DER OPERNFREUND - 51.Jahrgang
Dies ist das OPERNFREUND-Archiv
Alle neuen Kritiken erscheinen ab sofort auf unserer neuen Website
Startseite
Unser Team
Impressum/Copyright
---
Alle Premieren 22/23
Kontrapunkt
Die OF-Schnuppe :-(
Der OF-Stern * :-)
OF Filmseite
Silberscheiben
CDs DVDs
OF-Bücherecke
Oper DVDs Vergleich
Musical
Genderschwachsinn
Oper im TV
Nachruf R.i.P.
Et Cetera
-----
Aachen
Aarhus
Abu Dhabi
Bad Aibling
Altenburg Thüringen
Altenburg Österreich
Amsterdam DNO
Amsterdam Th. Carré
Amst. Concertgebouw
Andechs
Annaberg Buchholz
Ansbach
Antwerpen
Arnheim
Aschaffenburg
Athen
Athen Onassis Cultur
Augsburg
Avignon
Bad Hersfeld
Bad Ischl
Bad Kissingen
Bad Lauchstädt
Bad Reichenhall
Bad Staffelstein
Baden bei Wien
Baden-Baden
Badenweiler
Baku
Bamberg
Barcelona
Basel Musiktheater
Basel Sprechtheater
Basel Ballett
Bayreuth Festspiele
Bayreuth Markgräfl.
Pionteks Bayreuth
Belogradchik
Bergamo
Berlin Livestreams
Berlin Deutsche Oper
Berlin DO WA
Berlin Staatsoper
Berlin Staatsoper WA
Berlin Kom. Oper
Berlin Kom. Oper WA
Berlin Neuköllner Op
Berlin Konzerte
Berlin Sonstiges
Berlin Ballett
Bern
Bern Sprechtheater
Biel
Bielefeld
Bochum Ruhrtriennale
Bochum Konzerte
Bochum Sonstiges
Bologna
Bonn
Ära Weise 2003-2013
Bonn Sonstiges
Bordeaux
Bozen
Brasilien
Bratislava
Braunschweig
Braunschweig Konzert
Braunschweig openair
Bregenz Festspiele
Bregenz Sonstiges
Bremen
Bremen Musikfest
Bremerhaven
Breslau
Briosco
Britz Sommeroper
Brixen
Brühl
Brünn Janacek Theate
Brünn Mahen -Theater
Brüssel
Brüssel Sonstige
Budapest
Budap. Erkel Theater
Budapest Sonstiges
Buenos Aires
Bukarest
Burgsteinfurt
Bytom Katovice
Caen
Cagliari
Casciana
Chemnitz
Chicago Lyric Opera
Chicago CIBC Theatre
Coburg
Coburg Joh. Strauss
Coesfeld
Colmar
La Coruna
Cottbus
Crevoladossola
Daegu Südkorea
Darmstadt
Dehnberg
Den Haag
Dessau
Dessau Weill Fest
Detmold
Dijon
Döbeln
Dornach
Dortmund Ballett
Dortm. Konzerthaus
Dortmund Sonstiges
Dresden Semperoper
Dresden Operette
Dresden Sonstiges
Dresden Konzert
Duisburg
Duisburg Sonstiges
MusicalhausMarientor
Düsseldorf Oper
Rheinoper Ballett
Düsseldorf Tonhalle
Düsseldorf Sonstiges
Schumann Hochschule
Ebenthal
Eggenfelden
Ehrenbreitstein
Eisenach
Ekaterinburg
Enschede
Erfurt
Erl
Erlangen
Essen Aalto Oper
Essen Aalto Ballett
Essen Aalto WA
Essen Phil 2
Essen Phil 1
Essen Folkwang
Essen Sonstiges
Eutin
Fano
Fermo
Flensburg
Florenz
Frankfurt
Frankfurt WA
Bockenheimer Depot
Frankfurt Sonstiges
Frankfurt Alte Oper
Frankfurt Oder
Freiberg
Freiburg
Füssen
Fürth
Fulda
Sankt Gallen
Gelsenkirchen MiR
Genova
MiR Ballett
Genf
Gent
Gera
Gießen
Glyndebourne
Görlitz
Göteborg
Gohrisch
Gotha Ekhof-Festsp.
Graz
Graz Styriarte
Graz Konzerte NEU
Graz Sonstiges
Gstaad
Gütersloh
Hagen
Halberstadt
Halle
Halle Händelfestsp.
Hamburg StOp
Hamburg StOp Wa
Hamburg Konzert
Hamburg Sonstige
Hamm
Hanau Congress Park
Hannover
Hannover Sonstiges
Heidelberg
Heidenheim Festsp.
Heilbronn
Heldritt
Helgoland
Helsinki
Hildesheim TfN
Hof
Hohenems
Gut Immling
Ingolstadt
Innsbruck Landesth.
Innsbruck Festwochen
Jekaterinburg
Jennersdorf
Kaiserslautern
Karlsruhe
Karlsruhe Händel
Opera Europa Bericht
Kassel
Kawasaki (Japan)
Kiel
Kiew
Klagenfurt
Klosterneuburg
Koblenz
Köln OperStaatenhaus
Wa Oper Köln
Köln Konzerte
Köln Musical Dome
Köln Sonstiges
Konstanz Kammeroper
Kopenhagen
Kosice
Krummau a.d. Moldau
Krefeld
Krefelder Star Wars
Kriebstein
Landshut
Langenlois
Bad Lauchstädt
Lech
Leipzig Oper
Leipzig Mus. Komödie
Leipzig Ballett
Leipzig Konzert
Leipzig Sonstiges
Lemberg (Ukraine)
Leoben
Leverkusen
Lille
Linz/Donau
Linz Sonstiges
Ljubljana/Laibach
Loeben
London ENO
London ROH
London Holland Park
Lucca
Ludwigshafen
Luisenburg
Lübeck
Lübeck Konzerte
Lübecker Sommer
Lüneburg
Lüttich/Liège
Liege Philharmonie
Luxemburg
Luzern
Luzern Sprechtheater
Luzern Sonstiges
Lyon
Maastricht
Macerata
Madrid
Magdeburg
Mahon (Menorca)
Mailand
Mainz
Malmö
Malta
Mannheim
Mannheim WA
Mannheim Konzert
Maribor/Marburg
Marseille
Martina Franca
Massa Marittima
Meiningen
Melbourne
Meran
Metz
Minden
Mikulov
Minsk
Miskolc
Modena
Mönchengladbach
Mörbisch
Monte Carlo
Montevideo
Montpellier
Montréal
Moritzburg
Moskau Bolschoi N St
Moskau Sonstige
München NT
München Cuvilliés
MünchenPrinzregenten
München Gärtnerplatz
München Ballett
München Sonstige
Münster
Münster Konzerte
Muscat (Oman)
Nancy
Nantes
Neapel
Neapel Sonstiges
Neuburger Kammeroper
Neuburg/Donau
Neustrelitz
Neuss RLT
New York MET
Nizhny Novgorod
Nordhausen
Novara
Nürnberg
Nürnberg Konzerte
Oberammergau
Oberhausen
Odense Dänemark
Oesede
Oldenburg
Ölbronn
Oesede (Kloster)
OperKlosterNeuburg
Oslo
Osnabrück
Ostrau
Palermo
Palma de Mallorca
Paraguay
Paris Bastille
Paris Comique
Paris Garnier
P. Champs-Elysées
Théâtre du Châtelet
Paris Ballett
Paris Philharmonie
Paris Versailles
Paris Sonstiges
Paris Streaming
Parma
Passau
Pesaro
Pfäffikon
Piacenza
Pisa
Pforzheim
Plauen
Posen
Potsdam
Prag Staatsoper
Prag Nationaltheater
Prag Ständetheater
Radebeul
Raiding
Rathen Felsenbühne
Recklinghausen
Regensburg
Reggio Emila
Reichenau
Remscheid
Rendsburg
Rheinsberg
Rheinberg
Riga
Riehen
Rosenheim
Rouen
Rudolstadt
Ruhrtriennale
Saarbrücken
Saint Etienne
Salzburg Festspiele
Salzburg LT
Salzburg Osterfestsp
Salzburg Sonstiges
San Francisco
San Marino
Sankt Margarethen
Sankt Petersburg
Sarzana
Sassari
Savonlinna
Oper Schenkenberg
Schloss Greinberg
Schwarzenberg
Schweinfurt
Schwerin
Schwetzingen
Sevilla
Singapur
Sofia
Solingen
Spielberg
Spoleto
Staatz
Stockholm
Stralsund
Straßburg
Stuttgart
Stuttgart Ballett
Sydney
Szeged (Ungarn)
Tampere (Finnland)
Tecklenburg
Tel Aviv
Teneriffa
Toggenburg
Tokyo
Toulon
Toulouse
Tours
Trapani
Trier
Triest
Tulln
Turin
Ulm
Utting
Valencia
Valle d´Itria
Venedig Malibran
Venedig La Fenice
Verona Arena
teatro filarmonico
Versailles
Waidhofen
Weimar
Wels
Wernigeröder Festsp.
Wexford
Wien Staatsoper
Wien TadW
Wien Volksoper
Wien Kammeroper
Wien Konzerte
Wien Ballett
Wien Sonstiges
Wiesbaden
Wiesbaden Wa
Wiesbaden Konzert
Bad Wildbad
Winterthur
Wolfenbüttel
Wolfsburg
Wunsiedel
Wuppertal
Würzburg
Zürich
Zürich WA
Zürich Ballett
Zürich Konzert
Zwickau
---
INTERVIEWS A - F
INTERVIEWS G - K
INTERVIEWS L - P
INTERVIEWS Q - Y
---
DIVERSITA:
YOUTUBE Schatzkiste
HUMOR & Musikerwitze
Opernschlaf
Facebook
Havergal Brian
Korngold
Verbrannte Noten
Walter Felsenstein
Unbekannte Oper
Nationalhymnen
Unsere Nationalhymne
Essays diverse
P. Bilsing Diverse
Bil´s Memoiren
Bilsing in Gefahr

