

Musik-Wochenende zum zweiten – von der Innenstadt ins Opernhaus - „Music Circus“ nach John Cage und Konzert „Barock bis Broadway“ am 6. Oktober 2018

„Alles was wir machen ist Musik“ - dieser Ausspruch von John Cage schmückte die Fassade über den Eingängen des Opernhauses Dortmund. Von Cage inspiriert organisierte Sigune von Osten wie schon früher an anderen Orten in Dortmund  einen MusiCircus, in dem 50 Ensembles von A wie Akkordeon-Orchester Recklinghausen bis Z wie „Zeybek Kinder des Türkischen Bildungszentrums“ mit über 800 Mitwirkenden Musik und musikähnliche Geräusche aufführten von A wie Adele und d'Albert bis X wie Xenakis und Y wie Yiruma. Damit sollte der Beginn der Intendanz von Heribert Germeshausen der ganzen Stadt angezeigt werden.

Das dreistündige Event begann in der Fußgängerzone, setzte sich auf einem Platz vor dem Rathaus (Friedensplatz) fort, ging dann weiter über eine gartenähnliche Anlage (Stadtgarten) zum Vorplatz und ins Foyer des Opernhauses.

So wurde etwa auf Ölfässern getrommelt. Am spektakulärsten war es wohl, als Fahrzeuge des Technischen Hilfswerks Sirenen einschalteten, Kehrmaschinen kratzten und Strassenkehrer klopften zu einem Besen-Ballett. Ein Chor unter bunten Schirmen verbreitete italienische Stimmung, riesige Alphörner wechselten oder spielten gleichzeitig mit orientalischen Orchestern, Jazzbands, Posaunenchor, Saxofon-Ensemble und auch Einzelkämpfer wie etwa ein Pianist auf einem rollenden Flügel – alles wurde koordiniert nach einer sogenannten „Zeitpartitur“

Trotz dieser Koordination hatten besonders im Freien Ensembles mit grösserer Lautstärke auch den meisten Zulauf, da viele Zuhörer ganz spontan den Klängen folgten, darunter auch BVB-fans in schwanz-gelb gekleidet, die sich fühlten wie am Abend vorher in der Oper gewünscht „ritorna vincitor“ Tore hatte es ja soeben genug gegeben. Manche betraten nach eigenem Bekunden zum ersten Mal in ihrem Leben das Opernhaus, um bei diesem oder jenem Ensemble zu verweilen und zuzuhören - notgedrungen meistens mehreren gleichzeitig! Bisher kannten sie es nur als Namen für eine Tiefgarage und eine Haltestelle.

Direkt im Anschluß an den Musicircus fand im Opernhaus dann ein „Willkommens“ - Konzert unter dem Motto „Barock bis Broadway“ mit den Dortmunder Philharmonikern unter Leitung von Philipp Armbruster statt. Als Moderator stellte Intendant Germeshausen Sängerinnen und Sänger mit Gesangsnummern aus ihrem Repertoire vor.

Beim Publikum bekannt und beliebt knüpfte Morgan Moody an einen früheren Erfolg an und sang mit der ihm eigenen Bühnenpräsenz die „Registerarie“ des Leoprello aus „Don Giovanni“ und kurz vor Ende aus „Kiss me Kate“ „So in love“

Zwei hatten den Mut, vor ihrem Auftritt im „Barbiere di Sivigla“ am Folgetag an diesem Abend zu singen. Als früheres Cover von Cecilia Bartoli und dieser auch im Aussehen ähnlich sang Aytaj Shikhalizada koloraturensicher und keck die Arie der Rosina „Un poce poco fa“ und hatte vorher schon treffsicher und ausdrucksvoll mit halsbrecherischen Koloraturen bis in hohe Höhen eine Arie von Händel gesungen, die auch schon „Agitato“ im Titel hatte (Agitato da fiere tempeste)

Sunnyboy Dladla nahm mit helltimbriertem gefühlvollem Tenor auch bis zu Spitzentönen koloraturensicher,die Arie des Grafen Almaviva „Ecco ridente“ vom nächsten Tag vorweg. Da kam Vorfreude beim Publikum auf den „Barbiere“ auf.

Später in dieser Spielzeit als Turandot auftretend sang Stéphanie Müther mit grosser Stimme ohne Forcieren zunächst „Vissi d'arte aus „Tosca“. Mit dem „Vilja“ -Lied aus Lehár´s „Lustiger Witwe“ zeigte sie auch ihre Fähigkeit zu Legato-Bögen und zartem p.

