DER OPERNFREUND - 51.Jahrgang
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(c) Wiki / own work

 

DIE WALKÜRE

Premiere am 1. Dezember 2019

Der „Ring“ geht platonisch weiter

Vor einem Jahr begann mit dem Vorabend „Das Rheingold“ ein neuer schwedischer „Ring des Nibelungen“ im futuristischen Opernhaus von Göteborg an der Göta, zu dem sich mittlerweile ein weiterer skandinavischer „Ring“ an der Finnischen Nationaloper Helsinki gesellt hat, ebenfalls mit einem beeindruckenden „Rheingold“. Die GöteborgsOperan, ganz und gar dem Primat ökologischer und, wo möglich, auch klimaneutraler Ausrichtung ihrer Tätigkeiten zugetan, setzte den „Ring“ nun mit der „Walküre“ in einem recht schlichten, aber funktionalen Bühnenbild von Alison Chitty fort. Sie entwarf auch die weitgehend zeitgenössischen Kostüme, bei denen immer auch ein wenig auf den modischen Chic geachtet wurde, zumindest bei den Damen Wotans. In diesem Bühnenbild, einem großen Kasten aus Holzplatten mit einem kleineren darin für Sonderaktionen, geht es dem Künstlerischen Direktor des Mehrspartenhauses für Oper und Drama, Stephen Langridge, als Regisseur dieser Tetralogie vor allem um die menschlichen Schicksale. Und diese weiß er auch in der „Walküre“ wieder stark in Szene zu setzen, wenn auch nicht in allen Fällen die Solisten zur Verfügung standen, die dieses Regiekonzept auch vokal vollständig mit Leben hätten erfüllen können. Immerhin ist hervorzuheben, dass die Göteborg Oper auch die gesamte „Walküre“ mit schwedischen Sängern besetzen kann, was heute nicht vielen Häusern in Europa gelingt, aber zuletzt auch an der Sofia Nationaloper zu erleben war. So bilden sich langsam neue Ensembles von Wagner-Sängern heran, auch an Bühnen, die nicht im Wagner-Mainstream liegen und die somit die weiterhin große Nachfrage nach den Werken des Bayreuther Meisters ein entsprechendes Angebot entgegensetzen können.

Im schlichten und aufgrund der enormen Ausmaße der Göteborger Bühne weiten Raum, von Paul Pyant diesmal bei weitem nicht so fantasievoll und spannend ausgeleuchtet, sehen wir im 1. Aufzug noch die Weltesche im Hintergrund, mit einer blutroten Wunde an jener Stelle, der Wotan einst den Speer entschnitten hat. Diese blutende Wunde ist nun auch unter der Binde seines dabei verlorenen Auges zu sehen. Rot ist es auch an seinem Speer, der hier offenbar ebenfalls umweltschutzorientiert gewonnen wurde. Denn dieser gleicht mit seinem noch vorhandenen Astwerk einer Miniatur-Weltesche, also alles andere als dem Speermotiv entsprechend angsteinflößend. Die Hunding-Hütte ist ebenso wie der Aufenthaltsort Wotans im 2. Aufzug nur virtuell durch angedeutete Türrahmen zu denken, die durch eine gelegentlich moderat angelassene Rotation der Drehbühne versetzt werden. Durch die müssen die Auf- und Abtretenden immer hindurch, auch wenn es direkt einfacher wäre. So steht das Bett Hundings, in dem der Betrogene in Tiefschlaf versetzt wurde, erst rechts, und ehe man es sich versehen hat, auf einmal links auf der Bühne…

Wie schon beim Vorabend übernehmen sechs Statisten, drei Damen und drei Herren, unauffällig gekleidet, alle möglichen Hilfestellungen und Nebenaktionen, um das Ganze in Schwung zu halten. So fungieren sie im 3. Aufzug sogar als an Lederzügeln geführte Schlachtrosse der Walküren! Obwohl sie eher unmerklich agieren, bringen sie etwas mehr Leben in die bisweilen doch spröde Szenerie. Exzellent gelingt der so oft vertane Kampf am Schluss des Mittelakts, bei dem Wotan oben mit Gewalt aus einer Türe tritt und mit einer symbolischen Bewegung seines Speeres Siegmund entwaffnet. Sofort werden drei Bruchstücke Nothungs (auch wenn Brünnhilde dann nur zwei mitgehen lässt) von den Statisten demonstrativ in die Höhe gehalten und so die Dramatik der Szene unterstrichen, in der die Waffen, auch der Speer Hundings, nur bewegungssymbolisch und nicht „invasiv“ verwendet werden.