Unsere OPERNFREUND KINO SEITE

Hochgeschätzte  Opernfreunde!

Musiktheater hat viel und oft mit Kino zu tun ! -

Gute Filme sind wie Opern. Fast jeder gute Film ist daher auch immer ein Kunstwerk. Spiel mir das Lied vom Tod, Once upon a time in the west oder gar Hallowween pars pro toto sind für mich Opern. Durchdramatisierte Handlung mit guter Musik - nur halt eben ohne Gesang. Das Libretto isr ein gutes Drehbuch. Wir berichten über lohnenswerte Filme. Auch und besonders in Corona-Zeiten über ewige Klassiker aus meiner Privaten Kollektion ;-) die man nicht kaufen muss, sondern oft heutzutage preiswert streamen kann.

Über aktuelle Filme berichtet weiterhin eine der besten Opern-, Theater- und Fimkritikerinnen Europas, Dr. Renate Wagner (Wien)

 

Viel Spass im Kino und zuhause              wünscht Ihr Peter Bilsing (Hrg.)

 

 

Am 31. Oktober kann es nur einen Film geben

 

Liebe Opern- und Filmfreunde, sowie Liebhaber guter Filmmusik,

 

1978 war das Jahr eine Maßstäbe setzenden Grusel-Klassikers. John Carpenters Halloween. Eine ausgesprochen preiswerte Produktion. Ich benutze absichtlich das Wort Gruselfilm, da mir Schocker nicht nur einfach zu abgegriffen ist, sondern heute Symbol für schwachsinnige Splatter (Metzger) Filme allerunterster Schublade. Horrorfilm greift mir zu weit, denn ich denke, dass man die hier erwähnten Filme durchaus ab 12 Jahren auch Jüngeren zeigen kann. Meine Kinder haben es gut vertragen. Zombiefilme sind für mich Müll.

 

Weitere Beispiele für richtig gute Gruselklassiker sind Murnaus Nosferatu, Mary Shelleys Frankenstein (alte schwarweiss Version), Bram Stokers Dracula (dito), Polanskis Rosemaries Baby, Hitchcocks Psycho, Carpenters The Fog, Peter Blattys Exorzist, Thomas Harris Das Schweigen der Lämmer, Carpenters Carrie oder Kubricks Shining. Alles sind Filme oder Buchumsetzungen, die auch und besonders von toller qualitativer Musik leben. Zusätzlich über die Musik, Kamera und Schnitt zu sprechen, sprenge hier den Rahmen.

 

Kommen wir zu Halloween. Der Film war so erfolgreich, dass bis dato 12 Sequels folgten – inhaltlich einzuordnen von Schwachsinn bis "gerade noch erträglich". Ein Sequel ist fast immer schlecht. Es gibt allerdings eine Ausnahme Psycho 2. Aber nur, weil der große Anthony Perkins weiter zur Verfügung stand.

 

Entscheidend ist immer das Ende. Und hier war Halloween einfach genial. Michael Myers wird von seinem Psychiater regelrecht abgeknallt mit vollem Magazin, wankt und fällt aus dem zweiten Stock in den Garten. „Es ist vorbei“ beruhigt er die geschockte Jamie Lee Curtis. Dann hören wir die einfachste und beste Filmmusik aller Zeiten, die einfach nur aus drei Noten am Piano Forte wie von einem Kind geklimpert klingt, und wissen, währen die Kamera ganz langsam aus dem Fenster fährt, da stimmt was nicht… Danke an YOUTUBE

 

John Carpenter setzt in dem Urfilm dieses einfache musikalische Thema brillant ein und foppt öfter die Kinozuschauer, die erwarten nämlich immer bei diesem Motiv das Auftreten des Killers. Es zeigt sich, dass die Spannung, das Gruseln und die Gänsehaut praktisch oft allein durch Musik erzeugt werden kann. Insoweit ist Halloween  gar nicht so brutal und nicht mit vielen Leichen übersäht, wie die Nachfolger.

 

Opernfreunds-Geheim-Tipp: benutzen Sie den VIVALDI BROWSER, dann fällt bei TUBE die lästige Werbung weg.

 

Dann mal "fröhlichen Halloween" Und:

Schauen Sie heute bitte stets hinter sich.

   

Ihr Herausgeber

Peter Bilsing

 

 

 

 

Die „Oscars“ 2021 – die Welt ist nicht mehr weißß

Die Welt sei nicht mehr „weiß“, wurde von der gewaltigen Bewegung der „Political Correctness“ beschlossen, Nun, beschließen kann man manches – aber sie haben es auch durchgesetzt. Wogegen man von Rechts wegen nichts sagen kann. Zumal in den USA sind Schwarze, Latinos und Asiaten, die ihren großen Anteil an dieser Nation stellen, zu lange in die zweite oder dritte Reihe gestellt worden. Man versteht schon, dass da Änderungsbedarf besteht.

oscar

Andererseits muss man nicht übertreiben – „PoC“, People of Color, wie man nun korrekt anstelle von „Farbige“ sagt, konnten in Amerika Präsident werden, in Großbritannien der erfolgreichste Rennfahrer der Welt, weiters (und sie ist eine Frau, auch den Unterdrückten zuzuzählen) die erfolgreichste Moderatorin des US-Fernsehens, ja, und in die königliche Familie Großbritanniens haben PoCs auch hineingeheiratet. (Ja, ich weiß, ich weiß, was dazu zu sagen ist – aber „Duchess of Sussex“ ist sie, und dazu muss die Queen ja gesagt haben.)

Im amerikanischen Filmgeschäft haben sich „schwarze“ Künstler und vor allem „schwarze Themen“ immer mehr Raum erobert. Wenn sie nicht ausreichend vertreten waren (etwa bei früheren „Oscar“-Verleihungen), gingen die Wogen hoch. Von dem Radau, mit dem Denkmäler gestürzt wurden, weil man Vergangenheit, die man plötzlich als „böse“ anklagt, posthum ächten will, möchte ich gar nicht reden.

Nein, es ist richtig, dass die Welt in ihren Chancen vielfältiger geworden ist (wenn auch eine Ungerechtigkeit durch die andere ersetzt wird und nun alle Weißen unter dem Rassismus-Generalverdacht stehen und attackiert werden müssen). Was erzählt uns die diesjährige „Oscar“-Verleihung?

Regie-Oscar für eine junge Frau (auch diese sind ja immer noch Minderheiten, wenn es auch nicht gar so schlimm ist – von Thatcher bis Merkel haben sie sich in der Politik „ganz oben“ ganz wacker gehalten). Sie ist Asiatin, ebenso wie die Preisträgerin der besten Nebenrolle. Wie man weiß, gab es in den USA in letzter Zeit nicht nur Attacken gegen Schwarze, sondern auch Asiaten (Attacken gegen Juden sind derzeit eher in Europa zuhause…).

Dazu ein Schwarzer als bester Nebenrollendarsteller. Und in den Hauptrollen zwei Schauspieler, die nicht zum gelackten Mainstream gehören.

Doppelt gegen den Strich gebürstet ist der Auslands-„Oscar“: Denn dass ein Regisseur das Trinken (das Besäufnis bis zur Besinnungslosigkeit) nicht a priori verdammt, sondern differenziert betrachtet – wie findet man denn das? Politisch korrekt ist es nicht. Es ist „anders“. Hollywood will anders sein. So schön, glamourös und unbeschwert, wie es einmal war – das wird es wohl nie wieder sein.