Nicht oder noch nicht in Dortmund engagiert sang Matias Tosi mächtigem Bariton von Hass, Liebe und Seitenwechsel in Zeiten der Revolution „Nemico della patria“ aus „Andrea Chénier“ Als Argentinier erfreute er gegen Ende das Publikum mit einem melancholisch gesungenen Tango.

Fast heldentenorale Töne mit charakteristischer Stimmfärbung zwischen Karikatur und lyrischem Schmelz zeigte der geborene Dortmunder Mirko Roschkowski mit der „Legende vom Kleinzach“ aus. Zum Ausklang begeisterte er mit „Freunde das Leben ist lebenswert“, dem Hit aus Lehár´s letzter Operette „Giuditta“ - für das Publikum offenbar der Höhepunkt des Abends. Zwischen den Gesangsnummern spielten die in diesen Tagen so vielfach geforderten Dortmunder Philharmoniker rythmisch exakt und mit dem passenden „Sound“ ,auch und vor allem dank Philipp Armbruster´s präziser Zeichengebung, Leonard Bernstein, insbesondere im Vorgriff auf die übernächste Premiere Ausschnitte aus „West Side Story“

Damit war der Tag noch nicht zu Ende, Es folgte passend zum Vortag begleitet vom Triumphmarsch aus „Aida“ ein Feuerwerk über dem Opernhaus. Ebenso wie zum ganzen Nachmittag war das Wetter auch für diesen Anlaß ideal.

Wer wollte konnte den Abend noch beim Tanz zu Live-Musik im Foyer ausklingen lassen.

Sigi Brockmann 8. Oktober 2018

Fotos Anke Sundermeier/Theater Ddortmund

 

 

 

Dortmund Klangvokal Musikfestival Abschlußkonzert - Le Banquet Céleste

Caldara:

Magdalena zu Christi Füssen

St.-Reinoldi Kirche – 10. Juni 2018

Von den wenigen Frauenschicksalen, über die in der Bibel berichtet wird, finden besonders die Interesse, bei denen man eine charakterliche Entwicklung vermuten kann. Das sind vor allem Eva, die vom Paradies zum beschwerlichen sündigen Leben wechselt, oder etwa Maria Magdalena, die vom sündigen Leben wohl ins Paradies gelangt. Über beide wurde zwischen den vielen Konzerten unter dem Motto „Auf Schatzsuche“ beim Klangvokal Musikfestival in Dortmund je ein Oratorium aufgeführt. Nach Jules Massenet`s „Ève“ folgte nicht etwa dessen „Marie-Magdeleine“, sondern man ging in der Zeit fast zweihundert Jahre zurück zu Antonio Caldaras „Maddalena ai piedi di Cristo“ (Magdalena zu Christi Füssen), eins von dessen 40 Oratorien, wahrscheinlich um 1700 in Rom entstanden. 

Allerdings hat bei Beginn des Oratoriums Maria Magdalena sich vom sündigen Leben bereits verabschiedet. Ob sie zu dessen Annehmlichkeiten zurückkehren oder über Reue und Umkehr himmlischen Lohn erstreben soll, darum kämpft sie innerlich in zwei Stunden Oratoriums-Musik. Um sie auf diesem Scheideweg (bivio)zu beeinflussen treten als allegorische Personen auf „ amore terreno“ (irdische Liebe) und „amore celeste“ (himmlische Liebe). Dieser Gegensatz betreffend zwei Auffasungen von Liebe hat zwar noch Wagner im „Tannhäuser“ beschäftigt, scheint uns heute aber eher fremd. Aus dem Johannes-Evangelium entnommen ermahnt Martha zusätzlich Maria Magdalena zu Reue und Askese. Als letztere dann beschließt, zu Christi Füssen ihre Sünden zu bereuen, kann sogar ein selbstgerechter Pharisäer, (Lukas-Evangelium)der in Magdalena die Sünderin sieht, diese vielleicht selbst begehrt und deshalb nicht an ihre Erlösung glaubt, Christus nicht daran hindern, Magdalena Frieden und damit Erlösung zu verheissen.