Immer wieder sieht man Stellagen, die menschliche Konturen andeuten, auch bei den gefallenen Helden im 3. Aufzug. Statt der Personen selbst werden diese Stellagen gewissermaßen stellvertretend für die gemeinten Figuren, also symbolisch, zerstört, was der Optik eine gewisse Metaphysik verleiht, die das Ganze auf eine höhere Ebene hebt. Dazu passt auch ein Schriftzug „FRIHET“, schon zu Beginn auf der Hinterwand, FREIHEIT also, dem bald das Wort „LAGEN“ gegenübergestellt wird. Denn als Siegmund gefallen ist, streichen die Statisten „FRIHET“ durch, denn „LAGEN“ heißt GESETZ, wie mir meine Sitznachbarin auf Anfrage erklärte. Damit war alles gesagt!

Interessant ist auch Langridges Deutung des Heldenkonzepts in der „Walküre“. Er hebt hervor, dass Wotan eben einen freien Helden braucht, um den Fortbestand seiner Herrschaft zu sichern, und damit einen Menschen. Die Götter haben versagt und brauchen nun in einer Umkehr der üblichen Macht- und Lösungshierarchie Mensch-Gott die Menschen, um die Fehler der Götter zu bereinigen. So erscheint es nachvollziehbar und sinnvoll, dass wir im Walkürenritt auf der Wand hinter den Motorradbehelmten Maiden Fotos von prominenten Größen unserer - menschlichen - Zeit sehen, wie den Dalai Lama, Nelson Mandela, David Attenborough, Astrid Lindgren and andere Prominente. Dazu Bilder von lebenden oder bereits verstorbenen Angehören und Freunden der Belegschaft der Göteborg Oper, die der Regisseur um solche Beiträge bat - ein unkonventionelles, aber interessantes Vorgehen und so richtig skandinavisch demokratisch. Der Schluss ist dann ebenso klassisch wie optisch eindrucksvoll: Die schlafende Brünnhilde steigt auf einem Felsbrocken in die Höhe, der bald von einem Feuerring umgeben wird - Wotan geht langsam ab.

Womit wir zur musikalischen Seite der Aufführung kommen, die stimmlich, aber auch was die Tempi angeht, etwas zu wünschen offen ließ. Anders Lorentzson war wohl im „Rheingold“ ein guter Wotan, konnte als „Walküre“-Wotan die hier viel größeren vokalen Herausforderungen aber nur teilweise erfüllen. Sein Bassbariton hat zu wenig Volumen und Facettierungspotenzial für die emotionalen Gratwanderungen der Rolle, auch wenn er sie darstellerisch überzeugend meisterte. Annlouice Lögdlund erlebte ich bereits als Brünnhilde 2011 im schwedischen Karlstadt. Damals noch mit signifikantem dramatischem Aplomb, sang sie die Wotanstochter nun eher lyrisch mit recht hellem Timbre, dem für mehr vokale Ausdruckskraft die tieferen Töne fehlten. Auch sie war schauspielerisch sehr engagiert. Katarina Karnéus gab eine zeternde matronenhafte Fricka mit einem guten, aber nicht allzu großen Mezzo bei perfekter und ausdrucksstarker Diktion. Mats Almgren sang den Hunding mit einem etwas verquollen klingenden Bass. Der Loge des „Rheingold“, wo sein ins Charakterfach weisender Tenor gut passte, war nun Siegmund. Brenden Gunnell erwies sich aufgrund dieser Lage nicht unbedingt als beste Wahl und agierte auch zu uncharismatisch, ja bisweilen langweilig. Zudem war er nachteilhaft maskiert und sah etwa aus wie Rübezahl - oder sollte er ein Wikinger sein aus dem Nachbarland?! Seine Partnerin als Sieglinde, Elisabet Strid, auch international bis nach Bayreuth gefeierter Wagner- und Richard Strauss-Sopran, war hingegen die einzige der Protagonisten, die alle Anforderungen der gesanglichen Gestaltung ihrer Rolle erfüllte. Viel stimmlicher und mit entsprechender Mimik gepaarter Ausdruck bei besten Höhen und auch charaktervoller Tiefe sowie zum Schluss ein berührendes und aus vollem Herzen gesungenes „Hehrstes Wunder…“ ließen keine Wünsche offen! Die Walküren waren stimmlich weitgehend einwandfrei und legten mit am Ende knallenden Bierflaschen eine Sondernummer als Walkürenritt hin.