Die 38jährige Chinesin Chloe Zhao ist die erste nicht-weiße Frau, die den „Oscar“ für den besten Film und die beste Regie bekam (ihr Drehbuch war auch nominiert). Ob „Nomadland“, der Film über das Schicksal einer in ihrem Tramper „heimatlos“ durch die USA ziehenden Frau, so übermäßig gut ist – er passt jedenfalls bis ins Detail in die heute „stimmende“ Weltanschauung, wo die bösen Großen (früher gerne Filmhelden) verachtet und die armen Kleinen liebevoll betrachtet werden. Und wenn auch Frances McDormand mit ihrem verbissenen Gesicht meist sich selbst spielt – sie zieht sich die Rolle an wie ein Kleid, das ihr angegossen passt. Fazit: Hauptrollen-„Oscar“.

Dass Anthony Hopkins 29 Jahre nach seinem ersten Hauptrollen-„Oscar“ (für das Monster Hannibal Lecter) einen weiteren erhielt, ist auf jeden Fall verdient, der Mann ist ein ganz, ganz Großer des Kinos. Das hat sogar einen europäischen Hintergrund. Denn „The Father“ kennen wir als „Der Vater“ des auch bei uns viel gespielten französischen Autors Florian Zeller, bearbeitet von dem viel gespielten britischen Autor Christopher Hampton, die beide den „Oscar“ für das beste adaptierte Drehbuch erhielten. Nun spielt sich ein Alzheimer-Vater für Hopkins so vom Blatt wie die Prekariatsfrau für Frances McDormand, es gab wahrlich  interessantere Leistungen (zumindest Carey Mulligan in „Promising Young Woman“ oder Gary Oldman in „Mank“, dem Film, der bei den „Oscars“  so völlig durchgefallen ist wie bei den „Golden Globes“ – böses Netflix, oder was?)

„PoC“-Darsteller für die Nebenrollen, Youn Yuh Jung in dem koreanisch-amerikanischen, auch so korrekten Film „Minari“ über eine koreanische Familie, die in den USA eine Farm betreibt, und Daniel Kaluuya in „Judas and the Black Messiah“, wo er den Anführer der Black-Panther-Bewegung spielt, der vom FBI ausgehebelt wurde. Dafür gab es schon bei den „Golden Globes“ den Nebenrollen-Preis.

Ja, und dann als bester fremdsprachiger Film „Another Round“ von Thomas Vinterberg, dänischer Originaltitel „Druk“, den wir unter dem Titel „Der Rausch“ sehen werden. „Moralisch“ anfechtbar, aber hoch interessant, wenn sich der Regisseur im Namen einer Handvoll Intellektueller den Kopf zerbricht, ob Alkohol nicht ein Ausweg aus der Öde des Lebens sein könnte…

Alle „Oscar“-Filme sind mehr oder minder sehenswert und werden, so es die Verhältnisse wollen, nach und nach in die Kinos kommen. Und bei Netflix kann man „Mank“ (der mit zehn Nominierungen an der Spitze lag!!!!) erwerben – mit bester Ausstattung und Kamera beim „Oscar“ beschämend abgetan, ist dieser Film über die Entstehung des „Citizen Kane“-Drehbuchs ein wirkliches Vergnügen für Cineasten.

 

Renate Wagner, 4.5.2021

 

 

DIE GOLDEN GLOBES 2021

Die Sieger

 

„Nomandland“
Best Motion Picture – Drama
Best Director — Motion Picture: Chloe Zhao

Diese Entscheidung verwundert nicht wirklich, denn erstens ist es ein „politischer korrekter“ Film, wenn es je einen gab (allerdings war es die „Oscar“-Academy, die diese strenge Vorgabe erließ und damit zeigte, dass die lockeren Filmzeiten ein- für allemale vorbei sind). Und zweitens ist es ein guter, überzeugender Film. Die chinesisch-amerikanische Regisseurin Chloe Zhao blendet gänzlich unsentimental in das Leben einer weißen Unterschicht am Beispiel einer Frau, die in ihrem Wohnwagen durch die USA „nomadet“ und sich mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser hält (in einer Passage klebt sie auch im Akkord Pakete für Amazon zu). Nominierungen für bestes Drehbuch und beste Hauptdarstellerin gab es auch noch, ebenfalls nicht überraschend, Frances McDormand ist immer großartig, allerdings mit ihrer kritisch verbissenen Miene auch immer dieselbe (oder soll man sagen: ganz sie selbst)…

 

„Borat Subsequent Moviefilm“
Best Motion Picture — Musical or Comedy
Best Actor in a Motion Picture — Musical or Comedy: Sacha Baron Cohen
Sacha Baron Cohen ist absolut nicht jedermanns Sache, und wenn er Borat und seine Tochter aus dem fernen Kasachstan in die USA schickt, ist auch auf die primitivste und obszönste Weise die Hölle los, wie man es eben von ihm gewöhnt ist. Allerdings ist die Satire auf die USA heute so infernalisch, dass man immer wieder gequält lacht, wenn Borat Schönheitschirurgen, Juden, Republikanern, Feministinnen begegnet, am Ende sogar Rudy Guiliani, und zwischendurch mit Trump-Maske seine Tochter schultert und unbedingt in den USA an einen reichen Mann verschenken will… (schau doch, welche Karriere Milena gemacht hat!) Das erfüllt so sehr auch die Rachegefühle des demokratischen Teils der USA, dass man die Überlegungen der Preiskrönung versteht. Dass Cohen, der als Darsteller allerdings kaum was leistet, bester Schauspieler geworden ist, macht fassungslos. Da hätte noch eher seine Partnerin Maria Bakalova, unter den besten Schauspielerinnen / Comedy nominiert, den Preis verdient… Aber da gab es Bessere.

 

„Minari“
Best Motion Picture — Foreign Language
Komplett seltsam fiel die Wahl für den besten „ausländischen“ Film aus, denn „Minari“ ist eine amerikanische Produktion (!), die allerdings von einer koreanischen Familie handelt, die versucht, in den USA der achtziger Jahre eine Farm zu betreiben. Da aber die Koreaner seit dem Vorjahr, als ihr Film „Parasite“ gleich zweimal den „Oscar“ für den „Besten Film“ erhielt (was beide Male übertrieben war), offenbar schwer in der Gunst der Amerikaner stehen… was soll man sagen? Der dänische Konkurrent wäre in europäischen Augen interessanter gewesen.

 

Chadwick Boseman
Best Actor in a Motion Picture — Drama
Es war ein Akt des Respekts, einen Toten zu ehren – Chadwick Boseman, PoC, bekannt geworden als Comic-Held „Black Panther“ (was mehr eine körperliche als eine darstellerische Leistung war), ist im Vorjahr unvermutet verstorben. Man ehrt ihn für seine Rolle in seinem letzten Film, „Ma Rainey’s Black Bottom“. Die Hauptrolle in diesem Musikfilm über die legendäre schwarze „Ma Raney“ spielte allerdings Viola Davis, als beste Hauptdarstellerin nominiert, aber nicht gewählt.

 

Andra Day
Best Actress in a Motion Picture — Drama
Andra Day, PoC, hierzulande noch nicht bekannt, landete eine große Titelrolle in „The United States vs. Billie Holiday“, die Jazz-Sängerin Billie Holiday, die unter dem Vorwand von Drogenmissbrauch, aber im Grunde aus rassistischer Schikane ins Kreuzfeuer der amerikanischen Bundesbehörden geriet.

 

Rosamund Pike
Best Actress in a Motion Picture — Musical or Comedy
Viele Jahre lang sah man die Britin Rosamund Pike immer wieder auf der Leinwand, ohne je Besonderes zu erwarten oder zu bekommen. Das änderte sich schlagartig 2019 mit ihrer bemerkenswerten Leistung als Marie Curie. Und die Darstellung einer geldgierigen und machtbesessen Frau, die unter strahlend-blondem Lächeln vorgibt, nur das Beste ihrer Mitmenschen im Sinn zu haben (während sie ihre Konten plündern will), ist tatsächlich eine Meisterleistung erster Ordnung. Schade, dass der Film „I Care A Lot“, der so sozialkritisch beginnt, dann in eine Mafia-Posse abrutscht.

 

Daniel Kaluuya
Best Actor in a Supporting Role in Any Motion Picture
Der junge Brite Daniel Kaluuya, PoC, der vor zwei Jahren nachdrücklich in der „schwarzen Bonnie & Clyde“- Version „Queen & Slim“ aufgefallen ist, spielt in „Judas and the Black Messiah“ als Fred Hampton zwar eher die Haupt- als die Nebenrolle, aber das wiederholt sich bei der weiblichen „Nebenrollen“-Darstellerin. Hier geht es um die schmutzigen Tricks, mit denen das FBI (Martin Sheen als J.Edgar Hoover) die Black Panther-Bewegung infliltrierte, um den Bürgerrechtler Fred Hampton auszuschalten (was ihnen auch gelungen ist).