Musikalisch wird diese Handlung dargestellt in Rezitativen und Da-capo-Arien der Solostimmen, letztere mit Koloraturen häufig auf wichtigen Worten oder auf der letzten Silbe. Etwas Opern-Atmosphäre entsteht, wenn die Rezitative in Form von Gesprächen mehrerer Personen oder als Streit zwischen „himmlischer“ und „irdischer Liebe“ ablaufen, es gibt sogar am Ende des ersten Teils darüber ein Streitduett zwischen beiden. (Caldara schrieb etwa 80 Opern)

Glänzend aufgeführt wurde das Oratorium durch das aus der Bretagne (Rennes) angereiste erstmalig in Deutschland auftretende Alte-Musik-Ensemble Le Banquet Céleste (himmlische Mahlzeit). Geleitet wurde es von seinem Gründer Damien Guillon, der als Countertenor gleichzeitig die Rolle des „Amore celeste“ (Himmlisch Liebe) gestaltete. Wenn er zum Publikum gewandt sang, gab er mit Handzeichen und Schulterbewegungen gleichzeitig Einsätze, was bei dem Orchester von 14 Spezialisten ohne Schwierigkeiten gelang. Sehr delikat klangen seine Koloraturen im Zusammenspiel mit der ersten Solovioline (Pablo Valetti) bei der Arie „Da quel strale“, wo er feststellt, daß die irdische Liebe ihre süssen Giftpfeile umsonst auf Magdalena verschossen hat. Diese „Amore terreno“ wurde mit beweglicher Altstimme gesungen von Benedetta Mazzucato.

Bei manchen Arien wird die erste Silbe ohne Begleitung langsam vorweg gesungen. So begann sie das Oratorium ganz grossartig   mit einem auf demselben Ton sich vom p dynamisch steigernden „Dormi“ (Schlafe), mit dem Magdalena zu lustvollem Träumen angeregt werden sollte. Überhaupt konnte sie ihrer Stimme schmeichlerisches Timbre verleihen, um Magdalena zu verführen, Wut, als das nicht klappt, und sie in rasendem Rache-Tempo die Furien der Unterwelt zu Hilfe rief (Orribili) um dann nach ihrer Niederlage koloraturenreich in ebenso schnellem Tempo zum Tartarus herabzufahren.

 Durch abwechselnde Stimmfärbung sowie dynamisch zwischen p und stärkerer Tongebung glänzte ebenfalls Emmanuelle de Negri in der Titelpartie der Magdalena, sie machte hörbar den Kampf der „zwei Magdalenen“ (due Maddalene) deutlich. Zweifel gab es noch bei „Pompe inutile“, wo sie zur Begleitung des Solo-Cellos (Julien Barre) von falschem Prunk Abschied nehmen will, was in einer anderen Arie „Diletti“ durch jetzt nicht mehr nötigen Tanzrhythmus des Orchesters ausgedrückt wurde. Verzweiflung hörte man bei „In lagrime“, wo das Orchester rhythmisch den Fluß ihrer Tränen nachzeichnete.

 Die Magdalena den rechten Weg zur Vergebung empfehlende Marta sang mit leuchtendem Sopran und beweglichen Koloraturen Maȉlys de Villoutreys, etwa in der schnellen Arie mit der Aufforderung an Magdalena „Geh lauf fliege“ begleitet von unisono-Violinen.

In tongenauen Koloraturen und tiefen exakt getroffenen Baßtönen verriet Benoît Arnould als Pharisäer zuerst Unglauben und Skepsis betreffend Erlösung von Magdalena, um in seiner letzten Arie Gottes unergründliche Geheimnisse zu preisen – dies auch in zurückgenommenen p-Tönen. Die Tenorpartie des Christus mit seinen frommen Ermahnungen sang Reinoud van Mechelen mit glänzenden Koloraturen bis hin zur erlösenden Aufforderung an Magdalena, in Frieden zu gehen (vattene in pace)

Musikalische Farbe durch virtuoses Spiel und ganz unterschiedliche Kombination der Instrumente erhielt der Abend auch durch das Orchester, weniger in den beiden raschen den ersten und zweiten Teil einleitenden „Sinfoniae“ als bei Einleitung, Zwischenspielen und kommentierender Begleitung der Arien. Besonders soll gelobt werden die einfühlsame Begleitung der Rezitative durch die Continuo-Gruppe von Orgel, Cembalo, Laute und Cello.

Nachdem die bekehrte Magdalena zum Schluß koloraturenreich sang, wollüstige Liebe bedeute niedrige Knechtschaft, applaudierte das Publikum in der ausverkauften Kirche nach dem langen Abend anhaltend und mit Bravorufen.

Sigi Brockmann 11. Juni 2017

Fotos Bülent Kirschbaum

 

CD-Tipp: Es gibt bei harmonia mundi eine Aufnahme des Oratoriums mit der Schola Cantorum Basiliensis unter René Jacobs. Eine CD der oben besprochenen Aufführung erscheint im September 2018 bei Alpha Classics.