Der Göteborger GMD, Evan Rogister, dirigierte das Göteborg Opernorchester und wählte einen leichten federnden Klang, der recht gut zum allgemeinen optischen Eindruck passte, aber im 1. Aufzug und über Strecken des zweiten mit allzu langsamen Tempi daher kam. Das wirkte gerade im 1. Aufzug, der doch der aufregendste des ganzen „Ring“ ist, zeitweise nahezu lähmend. Erst ab dem Walkürenritt kam dann auch ein gewisses musikalisches Pathos auf, und die Balance zwischen Musik und Bühne stimmte bestens.

Es wäre zu wünschen, dass sich das leading team für den „Siegfried“ im kommenden Jahr etwas mehr einfallen lässt, am besten zur dramaturgischen und optischen Qualität des „Rheingold“ zurückfinden könnte. Vielleicht sollte man es auch mit der ökologischen Ausrichtung dieses „Ring“ etwas lockerer nehmen. Dafür muss dann auch nicht gleich Greta Thunberg schon „als Heldin in unserem Walhall“ sein, wie der Regisseur es mit einem gewissen Lokalpatriotismus und einem kräftigen „Hojotoho“ im Programmheft kundtut…                                                                                            

Klaus Billand/3.1.2019

www.klaus-billand.com

Fotos: Lennart Sjöberg

                                                                                                               

 

DAS RHEINGOLD

Premiere 17. November 2018

Gelungener Start eines neuen nordischen Rings

Schon im April 2007 erlebte ich in der erst 1994 am Hafen entstandenen Göteborgs Operan einen sehr gelungenen „Parsifal“ in der Neuinszenierung von Yannis Houvardas. Das nun beginnende Großprojekt des in jeder Hinsicht beeindruckenden Hauses, Richard Wagners „Ring des Nibelungen“, bis 2021 innerhalb von vier Jahren zu inszenieren, war also mehr als Grund genug, wieder nach Göteborg zu fliegen. So stand die Premiere des Vorabends „Das Rheingold“ auf dem Programm. Die Erwartungen wurden ebenso erwartungsgemäß nicht enttäuscht. Der Künstlerische Direktor des Mehrspartenhauses für Oper und Drama, der auch in der Wagner-Szene keineswegs unbekannte Stephen Langridge, übernahm die Regie der Tetralogie mit Alison Chitty als Bühnenbildnerin und Kostümdesignerin, und dem Lichtdesigner Paul Pyant, dessen phantastischer Arbeit bei dieser Produktion eine ganz große Rolle zukommt.

 

Die Göteborgs Operan hat sich damals nicht nur beim Bau des Hauses sondern auch in ihren laufenden Produktionen mit größtem Interesse der Umweltverträglichkeit verschrieben. Das geht hinein bis ins kleinste Detail des mit 1.300 Plätzen ausgestatteten Hauses am Ufer der Göta. Die Umweltverträglichkeit des Hauses wurde als einzigem Theater in Nordeuropa mit dem Zertifikat der EMAS ausgezeichnet. Auf dem Dach befinden sich Solarpaneele in der Größe von beinahe drei Tennisplätzen! Der „Ring“ von 2018-2021, dem Jahr des 400. Geburtstags der Stadt Göteborg, soll ebenfalls eine ökologisch nachhaltige Produktion werden - eine „grüne Oper“! Mit Natalja Koniouchenkova hat man dafür sogar einen Environmental Project Coordinator verpflichtet!

Im Rahmen eines Künstlergesprächs am 7. November erzählte die Ausstatterin Alison Chitty, wie sie über allerlei Recycling-Höfe gewandert ist, um second hand Klamotten für die Kostüme und zum Recycling freigegebenes Baumaterial für die Bühnenbilder zu suchen. Sie war überrascht, was da alles zu holen war. Und man glaubt es kaum, wenn man die Bühnenbilder und Kostüme sieht, dass diese offenbar fast kostenneutral besorgt bzw. erstellt wurden. Das einzige, was sogleich als doch relativ schlicht auffällt, ist der riesige Bühnenkasten aus unbemalten Pressspanplatten.