 

Jodie Foster
Best Actress in a Supporting Role in Any Motion Picture
Jodie Foster ist nach gefühlter sehr langer Pause wieder da, und sie spielt in „The Mauritanian“ die Bombenrolle einer Anwältin, die sich für einen nordafrikanischen Häftling in Guantanamo einsetzte, den man nach 14 Jahren ohne Entschuldigung entließ, weil man ihm nie irgendetwas nachweisen konnte. Es ist eine wahre Geschichte, die der Betroffene, Mohamedou Ould Slahi, aufgezeichnet hat. Jodie Foster als stur überzeugte Frau, die sich „Terroristen-Anwältin“ schimpfen lassen muss, ist das Atout des Films, obwohl Tahar Rahim auch als Bester Hauptdarsteller nominiert wurde.

 

„The Trial of the Chicago 7“
Best Screenplay — Motion Picture
Aaron Sorkin, dessen Geschicklichkeit im Umgang mit historischen Stoffen verbürgt ist, hat mit „The Trial of the Chicago 7“ ein aufregendes Stück amerikanischer Geschichte mit ungeheurer Bewegtheit auf die Leinwand gebracht (er wurde auch als Regisseur nominiert, desgleichen gab es eine Nominierung als „Bester Film“). Es geht um den Prozeß, den man 1968 jenen Männern machte, die sich an (durchaus gewaltsamen) Anti-Vietnam-Demonstrationen beteiligt hatten. Einer von ihnen war übrigens jener Tom Hayden (gespielt von Eddie Redmayne), der später Jane Fonda geheiratet hat – jene Jane Fonda, die bei dieser Verantstaltung einen Ehren-„Globe“ erhielt und ihre lebenslange Kritik an der US-Politik auch hier wieder anbrachte.


Die erfolglos Nominierten und dennoch Bemerkenswerten:

 

„Another Round“
Nominiert: Best Motion Picture — Foreign Language
Der dänische Konkurrent um den „Besten Film“ wird bei uns unter dem Titel „Der Rausch“ laufen (Originaltitel: Druk), wobei Regisseur Thomas Vinterberg mit einem atemberaubenden Mads Mikkelsen in der Hauptrolle zeigt, wie man übermäßigen Alkoholkonsum rationalisieren kann – und wohin es führt.

 

„News of the World“
Nominiert: Best Actress in a Supporting Role in Any Motion Picture : Helena Zengel
Dieser Film, in dem ein unvergleichlich überzeugender Tom Hanks als „Geschichtenerzähler“ durch die Fährnisse des Wilden Westens zieht, wäre mein persönlicher Favorit gewesen (für Film, Buch, Regie und natürlich Hanks in der Hauptrolle). Doch die einzige Nominierung, die es gab, galt der zwölfjährigen deutschen Darstellerin Helena Zengel, was die deutsche Presse in Aufregung versetzt hat, aber woraus leider nichts wurde. Ihr Zusammenspiel mit Hanks erzählt die Geschichte des alten Mannes und des halben Kindes kitschlos-neu, stellenweise atemberaubend.

 

„One Night in Miami“
Nominiert: Best Director — Motion Picture: Regina King
Nominert; Best Actor in a Supporting Role in Any Motion Picture: Leslie Odom, Jr.
Es scheint, die Jury habe gemeint, bereits genug für „schwarze Filme“ getan zu haben – und dabei übersah man den besten von allen. Denn wie Regina King in jener Nacht vom 25. Februar 1964 Cassius Clay (Eli Goree), der eben Sonny Liston besiegt hat, mit Malcolm X (Kingsley Ben-Adir), dem Sänger Sam Cooke (Leslie Odom Jr.) und dem Football-Star Jim Brown (Aldis Hodge) im Hampton House Motel zusammen kommen lässt, ist ein Meisterstück: Denn hier beschließen vier hoch intelligente schwarze  Männer, dass es mit der Situation der Schwarzen in den USA nicht so weiter gehen kann…

 

„Promising Young Woman“
Nominiert: Best Motion Picture — Drama
Nominiert: Best Director — Motion Picture: Emerald Fennell
Nominiert: Best Actress in a Motion Picture — Drama: Carey Mulligan
Der Film ist eine Wucht, aber es ist Carey Mulligan, die hier überwältigt: eine zweifellos gestörte junge Frau, die bereit ist, sich selbst zu opfern, um Rache an rücksichtslosen Männern zu üben, die mit brutaler Gewalt über Frauen hinwegtrampeln und straflos ausgehen. Ein Film, der in seiner Intensität beklemmend wirkt.

 

„The Father“
Nominiert: Best Motion Picture — Drama
Nominiert: Best Actor in a Motion Picture — Drama: Anthony Hopkins
Nominiert: Best Screenplay — Motion Picture: Florian Zeller, Christopher Hampton
Nominiert: Best Actress in a Supporting Role in Any Motion Picture: Olivia Colman
Das ist wohl der große Verlierer dieser „Golden Globe“- Verleihung. Gewiß, wir kennen das Stück vom dementen Vater, das Florian Zeller geschrieben hat und das hierzulande bereits im Theater zu sehen war. Es ist ein bisschen kalkuliert und kein Meisterwerk. Aber für den Film hat auch Christopher Hampton Hand angelegt, und wer behauptete, dass Anthony Hopkins nicht alles, absolut alles zum Erlebnis machen könnte, der irrt.

 

 Mank
Best Motion Picture — Drama
Best Director — Motion Picture: David Fincher
Best Screenplay — Motion Picture: David Fincher
Best Actor in a Motion Picture — Drama: Gary Oldman
Best Actress in a Supporting Role in Any Motion Picture: Amanda Seyfried
Und noch ein unverständlicher Verlierer. „Mank“ ist die Geschichte des Drehbuchautors Herman J. Mankiewicz (wieder eine der großen Verwandlungen von Gary Oldman), der sich 1941 in die Mojave-Wüste zurück gezogen hatte, um für Orson Welles das Drehbuch zu „Citzien Kane“ zu schreiben. Gewiß, es ist auch für den Zuschauer (je mehr er weiß, umso mehr hat er von dem Film) eine Insider-Story, in der die ganzen Verrückten von Hollywood herumrennen und die absolut irrationale Atmosphäre der Filmwelt nachzeichnen. In Schwarzweiß gedreht, fühlt man sich in die Epoche der „Noir“-Klassiker zurück versetzt. Ein Vergnügen der besonderen Art.

 

Dank an Renate Wagner für die Übersicht.

 

 

Filmstart: 5. August 2020

Film: MARIE CURIE – ELEMENTE DES LEBENS

Radioactive / GB / 2019

Regie: Marjane Satrapi

Mit: Rosamund Pike, Sam Riley, Anya Taylor-Joy i.a.

Filmprädikat: wertvoll

 

TRAILER

 

Menschen sind wir alle, aber manche leisten wirklich das Besondere. In der Welt der Wissenschaft nimmt die gebürtige Polin Marie Curie einen überdimensionalen Rang ein, nicht zuletzt wegen der Folgen, die ihre Forschungen und Entdeckungen hatten: Immerhin hat sie – im Team mit ihrem Gatten – das entdeckt, was man „Radioaktivität“ nennt. Und darum belässt es die aus dem Iran stammende, vorwiegend in Frankreich tätige Regisseurin Marjane Satrapi bei hrem Film über Marie Curie nicht allein beim „Biopic“. So, wie man heutzutage kaum mehr Ausstellungen klassischer Kunst ohne moderne „Interventionen“ sieht, so schneidet sie in diesen Film immer wieder Szenen hinein, die zeigen, welche Folgen die Entdeckung von Radioaktivität, Polonium und Radium hatte (von den klassischen Bildern von Atombombentests bis Tschernobyl) …

 Aber eigentlich geht es um Marie, die in der Rahmenhandlung als sterbende alte Frau gezeigt wird – und in der Rückblende 1891 als Marie Sklodowska aus Warschau nach Paris kam, um ihre Studien an der Sorbonne fortzusetzen. (Ein Lob am Rande für die ungemein „echt“ wirkende Ausstattung der ausklingenden Belle Epoque.) In einer Welt, wo studierende Frauen belächelt wurden, ließ sich die damals 24jährige durch keinerlei männliche Schikanen von ihrem Weg abbringen. Es war sicher ein Glücksfall ihres Leben (ihrer beider Leben), dass sie den Franzosen Pierre Curie traf, der auf ihrem Gebiet forschte und sie voll anerkannte, den sie 1895 heiratete und der gleichberechtigt mit ihr zusammen arbeitete. Zwei leidenschaftliche Forscher eben.