 

 

 

ADAM UND EVA

18. Mai 2018

 

Zum zehnten Mal veranstaltet die Stadt Dortmund das „Klangvokal Musikfestival“ mit Aufführungen von Vokalkompositionen von Oper bis hin zu Pop. In diesem Jahr steht es unter dem Motto „Auf Schatzsuche“, womit wohl gemeint ist, daß weitgehend unbekannte „Schätze“ zu hören sind.

Dies traf nicht unbedingt zu auf die symphonische Dichtung „Orpheus“ von Franz Liszt, 1854 als Einleitung einer Aufführung von Gluck`s „Orpheus und Eurydike“ geschrieben, mit der die Dortmunder Philharmoniker unter Leitung von Granville Walker den Abend eröffneten. Das ausser einer dynamischen Steigerung im Mittelteil weitgehend elegische Werk gab dem Orchester und insbesondere den Holzbläsern, den beiden Harfen und den Solospielern von Geige und Cello Gelegenheit, ihr Können hören zu lassen.

Gar nicht Ergebnis einer Suche nach unbekannten Schätzen war das folgende häufig aufgeführte„Schicksalslied“ op. 54 für Chor und Orchester auf einen Text von Friedrich Hölderlin von Johannes Brahms. Der von seinem langjährigen Leiter und Dortmunder Opernchor-Direktor Granville Walker geleitete Philharmonische Chor des Dortmunder Musikvereins liess zunächst leichte Anfangsschwierigkeiten hören, war auch nicht immer sehr textverständlich. Die gegensätzliche Darstellung vom sorgenfreien Nichtstun der Götter unbeteiligt am grausamen Schicksal der Menschen kam aber zum Ausdruck, leider mehr von den in grösserer Zahl singenden Damen- als bei den weniger zahlreichen Herrenstimmen, letzteres ein Manko vieler nebenberuflich engagierter Chöre. Zu rhythmisch präzisem Spiel regte der Dirigent die Dortmunder Philharmoniker im schroffen und wilden Mittelteil an mit den exakt eingehaltenen „Entsetzens-Pausen“. Die abschliessende nur instrumentale Verklärung brachte im Gegensatz zu Hölderlins Gedicht mögliche Erlösung in wohlklingendem C-Dur zum Ausdruck.

Erstmals passend zum Motto des Abends und gelungene „Schatzsuche“ war das nach der Pause aufgeführte „Mystère“ (Mysterienspiel ) in drei Teilen auf einen Text von Louis Gallet „Ève“ (Eva) von Jules Massenet für Sopran (Ève), Bariton (Adam) Tenor (Erzähler), Chöre und Orchester. Dabei handelt es sich um ein Mittelding zwischen Oratorium und Oper, das nicht unbedingt im Kirchenraum aufgeführt werden muß – die Uraufführung fand 1875 in Paris im riesigen „Cirque d`Èté“ statt..

Ohne Auftritt von Schlange oder Genuß eines Apfels wird dargestellt, wie Adam und Eva sich zuerst treffen und bewundern. Ähnlich wie Masssenet's andere Titelheldinnen, etwa„Manon“ oder „Thais“, wird Eva dazu angestachelt , als eine Art „Venus“ durch bewußten Einsatz weiblicher Verführungskunst (hier Baum der Erkenntnis) den Mann und damit mit stolzem Haupt (l'orgueil au front) die Welt zu beherrschen. So verführt sie Adam zu wilder Liebesextase. Wegen dieser offenbar nicht ins Paradies passenden „sündigen Lust“ werden beide aus diesem vertrieben und auf ewig zum Leben auf der Erde verdammt.

Bereits vor einigen Jahren als „Manon“ in Dortmund bewundert war Eleonore Marguerre vom Aussehen her und stimmlich eine ideale Verkörperung der Eva. Besonders in ihrer grossen Szene im zweiten Teil (der Verführung) traf sie dank ausgefeilter Gesangstechnik scheinbar mühelos die hohen Spitzentöne der Partie - etwa im f bei „le désir est plus puissant que moi“ (das Verlangen ist stärker als ich) aber auch und gerade im p – (etwa bei „douce nuit), setzte sich stimmlich scheinbar ebenso mühelos gegen Chor und Orchester durch. Beim Wunsch an Adam „Aimer c'est vivre“ (Lieben heißt leben) konnte sie ihrer Stimme verführerisches Timbre verleihen, das alles bei grosser Textverständlichkeit.