Sie werden bekanntlich aus dem Abfall von Holzzuschnitten hergestellt. Aber daran gewöhnte man sich schnell auf der Riesenbühne mit einem Proszeniumsausschnitt von 20 mal 9 Metern und einer Gesamtbühnenfläche von 1.900m2, die an das Salzburger Festspielhause erinnert. Schon bevor es los geht, sieht man auf einem transparenten Vorhang die schwedischen Worte „HUR ALLT BÖRJADE“, i.e. „Wie alles begann“, also passend zum Thema des Vorabends. Einige Statisten stehen, bzw. sitzen bereit für Umbauarbeiten der Bühne, um die drei kommenden Bilder des „Rheingold“ im Fluss mit der Musik umzugestalten. Das läuft perfekt und wirkt keinen Moment störend. Ja, es vermittelt unterschwellig den Eindruck einer offenen, ja „demokratischen“ Inszenierung, in der wir Zuschauer scheinbar mitmachen - ein insbesondere in Skandinavien relevanter Topos. Man hat mit Annika Lindqvist sogar einen sog. Bewegungsinstrukteur verpflichtet.

Trotz der somit relativ nüchternen Bühnenästhetik versteht das leading team den Zuschauer unmittelbar in das Stück hineinzuziehen. Obwohl „Das Rheingold“ noch nicht von Menschen handelt, möchte der Regisseur die Handlung, die Figuren und Elemente auf die menschliche Ebene ziehen, auch um zu zeigen, wie wir Menschen uns untereinander und gegenüber der Natur verhalten.

Natürlich schwebte Wagner auch im „Rheingold" schon die Vermenschlichung seiner „Rheingold“-Figuren vor, hier wird es aber auch bildlich vollzogen. So sehen wir schon während des Es-Dur Akkords aus dem weiten Graben (bis zu 100 Musiker) Menschen aller Provenienz langsam von links nach rechts über die Bühne schreiten, bisweilen durch Spiegelung verdoppelt, womit der langsam dahin fließende Rhein personifiziert werden soll. Ähnlich, aber statischer, hat es schon Andreas Kriegenburg im Münchner „Ring“ gemacht. Auch das Rheingold wird hier personifiziert. Es ist ein total vergoldeter Junge, der sich immer wieder aktiv in das Geschehen einmischt, so zu Beginn mit den Rheintöchtern im Goldglanz tanzt. Im Hintergrund der „Rheinwanderer“ ist ein sich küssendes junges Paar zu sehen, unter einer geschlossenen Metallumrandung, offenbar natürliche Harmonie symbolisierend. Wenn Alberich auf die Szene tritt, lässt er diese Umrandung kurzerhand durch das Bühnenpersonal auseinander reißen - das Unheil hat begonnen! Gleichzeitig begibt Wotan sich zur Weltesche, die am Bühnenhintergrund noch voll beblättert steht, und dort das ganze Stück auch stehen bleibt, und schneidet den berühmten Ast ab - dabei ein Auge verlierend. Man sieht eine rötlich leuchtende Narbe, also eine blutende Wunde am Stamm. Auch durch Wotan ist also ein Bruch mit der unversehrten Natur geschehen, freilich aus etwas anderen Motiven als den niederen von Alberich. Beiden aber geht es um die Kontrolle der Welt, also um Macht. Stephen Langridge akzentuiert hier, was die Hauptaussage seiner „Ring“-Interpretation zu werden scheint: Wer der Welt Schaden zufügt, schadet der Menschheit. Was könnte derzeit aktueller sein als diese Erkenntnis, in fast jeder Hinsicht?!

Im weiteren Verlauf tritt dann eine Gruppe von Metalltreppen hinzu, die zu immer neuen Konstellationen zusammen gestellt werden und so Abstufungen und erhöhte Mobilität auf der Bühne erlauben. Einfache Metallrahmen dienen zur Festsetzung der Götter auf der immer wieder in Gang gesetzten Drehbühne, während Wotan und Loge in Nibelheim sind, wohin sie durch eine Öffnung im Boden über eine Leiter hinab steigen. Freia wird in einem Glaskasten völlig - fast völlig- mit Säcken von Gold überhäuft. ZU all dem ist nun die wirklich phantastische Lichtregie von Paul Pyant hervorzuheben, die über einen Scheinwerfer-Kranz über der Bühne die Szenen in eindrucksvolle, immer wieder auch intensive Farben taucht, total im Einklang mit der jeweiligen Aussage, ja, man meint manchmal auch im Einklang mit Wagners Leitmotiven… Das Licht wird in Göteborg zum dramaturgischen Stilmittel bei einem Regieansatz, der sich vornehmlich auf das sog. story telling konzentriert, aber mit selten oder gar noch nie erlebten, immer aber schlüssigen Ideen und stets treu Wagners Botschaften. In Göteborg wird einmal mehr gezeigt, wie überzeugend man den „Ring“ mit modernen Stilmitteln des Theaters und neuen Ideen in Szene setzen kann, ohne auf banale und die oft schon postmodernen stereotypen Elemente des sog. Wagnerschen Regietheaters zu setzen. Bei völliger Abwesenheit von Uniformen, Schiebermützen und Koffern kommt diese Produktion mit relativ wenigen Mitteln aus und hat das Göteborger Opernpublikum mit Begeisterung überzeugt.