Rosamund Pike spielt die Marie Curie von der jungen bis zur alten Frau, überzeugend über Jahrzehnte hinweg. Da ist Selbstbewusstsein, Leidenschaft für die Arbeit, Zuneigung zu ihrem Mann, da sind zwei kleine Mädchen, denen sie eine ordentliche, aber keine enthusiastische Mutter war (sie hat ihr ganzes Leben hindurch nicht aufgehört, die Arbeit in das Zentrum ihrer Existenz zu stellen). 1903 der gemeinsame Nobelpreis mit dem Gatten (1911 dann einer für sie allein).

Der Film durchwandert brav (man bekommt eine seriöse Nachhilfestunde) die privaten Tragödien – die lebenslangen gesundheitlichen Folgen, die aus der Arbeit mit dem Radium resultierten, 1906 der Unfalltod des Gatten (man sieht ihm zu, wie er unter eine Pferdekutsche gerät und zertrampelt wird), die Schwierigkeiten, seine Stellungen einnehmen zu dürfen, der Skandal, den man mit Wonne ausschlachtete, als sie 1911 ein Verhältnis mit einem verheirateten jüngeren Kollegen hatte… Damals ließ man die Gelegenheit zu antisemitischen Seitenhieben natürlich nicht aus.

Man erlebt sie im Ersten Weltkrieg, als sie – da schon ihre Tochter Irene an der Seite (auch Wissenschaftlerin, später auch Nobelpreisträgerin) – an der Front mit eigens konstruierten Röntgenwägen zur Rettung Verwundeter aufbrach. 1934 ist sie 66jährig gestorben, ein Opfer der Röntgenstrahlen. Alles da. Inklusive der feministisiche Aspekt, der in ihrem Leben eine so gewaltige Rolle gespielt hat.

Rosamund Pike hat in ihrem Leben viel gespielt, alles sehr ordentlich, nichts wirklich bemerkenswert. Die selbstverständliche, unspektakuläre Ruhe und Sicherheit, die sie dieser Marie Curie durch alle Lebenslagen gibt, auch dort, wo die Gesellschaft und das Schicksal sie schwer gebeutelt hat, ist eine große Leistung. Man weiß nicht, was die Zukunft für diese Schauspielerin noch bereit hat, aber man kann sich vorstellen, dass das die Rolle ihres Lebens sein könnte.

Sehr überzeugend an ihrer Seite Sam Riley als Pierre Curie, der Mann, der seine Frau immer unterstützte und bewunderte. Ihr Schicksal (immerhin mit zwei Nobelpreisen gekrönt, was damals von der Männerwelt vielfach in Frage gestellt wurde) war fraglos bewundernswert, und der Film vollzieht es so nach, dass man begreift, warum dem so war. Und auch, wenn man in der Schule in Physik und Chemie nicht geglänzt hat – ohne dass der Film primitiv belehrend werden muss, versteht man in großen Zügen, worum es auch bei den Fachlichen und nicht nur bei den privaten Entwicklungen geht. Natürlich in der gebotenen Oberflächlichkeit. Wer es genau wissen will, muss wohl eine dicke Biographie lesen.

 

Renate Wagner, 6.8.20320

(c) StudioCanal Deutschland

 

 

 

 

ENNIO MORRICONE

10. November 1928 in Rom; † 6. Juli 2020

60 Jahre überragende Filmmusik in fast 100 Filmen - Er war der MOZART DER FILMMUSIK

Was soll man als erklärter Filmmusik-Fan zum Tode dieser Legende schreiben. Er war für mich der größte Filmmusik-Komponist aller Zeiten und hat sich immerm geärgert, daß er zuerst stets immer mit ONCE UPON A TIME IN THE WEST genannt wird. Morricone hat viel viel mehr komponiert - auch Opern und Kammermusik!

Niemand ist je dermaßen mit Preisen überhäuft worden. Immerhin bekam er nach unzähligen Nominierungen vor ein Paar Jahren wenigsten den Oscar für sein Lebenswerk und einen richtigen Oscar für HATEFUL EIGHT. Auch heute verbindet fast jeder Kinogänger Morricone unvergessen mit SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD - ein Klassiker, der in manchen Kinos, wie dem Düsseldorfer Metropol  z.B. jahrelang lief. Es gibt grandiose Musik, die ich persönlich nicht vergesse - zum Beispiel DER CLAN Der Sizilianer, Filmmusik mit einer Maultrommel. Als Pennäler hatte ich mir natürlich sofort so ein Instrument gekauft. Ich blieb nicht der Einzige.

Da meine Klassenkameraden ähnlich fasziniert waren, bedeutet dies für unsere Lehrer die Hölle ;-) - vor allem im Musikunterricht. Was für ein Spaß! Erwähnenswert noch die überragende Musik zu Once upon a time in America - die wunderschöne Panflöte im Leitmotiv.

Ich werde auch nie die Dollar-Trilogie vergessen mit der Clint Eastwood  als Western-Darsteller weltberühmt wurde. Übrigens soll das Kernmotiv der Flöte bei the Good, the bad and the ugly einen Kojotenruf darstellen. Auch Der Profi mit einem gereiften Belmondo in ernsterer Rolle, war eine Supermusik für die Ewigkeit

Die Sacco and Vancetti Musik lebt ewig noch durch die großartige Interpretation von Joan Baez. Und, und, und... Filmträume in Musik!

Kreuzen Sie mal unten die Filme an bei denen Sie sich noch an die Musik erinnern. Auch und gerade die neueren Westernversionen von Tarantino HATEFUL EIGHT oder DJANGO UNCHAINED wären noch zu erwähnen; durch sie lebte das Genre, auch dank der Musik Morricones, wieder auf. 60 Jahre immer on Top - wer kann das vorweisen? Man muß sich die Filmliste - danke Wikipedia - regelrecht auf der Zunge zergehen lassen um kulinarisch zu sprechen.                                                                      

Peter Bilsing 6.7.2020

 

PS

Ein besonderes Schmankerl ist die Interpretation der wohl schönsten Melodie aller Zeiten auf dem Teremin. Keine Opernmelodie ist schöner ;-).

 

Aktueller CD Tipp

 

 

Für 11,60 Euro gibt es das quasi Gesamtwerk von Morricone auf drei CDs !

Sagenhafte 60 Originalmusiken. Da muß man einfach zuschlagen ;-)

 

Sehenswerte Dokus

Hommage an Ennio Morricone (45 Min) Neu 2020

 

ZDF Interview (10 Min.)

 

ARTE Ennio Morricone in Italien (16 Min.)

 

Der Italo Western (1 h 27)

 

BBC 2 Doku (40 Min.) Englisch

 

ARTE Jedes Gesicht erzählt eine Geschichte. Die vor und Abspanne (9 Min.)

 

Ennio Morricone on Kubrick & The Good, Bad and The Ugly (7 Min.)

 

DOKU The spaghetti western trio (45 Min.)

 

Filme

Nachrufe in der Presse

https://www.sueddeutsche.de/kultur/ennio-morricone-gestorben-1.4958108

 

Ein Geschenk an das Kino

https://www.spiegel.de/kultur/musik/zum-tod-von-ennio-morricone-the-good-the-bad-the-genius-a-8c1d66e5-12fb-462b-a78b-871cbc1e726b

 

Musik, die Bilder auf eine andere Ebene hebt

https://www.tagesschau.de/kultur/morricone-gestorben-105.html

 

Wenn der Koyote flötet

https://www.zeit.de/kultur/musik/2020-07/ennio-morricone-filmmusik-komponist-nachruf

 

Eine Legende ist tot

https://www.welt.de/kultur/article211077605/Ennio-Morricone-Legendaerer-Komponist-mit-91-Jahren-gestorben.html

 

James Bond rettete als Dark Knight mal wieder aufregend und sehenswert die düstere Welt