Über diese verfügte auch Thomas Laske als Adam. Er erfüllte erfolgreich alle Ansprüche der umfangreichen Bariton-Partie bezüglich Tongenauigkeit und Textgestaltung, sodaß das Liebesduett der beiden zum Höhepunkt des Abends wurde. Kurzfristig hatte Thomas Blondelle die Partie des Erzählers (Récitant) übernommen. Bis hin zu exakt getroffenen Spitzentönen verfügte er passend für französische Gesangstradition über einen hell-timbrierten Teno und war ebenfalls textverständlich.

Hauptakteur des Oratoriums war naturgemäß der Philharmonische Chor des Dortmunder Musikvereins wieder einstudiert von Granville Walker.  Nacheinander als ätherische „Stimmen des Himmels“ bei Beschreibung des Paradieses, als (besonders bei den Damen) sehr bewegliche„Stimmen der Natur“ bei Beschreibung des idyllischen Unschuldszustands, aber auch als verführerische „Stimmen der Nacht“ kommentierte und beeinflußte der Chor das Verhalten insbesondere Evas. Als „Geister der Hölle“ donnerte er den gewaltigen Fluch über das „sündiger Extase“ (l'ivresse des dèsirs) schuldige Liebespaars wobei auch hier die zahlenmässige Unterlegenheit der Herrenstimmen zu bedauern war.

Mit orchestralem Wohllaut spielten die Dortmunder Philharmoniker Massenet's Partitur, unberührte Natur, berauschende nächtliche Waldatmosphäre, zum bitteren Ende aber auch Schrecken der Verdammnis mit einem gewaltigen „Dies irae“ - Anklang musikalisch schildernd.

Nachdem zum bitteren Ende das Liebespaar die Hoffnung ausdrückte, sich auch auf die Erde verbannt weiter lieben zu können und darauf ein letztes „Seid verflucht“ erlebte, applaudierte das Pubikum nach mehrfachem Zwischenapplaus im ausverkauften Kirchenraum lange und heftig mit Bravos für die drei Gesangssolisten.

Sigi Brockmann 19. Mai 2018

Fotos (c) Bülent Kirschbaum

 

 

 

Frieder Bernius dirigiert „Bach pur“

Reinoldikirche – 15. Juni 2017

Am Fronleichnamsfest fand in der Reinoldikirche zu Dortmund im Rahmen des „Klangvokal Musikfestivals“ ein Konzert mit geistlichen Chorwerken Johann Sebastian Bachs unter dem Motto „Bach pur“ statt. Frieder Bernius dirigierte das von ihm gegründete Barockorchester Stuttgart, das mit nur etwas mehr als 20 Musikern nach historischer Aufführungspraxis auf der Zeit entsprechenden Instrumenten spielt. Natürlich wirkte auch mit der von ihm noch früher gegründete Kammerchor Stuttgart mit nur 22 Sängerinnen und Sängern. Diese waren halbkreisförmig direkt hinter dem Orchester aufgestellt, die Soprane links, die Altstimmen rechts, Tenöre und Bässe in der Mitte dazwischen , hätten sie etwas erhöht gestanden, wäre das für die hinteren Besucherreihen sicher vorteilhafter gewesen.

Wie mit demselben Programm am Tag zuvor in Braunschweig und am folgenden Tag in Fürth gab es eine Änderung der angekündigten Werkreihenfolge. Begonnen wurde mit der Messe in g-Moll BWV 235, eine der sogenannten „Lutherischen Messen“ . in denen Bach aus der katholischen Meßliturgie nur das „Kyrie“ und „Gloria“ vertont hat – eigentlich ganz passend zu Fronleichnam. In diesen Messen hat er bekanntlich Teile früherer Kantaten bearbeitet, in der aufgeführten Messe zum größten Teil aus der Kantate 187 „Es wartet alles auf dich“