Auch im musikalischen Bereich gibt es nur Gutes zu berichten. Es ist schon bemerkenswert, dass die Göteborgs Operan die meisten Rollen mit dem Ensemble besetzen kann. Anders Lorentzson spielt einen souveränen Wotan und singt ihn auch mit einem entsprechenden, klar intonierenden und bestens phrasierenden Bassbariton. Dem darstellerisch ungemein agilen Alberich von Olafur Sigurdason mangelt es eben an dieser Phrasierung seines kräftigen Baritons ein wenig, der damit etwas zu einsilbig klang, aber sehr höhensicher ist. Er gab aber eine gute Rollenstudie nach einem totalen Zusammenbruch infolge des Verlusts des Rings durch Abhacken des Fingers und wartete danach mit einem eindrucksvollen Fluch auf. Brenden Gunnell war mit einem kräftigen, ins Charakterfach weisenden Tenor ein erstklassiger Loge, absolut auf Augenhöhe mit Lorentzson. In rotem Gewand mit Zylinder bei bester Diktion trieb Gunnell mafiös das Interesse der Götter voran. Allein damit war die Dynamik dieses „Rheingold“ schon gesichert. Mit einem klangschönen, lyrisch timbrierten Bass wartete Henning von Schulmann als Fasolt auf, der sich damit für höhere Weihen empfahl. Sein Bruder Fafner war Mats Almgren mit einem etwas verquollenen Bass-Timbre. Die Riesen trugen die gelben Warnwesten, die man vor einigen Tagen bei den „Gilets jaunes“ in Paris sehen konnte… Katarina Karnéus sang mit klangvollem Mezzo eine bourgeoise Fricka. Carolina Sandgren überzeugte als Freia mit einem jugendlichen klaren Sopran und guter Mimik. Tomas Lind sang einen Froh mit etwas nasalem Tenor, Mats Persson einen prägnanten Donner und Daniel Ralphsson einen ansprechenden Mime. Auch die drei Rheintöchter sangen und agierten auf erfreulichem Niveau, i.e. Mia Karlsson als Woglinde, Frida Engström als Wellgunde und Ann-Kristin Jones als Flosshilde. Eine besondere Rolle kommt der Erda in dieser Produktion zu. Sie liegt schon von Beginn an in einem Glaskasten an der Bühnenseite und scheint das Treiben, nichts anderes als die Entwicklung der (damaligen) Welt, im Schlaf zu registrieren.

Bei ihrem großen Auftritt kam es zu einer überaus zärtlichen und in die Zukunft weisenden Annäherung an Wotan, der danach emotional zusammenbricht - ein ganz starker Moment! Danach legte sie sich wieder in ihren Glaskasten zum Schlaf… Hege Hoisaeter sang die alles im Blick habende Urmutter mit warm timbrierten Mezzo.

Evan Rogister dirigierte das Göteborgsoperans Orkester mit relativ schnellen Tempi, die das lebhafte Geschehen auf der Bühne bestens in musikalische Dimensionen übersetzten. Hier wurde offenbar sehr gut geprobt, denn das Orchester, das vor Jahren schon mal Bekanntschaft mit der „Walküre“ gemacht hatte, ließ großes Verständnis für die Musik des Bayreuther Meisters erkennen.

Im Finale stellte sich der Regenbogen als rotierender Ring um die Szenerie dar, auf dem die Haushalsgüter Walhalls aus Plastik in den Farben der bunte Himmelserscheinung liegen – darunter auch der Goldjunge… Man dachte sofort an Rosalies Regenbogen aus Plastikeimern weiland in Bayreuth. Man kann jedenfalls gespannt auf die „Walküre“ in etwa einem Jahr sein. (weitere Aufführungen: 2., 5., 7., und 9.12.2018).  

                                  

Fotos (c) Mats Bäcker

Klaus Billand  30.11.2018

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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