Kinostart war  am 5.11.15 
 
Hochgeschätzte James Bond Liebhaber,
als bekennender Bond-Fan der ersten Jahre hat sich meine Liebe zu dieser Fantasy-Heldenfigur (nebenbei die längste Filmserie aller Zeiten) über ein halbes Jahrhundert gehalten. Man könnte sagen: ich bin mit Bond gealtert und heute als quasi Gruftie immer noch genauso von den Filmen fasziniert, wie vor 53 Jahren, als ich 1962 mich in Dr. No hineinschlich; obwohl noch erheblich jünger als die vorgeschriebenen 16 Lenze, ging ich aufgrund meiner Größe damals locker durch. Die stetige Angst allerdings, dabei von Kontrolleuren (die es natürlich niemals gab) erwischt zu werden, trieb das Adrenalin in kolossale Höhen und verstärkte das Abenteuer-Erlebnis.
Ich habe sie alle erlebt, besser durchlebt und fast alle Filme mindestens 10 mal gesehen, später mit meinen Kindern natürlich im häuslichen Heimkino auf meiner eigenen Kinoleinwand zum In-Ruhe-Genießen. Dennoch pflege ich die Liebe zum großen Kino weiter, auch wenn es heuete schwerfällt, im Dunst von Pommes mit Mayonnaise, dem dauernden Chipsknacken und Schlürfgeräuschen aus Putzeimer ähnlichen Riesenbechern, gefüllt mit Cola noch cineastisch abzuschalten und zu genießen. Auch bin ich als Opernkritiker natürlich gewöhnt, daß man sich eben nicht unterhält, dauernd aufs hell aufleuchtende Handy-Display schaut oder zur Toilette rennt. Doch will ich hier keine „Sextanerblase“ unterstellen; bei vielen ist ja vielleicht nur der Popcorn-Vorrat zur Neige gegangen oder man will mal schnell der Oma mitteilen, daß der neue Bond ganz ganz toll ist. Schön liebe Teenies ist immerhin, daß ihr das nicht mitten im Kino während der Vorstellung macht, ein Fortschritt; also ein echtes Dankeschön dafür meinerseits.
Egal und was auch immer, fest steht weiterhin: man muß solche Filme immer (!) das erste Mal im großen Kino sehen. Basta! Und ich kann auch beim neuen Bond nur dringend empfehlen, sich das größte Kino weit und breit zu suchen, denn je größer die Leinwand, desto schöner ist das vergnügliche Kino-Erlebnis. 500 Plätze sollte der Saal schon mindestens haben und unter 12 Meter Leinwand-Diagonale geht wirklich gar nichts. Geheimtip: Allen in der Nähe von Essen wohnenden Kinofreunden sei die alte Lichtburg ans Herz gelegt, jenes einst größte und schönste Kino Deutschlands, heute wohl immer noch das älteste, wobei sich Kunst und Tradition die Hand geben; immer ein Erlebnis der besonderen Art
Doch kommen wir nun zum neuen Bond - SPECTRE. Thematisch schließt er die neuere Quadrologie der Craig Filme ab. Zuerst das einzige Negative: Es ist der sicherlich schlechteste Musiktitel aller Bondfilme - Writings on the wall mit Heulboje Sam Smith - ein entsetzliches Kopfstimmen-Gesäusel, welches eigentlich nur noch vom echten Kulthit Indian Love Call  von Slim Whitman aus den 50ern übertroffen wird. Aber das waren halt die 50er Jahre, damals hat auch Elvis noch ganz gräßlich gejault, bis er dann zum tollen Sänger wurde. Und wenn man an die vielen Bond-Welthits denkt, kommen mir die Tränen über diesen musikalischen Fauxpas.
Hier die Liste meiner persönlichen Top 10, die ich als besonderes Schmankerl für unsere Leser mit den Original Trailern verlinkt habe: Goldfinger (Shirley Bassey), Thunderball (Tom Jones), Live and let die (Paul McCartney), All the time in the World (Louis Armstrong), You only live twice (Nancy Sinatra), Golden Eye (Tina Turner), Skyfall (Adele), Moonraker (Shirley Bassey), From Russia with Love (Matt Monro) und For your Eyes only (Sheena Easton) – Songs für die Ewigkeit! Bitte Lautsprecher einschalten!
Was zeichnet nun diesen mit 2,5 Stunden bisher längsten und düstersten Bondfilm, bei dem auch szenisch höchst selten die Sonne scheint, aus?
Natürlich zuerst einmal wieder Daniel Craig, der mit seiner trockenen, süffisanten Art unserem Ur-Bond Sean Connery immer näher kommt; allerdings ist er nicht ganz so zynisch berechnend eiskalt. Craig darf auch mal Herz zeigen und vor allem Gefühle. Das zusammen mit der Eigenschaft des eiskalten Killers überzeugend rüberzubringen, ist schon phänomenal. Craig ist Bond 2015 - ein besserer Darsteller ist nicht vorstellbar; und wenn er jetzt pokert und seine Fangemeinde mit der Ankündigung verängstigt, eventuell aufzuhören, aber wenn die Gage stimme, er nur fürs Geld (!) doch weitermachen würde, dann betrachten wir das unter dem abgewandelten Bondtitel 80 Millionen sind nicht genug und zeigen Optimismus, auch wenn eine seine bisherige Gage ja schon ziemlich unverschämt hoch ist. Der Markt wird es richten oder ihn vernichten, schauen wir mal, was wird.
Man hat mit Regisseur Sam Mendes und den besten Drehbuchschreibern unserer Zeit (John Logan, Robert Wade, Neal Purvis) natürlich wieder einen Glücksgriff getan. Mendes ist nicht nur überzeugter Bond-Fan, sondern kennt auch die alten Filme exzellent, wobei er bei den vielen Zitaten und Anspielungen natürlich auch das gehöriger Maß an Respekt zeigt, hier nicht nur zu kopieren, sondern alles augenzwinkernd zeitgemäß wieder aufleben zu lassen. Das ist große, ganz große Filmkunst. Auch stimmen die Proportionen; das Verhältnis zwischen Action und ruhigen Bildern ist gelungen. Wobei, wie schon im grandiosen Skyfall, diverse Kult-Filmszenen aus Nicht-Bondfilmen in Erinnerung gerufen werden. Es ist also auch ein cineastisches Feuerwerk für Filmkenner. Lassen Sie sich überraschen...
Unbestritten gehört Christoph Waltz zu den genialen Bösewichten unserer Zeit. Nach den in die Filmgeschichte eingegangen kriminellen Granden, wie pars pro toto Gert Fröbe, Donald Pleasance, Telly Savalas, Christopher Lee, Curd Jürgens, Javier Bardem oder Claus Maria Brandauer zeigt Waltz mühelos deren Größe und vor allem, daß weniger mehr sein kann. Daß er direkt den erfolgreichen Tarantino-Filmen entsprungen zu sein scheint, schadet nicht. Genauso lieben wir ihn. Der Oscar für die beste Nebenrolle sollte in greifbarer Nähe sein.
Die klassischen dummen Bettlaken-Bond-Girls, die man in älteren Bondfilmen ja noch als Gespielinnen bezeichnete, haben ja gottdseidank schon seit Jahren ausgedient und abgedankt. Heute dürfen Frauen sogar fast gleichberechtigt neben dem edlen Helden agieren, als Racheengel zum Beispiel; zwar in Spectre nicht ganz so dramatisch in Szene gesetzt wie einst Olga Kurylenko in Ein Quantum Trost (2008), doch Lea Seydoux bzw. Monica Bellucci sind schon bemerkenswerte Charakterdarstellerinnen erster Güte.


© MGM / Sony
 
Fazit: Wer glaubte (wie der Rezensent), daß es nach dem Nonplusultra eines Bondfilms, nämlich dem herausragendes Epos Skyfall, eigentlich nicht mehr auf so hohem Niveau weitergehen könne, wird eines besseren belehrt. Ich kann mir keinen durchaus auch anspruchsvoller unterhaltsamen Bond-Film vorstellen, als diesen neuen Bond 2015. Wahrscheinlich wird der Film die Rekordzahlen des letzten Streifens noch übertreffen. Hier im Raum Düsseldorf ist für die erste Woche nur noch schwerlich eine Kinokarte zu bekommen. Wann gab es das früher. Das war ein gelungener Film, der den Zuschauer durchaus stellenweise durch-„schüttelt“ und auch mal an-„rührt“. Bond vom Feinsten.
 
Deutscher TRAILER
und als besondere Link-Zugabe für die Fans:
 
P.S. Die DVD kostet gerade einmal 5,40 Euro aktuell bei Amazon - geschenkt ;-))))
 
P.S.2 Freuen wir uns besonders auf den Start des neuen Bond ZEIT ZU STERBEN, der ja leider auf Ende des Jahres verschoben wurde. Hier der sensationell gut gemachte Trailer. Und BRAVO BRAVO BRAVO !!! - nach dem Kastratensong von Spectre, den nicht nur ich für den schlechtesten Bond-Song aller Zeiten hielt, endlich wieder eine herrliche Bond Musik.
 
Peter Bilsing, recycled 9.5.2020
 
 

„Weißt Du was Dein Fehler ist ?

Du hast keinen !!!“

Das Foto zeigt die neuere Box mit sechs Filmen

 

So definierte einst Hollywood-Star Audrey Hepburn 1963 im Film „Charade“ ihren Partner. Die Rede ist von einem der größten, bekanntesten und beliebtesten US Schauspieler namens Archibald Alexander Leach – alias „Cary Grant“. Sagenhafte 72 Filme (1932 – 1966) zeichnen sein Lebenswerk, für das er einen 1970 von keinem geringeren, als Frankie-Oldboy Sinatra schließlich doch seinen verdienten Ehren-Oscar überreicht bekam.