Bereits hier wurden im „Kyrie“ die hymnische Kraft und im fugierten Mittelteil „Christe eleison“ die polyphone Kunst des Chores deutlich hörbar. Im folgenden „Gloria“ wurde zu der schnellen 16-tel-Begleitung der Violinen der Gegensatz im Chor deutlich zwischen strahlendem Beginn mit „Gloria“ und im p folgendem „et in terra pax“ (Friede auf Erden). Im Bariton - Solo des „Gratias“ (Wir danken) zeigte Peter Harvey, daß er auch ganz tiefe Töne treffen konnte. Ganz grosse Bewunderung erregte der Countertenor David Allsopp in der Arie „Domine fili“ (Sohn Gottes) Zum tänzerischen 3/8 Takt des Orchesters hörte man glitzernde Koloraturen und lange gehaltene Töne zu einer gefühlvollen Darstellung des ganz verständlichen Textes, besonders eindringlich in der Bitte „miserere“ (Erbarme dich).Zur folgenden Tenorarie „Qui tollis“ (Du nimmst hinweg die Sünde) beeindruckte vor allem das Solo der Oboistin im einleitenden Adagio-Teil. Tenor Thomas Hobbs machte stimmlich den Unterschied dieses Teils zum wiederum etwas tänzerischen Allegro-Teil „Quoniam tu solus“ (Du allein bist der Heilige) stimmlich deutlich. Das abschliessende „Cum sanctu spiritu“ (Mit dem heiligen Geist) zeigte dann mit Fuge und grossem „Amen“ wieder die polyphone Kunst des Chors.

Wohl aus Anlaß des 500 jährigen Jubiläums folgte dann die Reformationskantate „Gott der Herr ist Sonn´ und Schild“ BWV 79 – passend für die Reinoldikirche, in der seit mindestens 450 Jahren evangelischer Gottesdienst gefeiert wird. Hier zeigte in der langen Instrumentaleinleitung das Barockorchester seine instrumentale Meisterschaft. Hervorzuheben sind die beiden Hornisten mit einem Thema, das leitmotivartig im späteren Choral „Nun danket alle Gott“ wiederkehrt. Geblasen wurden Naturhörner, die in der virtuosen Partie schwierig zu spielen waren, aber einen besonders weichen runden Klang erzeugten. Die unter den Instrumenten deutlich zu hörenden Pauken sollen angeblich an die Hammerschläge erinnern, mit denen Luther seine Thesen an der Schloßkirche zu Wittenberg befestigte. Der Chor konnte insbesondere im fugierten Teil der Einleitung wieder sein Können zu Gehör bringen. Zwischen den beiden Chorteilen bewunderte man wieder das Solo der Oboistin und die überlegene Stimmführung, Ausdruckskraft und Textverständlichkeit auch im deutschen Text des Countertenors David Allsopp. Im letzten Vers ließ der stimmlich den „Lästerhund billen“, vor dem uns Gott schützen soll. Vor dem abschliessenden Choral gab es das Duett „Gott ach Gott verlaß die Deinen nimmermehr“, wobei die Violinen mit ihrem markanten Motiv anders als gewohnt erst nach den Singstimmen einsetzen.. Es wurde beschwingt gesungen vom Solo-Bariton Peter Harvey und der Sopranistin Sarah Wegener. Letztere hörte der Verfasser zuletzt in der Hamburger Elbphilharmonie als „Magna Peccatrix“(Grosse Sünderin) in Mahler´s 8. Symphonie.

Nach der Pause schloß der Abend mit der bekanntesten und beliebtesten Kantate zu einem Reformationsfest „Ein feste Burg ist unser Gott“. Wie hier im Eingangschor jede einzelne Zeile des Chorals deutlich als kleine Fuge vorgetragen wurde und gleichzeitig der Choral dauernd als eine Stimme der Orchesterbegleitung ertönte (cantus firmus) , das war wohl betreffend Chorgesang der Höhepunkt des Abends. Im zweiten Satz leitete das markant gespielte „Tumultmotiv“ der Streicher ein Duett ein, das zur leicht verzierten Choralmelodie des Soprans dem Bariton Gelegenheit bot, seine Können im Koloratugesang hören zu lassen, Das konnte auch die Sopranistin in der folgenden Arie „Komm in mein Herzenshaus“ u.a. mit dem betonten häufigen „Weg“, - weg soll nämlich der „schnöde Sündengraus“. Im folgenden Rezitativ betreffend „Christi blutgefärbte Fahne“ betonte der Tenor durch eine kleine Koloratur das Wort „freudig“ bei „tritt freudig an den Krieg“, die vom den ganzen Abend maßgeblich mitgestaltenden Basso continuo wiederholt wurde. Ein solistischer Höhepunkt war das Duett von Countertenor und Tenor „Wie selig sind doch die“ mit einem großartigen Solo der ersten Violine.

Nach dem abschliessenden Choral „Das Wort sie sollen lassen stahn“   brach nach einer Pause der Besinnung grosser Beifall in der ausverkauften Reinoldi-Kirche aus mit Bravos   und Fußgetrampel, ungewöhnlich aber verdient für dieses bewegende „Bach-pur“ Erlebnis.