Leach wurde am 19.1.1904 in Bristol/England geboren. Er starb am 28.11.1986 in Davenport/Iowa. Da lag ein langes und erfülltes Leben (ähnlich Charly Chaplin) mit den hübschesten Frauen bzw. Hollywoodschauspielerinnen seiner Zeit hinter ihm. Grant war bemerkenswerte fünfmal verheiratet; immerhin drei Ehen mit Kolleginnen: Virginia Cherill 1933-35 (u.a. Lichter der Großstadt), Barbara Hutton 1942-45 (Woolworth-Erbin, die es immerhin auf sieben Ehen brachte!), Betsy Drake 1949-55 (u.a. A Class Apart, Clarence - Der schielende Löwe…), Dyan Cannon/1 Tochter 1965-68 (unzählige Filme wie Anderson-Clan, Inspector Clouseau…u.m.) und schließlich Barbara Harris ab 1981 (damalige Presse-Chefin des Londoner Lancaster Hotels).

Grant gehörte zu den wenigen Künstlern, die sich recht früh (schon 1937) aus ihrem Studio-Vertrag freikauften. Seine Spezialität waren Komödien, in denen er über die Jahrzehnte die Rolle des großen, stets netten Gentleman mit Herz, Charme und Humor geradezu perfekt zelebrierte und bar aller Konventionen auch zeitlos und entgegen allen Strömungen drehbuchmäßig durchsetzte. Markenzeichen späterer Jahre war sein geradezu unnachahmliches Grinsen, das die Frauenherzen (von u.v.a. Mae West, Katharine Hepburn, Doris Day, Grace Kelly, Ingrid Bergmann…) entweder dahinschmelzen oder bersten ließ.

Daß er in dieser Rolle schauspielerisch über Jahrzehnten gewaltig reifte, verdankte er einigen der größten Regisseure seiner Zeit. Grant drehte sagenhafte fünf Filme mit Howard Hawks, vier mit Alfred Hitchcock und auch Stanley Donen, jeweils drei mit George Stevens, George Cukor und Leo McCarey. Darüber hinaus tauchen in seiner Filmografie große Namen wie Josef von Sternberg, Raoul Walsh, Frank Capra, Michael Curtiz oder Blake Edwards auf.

Schon 1966 hatte sich Grant vom Filmgeschäft zurückgezogen. Als Parfüm-Manager und perfekter Werbeträger von Fabergé war das der verdiente und gewünschte Feierabend-Rentner-Job.

Die hier angebotenen 6 wirklich besten Filme sind Filmklassiker. Gute Filme altern nie. Viel Spaß für wenig Geld ;-)

 

Peter Bilsing, recycled 24.4.2020

 

 

 

 

 

Der schönste Märchenfilm aller Zeiten

5 Sterne sind nicht genug...!

 

Eine herrliche Liebesgeschichteaus dem Märchenreich. Der Tip für romantisch unterhaltsames, anspruchsvoll ans Herz gehendes Heim-Kino gerade an den Corona-Tagen für alle Mitglieder der Familie ;-)))

Der übersehene Film

Liebe Filmfreunde! Es gibt einen grandios schönen Fantasy-Film, der leider im Rummel und Nachlauf der Millionseller „Herr der Ringe“ und „Harry Potter“ völlig untergegangen ist. Durch die  TV-Ausstrahlung wurde er gottseidank jetzt einem größeren Publikum vorgestellt. Ich kann jedem Freund des großen Kinos diesen wirklich herzerwärmenden und auch stellenweise zu Tränen rührenden Film aus ganzer Seele empfehlen (Paramount Home Entertainment). Beim Internet-Anbieter Amazon kommt der Film mit über 300 Zuschauer-Bewertungen auf durchschnittlich 5 Sterne  - das ist die maximal mögliche Höchstbewertung. Die Filmbeurteiler gaben folgende Überschriften ein, von denen ich die besten einfach mal zitieren möchte, nicht nur weil sie auch mir aus dem Herzen sprechen, sondern weil ich es selber nicht deutlicher formulieren kann; ich hab es in einer Fleißarbeit mal graphisch geordnet: Alles stimmt !

 

"Ein wunderbares Märchen - modern und actionreich inszeniert - TRAUMHAFT!!!!

Klassisches Märchen gepaart mit viel Humor - äußerst unterhaltsam!,

Uberwältigendes großes Kino, so wie man es sich nur wünschen kann

Sieh mal eine Sternschnuppe!!! Glanz Besetzung und tolle Story

Wenn Sterne vom Himmel fallen... ein Märchen wird wahr

Kaufen, in den DVD-Player legen, nie wieder rausholen!

Mit Abstand das schönste Märchen der letzten Jahre!!!

Schön, charmant, spannend, witzig und schwungvoll

Alles unter 5 Sternen wird dem Film nicht gerecht

Zeitgemäße Fantasy - unheimlich toll inszeniert!

Ein wunderschönes und lustiges Fantasymärchen

Best Romantic-Fantasy-Comedy-Movie ever!!!!

Ein strahlender Stern am Fantasy-Firmament

Origineller, frischer Wind im Fantasy-Genre

Beinahe hätte ich einen guten Film versäumt

Der richtige Film für einen Abend zu zweit

Für mich der beste Fantasyfilm aller Zeiten

Toller Film mit spitzenmäßiger Besetzung

Eine Wundertüte voller positiver Energie

Schönes Abenteuer für die ganze Familie

Der Sternwanderer lädt zum Träumen ein

Michelle Pfeiffer will put a spell on you

Der tollste Film des neuen Jahrtausends!

STARDUST - Genialer Fantasy-Film !!!

Etwas Bekanntes, aber doch völlig neu

Vom Himmel hoch, da komm ich her

Einfach nur zum träumen einladend!

Kuschelfilm für (zukünftige) Paare

5 Sterne würden niemals reichen...

Mit einem Wort: superschön!!!!!!

Traumhaft schöner Fantasyfilm!!!

DAS Märchen für Erwachsene!!!

Ein Meisterwerk für Jung und Alt

Einfach nur schön, schön, schön

Fantasy mit Herz und Spannung

Es bedarf gar nicht vieler Worte

zum Teil sehr schwarzer Humor

So faszinierend wie ungerühmt

Wundervoller Film +10 Sterne

Liebevolles Fantasy-Märchen

Ich muss immer noch heulen

Zauberhafter Film mit Seele

Ein Stern am Filmhimmel

Eine wahre Überraschung

Heimliches Meisterwerk

Fantasy der Extraklasse

Kaufen, kaufen, kaufen

Zurück in die Kindheit

Spaß und Unterhaltung

Atemberaubend schön!

Ein bezaubernder Film

Wunderschöner Film :)

romantisches Märchen

Zum Träumen schön...

ganz besonderer Film

Der Film ist brillant.

Catch a falling star...

Einfach nur schön....

Ein Traummärchen

Fantasy Highlight!

DAS ist Fantasy!!!

Gute Unterhaltung

Fantasy at Its Best

super, super, super

Unglaublich schön

Rundum gelungen

Einfach grandios!

Zauberhaft schön

Absolutes Muß!

Perfekter Film!

Tipp des Jahres

Verzaubernd!!!

Sooooo schön

Meisterwerk!

Spaßmärchen

Phantastisch!

Hinreißend!

Wunderbar!

Sensationell

Entzückend!

Romantisch!

Süßer Film

Ein Juwel...

Kleinod!!!

Brillant!

Danke...

Toll !!!

Genial

Super

Wow!"

 

STARDUST ist der zweite Film des hochtalentieren Regisseurs Matthew Vaughn, der bisher bei nur vier Filmen selber Regie führte, aber viele als Produzent begleitete. Eigentlich kann ich alle empfehlen: 2004 Layer Cake, 2007 Der Sternwanderer (Stardust), 2010 Kick-Ass, 2011 X-Men - Erste Entscheidung (X-Men: First Class). Filmfans kennen seinen vorgeblichen Vater Robert Vaughn (u.a. bekannt im deutschen TV mit der Serie: Solo für O.N.C.E.L.) noch sehr gut. Wiki schreibt dazu: „Robert Vaughn seinerseits hat zu jeder Zeit abgestritten, der Vater von Matthew zu sein. Die Vaterschaft wurde schließlich in den 1980er Jahren wissenschaftlich untersucht. Dabei stellte sich heraus, daß der wirkliche Vater der britische Aristokrat George Albert Harley Drummond (auch bekannt als George de Vere Drummond) ist. Drummond ist das Patenkind des Königs Georg VI. und der Pate des Models Jodie Kidd. Matthew nahm daher für den privaten Gebrauch den Namen Matthew de Vere Drummond an.“ Lassen wir die Mutter Cathy Ceaton nicht unerwähnt. Den Bunte-Blätter-Lesern wird Vaughn/Drummond mehr als langjähriger Ehemann von Claudia Schiffer in Erinnerung sein. Das Paar hat bis heute 3 Kinder. Vaughn ist ein hochsympathischer Mensch fern aller Starallüren und spricht offen, ehrlich und sehr sympathisch (Bonus-Material) über seine Filme. In "Layer Cake" spielte übrigens der heutige Bond-Darsteller Daniel Craig seine erste große Hauptrolle.