Sigi Brockmann 17.6.2017

Fotos Bülent Kirschbaum

 

 

 

Reinoldikirche am 5. Juni 2017

Elgar „The Dream of Gerontius“

Im Rahmen des diesjährigen Klangvokal Musikfestivals in Dortmund war die zentral gelegene älteste Kirche Dortmunds, eine romanische Basilika mit spätgotischen Chor benannt nach dem Stadtpatron Reinoldus, der passend-liturgische Ort um aufzuführen „The Dream of Gerontius“ (Der Traum von Gerontius) op. 38 von Edward Elgar. Dabei handelt es sich nicht um die Darstellung eines Traums, aus dem man aufwacht. Vielmehr träumte John Henry Kardinal Newman in seinem Gedicht aus dem Jahre 1865, wie seinem katholischen Glauben entsprechend ein gläubiger alter Mann (daher der Name Gerontius) Todesangst, Hoffnung und Tod erleidet, und wie er im zweiten Teil nach seinem Tod geleitet vom Schutzengel vorbei an Dämonen der Hölle und nach Gottes Gericht im Fegefeuer ankommt in der berechtigten Hoffnung auf ewiges Leben im Anblick Gottes. Ob ein solcher Traum wahr wird, kann uns bis heute niemand mitteilen!

Aus Teilen dieses Gedichts schuf der ebenfalls gläubige Katholik Edward Elgar das Oratorium (er selbst lehnte die Bezeichnung ab) für Orchester, Orgel, 4-8 stimmigen Doppelchor und als Solisten Mezzosopran Tenor und Bass. Gewidmet ist es in Anlehnung an Bach ADMG (Ad majorem Dei gloriam - zum grösseren Ruhm Gottes). Die Uraufführung im Jahre 1900 in Birmingham unter dem deutschen Wagner-Dirigenten Karl Richter war ein Misserfolg, grossen Erfolg hatte das Werk erst nach seiner Aufführung in Düsseldorf 1901.

 In hiesiger Gegend erfolgte die letzte Aufführung vor zwei Jahren beim Klassik-Sommer Hamm.

Für das musikalische Fundament der Aufführung sorgten die Dortmunder Philharmoniker in grosser Besetzung mit Streichern, vielen Holzbläsern, Hörnern, Trompeten, Posaunen, Tuba und Harfe sowie Klaus Eldert Müller an der Orgel. Die Gesamtleitung hatte Granville Walker – Dortmunder Opernfreunden in bester Erinnerung als langjähriger Leiter des Opernchors.

In einer kurzen Ansprache widmete er das Konzert dem vor kurzem plötzlich verstorbenen Dirigenten Sir Jeffrey Tate, auch vom Verfasser bei Konzerten der Hamburger Symphoniker mehrfach bewundert.

Da paßte, wie eindringlich langsam das Vorspiel „Lento mistico“ mit dem von Klarinetten, Fagotten und Bratschen gespielten „Gerichtsmotiv“ begann. Nach einem choralartigen Höhepunkt sank es klanglich wieder zum pppp zurück. An solch wiederkehrenden Motiven und klanglicher Dynamik als auch an Harmonik und farbiger Instrumentation erkennt man in Elgar den Bewunderer Wagners, insbesondere des „Parsifal“. Sein gewohnt hohes Können bei solcher Art spätromantischer Musik machte das Dortmunder Orchester in weiteren Soli, in einzelnen Instrumentengruppen, wie etwa den weich und rund klingenden Hörnern bei Begleitung des Gesangs des Engels, sowie im vollen Klang aller Instrumente zwischen ppp und fff eindrucksvoll hörbar..

Unter den Solisten hatte natürlich die wichtigste Rolle der Sänger des Gerontius, im ersten Teil als Sterbender, im zweiten Teil als Seele des Verstorbenen. Sehr textverständlich mit hellem Timbre vermochte Brenden Gunnell fast heldentenoral Orchester und Chor zu überstrahlen, konnte aber auch die Stimme zu schnellem Sprechgesang oder zu p-Phrasen fast ohne störendes Vibrato zurücknehmen. Im ersten Teil nach dem beginnenden „Jesu Maria“ hörte man Todesangst in seiner Stimme, ebenso im Glaubensbekenntnis des „Sanctus fortis Sanctus deus (heiliger starker mächtiger Gott) bis zum letzten fff-Aufschrei mit der Bitte um Hilfe Marias. Dann folgte mit fahler Stimme    ohne Orchester gesungen Schicksalsergebenheit „pain has wearied me“ (Das leid hat mich erschöpft). Ein litaneiartiger Gebetschor für den Sterbenden als Abschluß des ersten Teils entließ die Zuhörer beeindruckt in die Pause.

Im zweiten Teil bekam die Seele des Gerontius in Ann Hallenberg einen den grossen Stimmumfang der Partie meisterhaft beherrschenden Engel als Begleitung. Auch sie war textverständlich, überstrahlte unangestrengt Chöre und Orchester insbesondere bei Alleluja-Rufen. Sie formte lange p-Legato-Bögen bis hin zu ganz tiefen Tönen „legatissimo“ und „dolcissimo“ wie Elgar etwa für die Abschiedsszene von der Seele des Gerontius vorschreibt. Das Zwiegespräch der beiden bis hin zum Duett, immerhin zwischen Engel und der Seele eines Verstorbenen, war ein Höhepunkt. Der von Dortmnder Opernfreunden bewunderte Bass Karl-Heinz Lehner sang eigentlich zwei Partien, im ersten Teil einen Priester, der am Todesbett von Gerontius mit einer Art Litanei den Todesweg begleitete. Im zweiten Teil bat er als Leidensengel (Angel of Agony) ebenfalls litaneiartig Gott um Aufnahme der Seele in den Himmel. In beiden beeindruckte er durch seine raumfüllende Basstimme, im zweiten Teil mit ganz tiefen lang gehaltenen Tönen, dazu begleitet von Trompeten und Chor, noch mächtiger als im ersten. Dabei gelang es ihm zusätzlich, je nach Textinhalt die Stimmfärbung zu variieren.

Hauptträger des vokalen Geschehens waren die Chöre, der Philharmonische Chor des Dortmunder Musikvereins verstärkt durch Mitglieder des Kammerchors Cantamus der Kirchengemeinde Sankt Joseph Münster (Ltg. Winfried Müller), insgesamt mehr als 100 Sängerinnen und Sänger. Weich und intim klangen sie in kleinerer Besetzung (semi-chorus) etwa als „Freunde“ am Krankenbett, auch gekonnt antiphonal der Gregorianik nachempfunden. Wie bei anderen Komponisten haben auch hier Bösewichte fast die tollste Musik. Das war der Chor der Dämonen, in dem sie Heilige verspotten. Bei dem schnellen Tempo und der Akkustik des Kirchenraums waren die einzelnen Chorstimmen der darin enthaltenen „Teufelsfuge“ kaum stimmlich unterscheidbar zu hören, auch das wiederholte spöttische „haha“ hätte verächtlicher klingen können. Besser hörbar war die Mehrstimmigkeit beim sechsstimmigen Frauenchor als Engelschor „praise to the holiest“ (Preis dem Heiligsten in der Höhe) der später achtstimmig für den gesamten Chor in einer gewaltigen Doppelfuge den Herrn vor seinem Erscheinen pries. Nach einem jubelnden „Alleluja“ des Engels bis hin zum hohen a und feierlicher Steigerung des Gerichtsmotivs wurde der kurze Augenblick, in dem die Seele Gott erblickt durch einen fff-Schlag des gesamten Orchesters dargestellt „jedes Instrument mit größter Kraft“ fordert Elgar. Die Kirche bebte und selbst die Statuen des hl. Reinoldus und Karls des Grossen links und rechts über dem Orchester schienen erschüttert.

Danach zeigte der Sänger des Gerontius im Fegefeuer mit lyrischem Legato begleitet vom jetzt wieder ganz sanften Chor der anderen Seelen im Fegefeuer das Warten und Hoffnung auf die Wiederkunft des Herrn. Die versprachen die Engel erneut mit einem entfernt klingenden „Praise to the holiest“, bevor alle zusammen mit „Amen“ die Reise der Seele beschlossen.

Nach einer kurzen Zeit der Besinnung spendeten die ungefähr 650 Zuhörer im ausverkauften Kirchenraum langen Beifall, obwohl die meisten das Stück zum ersten Mal gehört hatten. Es erklangen Bravos für Solisten, Chor und Orchester, allen voran für den Dirigenten, als Dank für dieses eindringliche Hörerlebnis im sakralen Raum.

Sigi Brockmann 6. Juni 2017

Fotos Bülent Kirschbaum

CD Empfehlung: Sir John Barbirolli dirigiert Hallé Choir, Sheffield Philharmonic Chorus Ambrosian Singers und das Hallé – Orchester mit Richard Lewis, Dame Janet Baker und Kim Borg

 

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