Über den eigentlichen Film „Stardust“ viel zu verraten wäre eine Gemeinheit. Nur soviel: Sie werden sowohl Robert DeNiro als Michelle Pfeiffer in wirklich genialer, bisher so nie gesehener, Darstellungskunst erleben. Der Film ist ein zauberhaftes Märchen über eine Sternschnuppe, die sich nach einem gewaltigen Einschlag auf die Erde als wunderschöne, aber durchaus zickig liebenswürdige Prinzessin entpuppt, die vielerlei Begehr auslöst. Drei wunderbare Handlungsstränge: Nicht nur hat gerade der junge Tristan seiner Angebeteten versprochen ihr genau diese Sternschnuppe als Liebesbeweis zum 18. Geburtstag zu schenken, sondern auch die Königssöhne sind hinter ihr her (besitzt sie doch das Königsdiadem, welches der abdankende König (kein geringerer als Sir Peter O´Toole) bösartig lustvoll für seinen noch zu bestimmenden Nachfolge-Sohn ins Universum geschleudert hatte und damit den Sternenfall erst auslöste. Als Dritte brauchen die drei bösen Hexen unbedingt das Herz der Prinzessin, um noch weitere tausend Jahre in Schönheit zu überleben. Wie Regisseur Matthew Vaughn und Drehbuchschreiberin Jane Goldman nun in dieser Geschichte so viele alte bekannte Märchen-Motive (u.v.a. Zauberspiegel, Weißes Einhorn, Fliegender Holländer etc.) köstlich einbringen ist einfach wundervoll unterhaltsam und stellenweise auch recht schwarzhumorig (daher ab 12 Jahre).

Eine ganz wichtige Rolle spielt die durchweg an berühmten Klassikern orientierte und großsinfonisch präsentierte, eigentlich Oscar-reife Musik von Ilan Eshkeri, dem ein phantastisches Konglomerat mitreißender Melodien, angesiedelt zwischen Wagner, Holst, Grieg, Debussy und Prokofiew gelingt, das auch die Herzen von Klassik-Fans höher schlagen lassen wird. Filmmusik, deren Anhören von einer CD (Decca) sich unabhängig davon ebenfalls anbietet.

Nach dem Filmgenuß lohnt es sich, auch einmal in die Vorlage, das Original-Märchenbuch von Neil Gayman (s.o.), erschienen im Heyne Verlag, hineinzuschauen oder es als Vorlesemärchen ihren Kindern zu präsentieren. Allerdings verläuft die Geschichte hier etwas anders als im Film, und ich wage zu behaupten, daß ausnahmsweise diesmal der Film einfach besser abschneidet als die gedruckte Vorlage.

Die DVD kostet bei Internetanbietern kaum 5 Euro und da die Blue Ray sogar für unter 10 Euro zu haben ist, würde ich auch wegen der wirklich hervorragenden Sound- und Bildqualität letztere bestellen. Kaufen, kaufen, kaufen... Ich verspreche Ihnen, daß Sie begeistert sein werden. Wenn nicht geben Sie die Scheibe zurück oder schicken sie an mich - ich habe hier schon 10 Exemplare als Geschenk für ganz liebe Freunde liegen. Ein Juwel von Film - ein echtes Kleinod. Und auch nach dem 20. Anschauen ist man am Ende wieder zu Tränen gerührt.

 

Peter Bilsing, recycled 22.4.2020

 

 

Monumental!

 
Da liegt sie nun vor mir, das lange Warten hat sich gelohnt: Die Warner-Brothers „4-Disc-Collector´s-Edition“ von BEN HUR (WB 2005); allein die Außen-Verpackung im aufwendigen Prägedruck signalisiert: „Ich bin etwas besonderes, ein Sammlerstück! In mir ruht mehr als ein außergewöhnlicher Film!“ Stimmt. Die Kassette läßt wirklich das Herz jedes Cineasten höher schlagen, denn der Filmfreund wird mit Informationen und Zusatzmaterial bedient, daß es ihm glatt die Sprache verschlägt. So unliebsam und übel wie man mit dem Kunstwerk Film heutzutage im Fernsehen umgeht, so liebevoll ist dieser Kassiber vom Warner-Restaurationsteam und vielen, vielen Zulieferern resp. Filmfreunden arrangiert. Es ist ein uneingeschränktes Credo für das Medium DVD und jeden Cent (zur Zeit u.a. bei Amazon für ca. 25 Euro erhältlich) wert.
Die Chance für alle „Grufties“ und Kinodinosaurier - ich zähle mich selbstverständlich dazu! - endlich ihren Kindern und Enkeln einmal den Monumentalfilm zu zeigen (mit praktisch allen Hintergrundinformationen, die es gibt), der uns vor einem halben Jahrhundert den Weg heraus aus dem „Schluppenkino“ in die großen Filmpaläste wies. Wer diesen Film einmal gesehen hat, wird ihn unschwer wieder vergessen.
Nicht nur das Bild ist gesäubert und bravourös farblich – wie neu – aufgearbeitet, sondern auch der Ton zeitgemäß praktisch rauschfrei veredelt und den neuen technischen Möglichkeiten angepasst. Dabei wurde nicht unbedingt Wert auf gekünstelte 5.1-Kanal-Effekte gelegt (obwohl das bei der ursprünglich vorliegenden 6-Kanal-Tontechnik des Masterbandes durchaus möglich gewesen wäre), sondern es steht der Raumklang im Vordergrund; Ton und Musik bilden eine regelrechte Breitwandeinheit, wobei die gelegentlich doch etwas zu wuchtige Musik das Filmbild schon fast künstlerisch zurückdrängt; aber es ist trotzdem ein Genuß – nicht nur um gleichzeitig auch den Nachbarn zu ärgern, sondern in erster Linie zum Schwelgen in herrlichem szenischem und musikalischem Bombast; und an den schmalzigen Stellen kullert doch manch Tränchen nostalgischer rührseliger Erinnerung über die Backe
Phantastisch ist auch die Filmzugabe des Verleihs, nämlich die Originalfassung des Stummfilms von 1925 (Regie: Fred Niblo), welcher sonst einzeln nicht erhältlich ist. Dieser ist allerdings nicht so stumm wie vermutet, denn die später (1989) hinzukomponierte Musik von Carl Davis – eine kongeniale Mischsinfonie von über 2 Stunden Dauer (Wagner, Mahler, Respighi & Co. lassen grüßen, sogar Peitschenschläge wurden sauber einkomponiert), die durchaus auf jedem Konzertpodium bestand hätte, ersetzt die fehlenden Dialoge mehr als spannungsvoll und kongruent.
„BEN HUR – eine Sinfonie in Film“ würde ich die Stummfilm-Scheibe übertiteln. Aber bitte erst die 1959-Version anschauen, durch die eigentlich gewahr wird, was für eine ungeheuerliche Jahrhundertleistung dieser Stummfilm darstellt. Die unzähligen Opfer an Mensch, Tier und Material sieht man dem Film stellenweise an, bzw. sie lassen sich betrüblich erahnen, denn der Stand heutiger Spezial-Effekte lag im Jahre 1925 so gut wie bei Null: Knautschzone war der Mensch. Wenn es auf der Leinwand krachte, krachte es richtig. (Siehe dazu auch die interessanten Specials der 4. DVD). Das Wagenrennen ist in der alten Schwarz-Weiß-Fassung adäquat sensationell; und die Römer sind richtig gemeine Fieslinge – zu Recht wird der Stadthalter in dieser alten Version von dem herunterfallenden Ziegel direkt erschlagen; das Volk jubelt. Well done Ben! Hier war´ s nicht die Schwester.
Auf der 4.DVD gibt es praktisch alles, was das Herz des Cineasten, des Sammlers, des Fans, aber auch des wißbegierigen Filmanfängers erfreut. Infos, Statements, Interviews, bisher unbekanntes Filmmaterial, szenische Dokus, Wochenschaumaterial, Oscarverleihung….etc. Summa Summarum über 3 Stunden wirklich Interessantes. Endlich mal eine Zusatz-DVD, die fast genauso interessant ist wie der Film selbst
Wer einen Beamer hat, sollte den Film im Originalformat (2,75 : 1), also in voller Superbreitwand genießen; nicht nur, damit nichts verloren geht, sondern auch weil die 16 : 9 Adaption (zumindest auf meinem Plasma) störende Unschärfen aufwirft. Die Flachbild-TV-Fans müssen sich notgedrungen mit einem bißchen Letterbox-Format (schwarzer Streifen oben und unten!) zufrieden geben, wenn sie die totale Bildschärfe haben wollen…es lohnt sich dennoch.
Interessantes & Skurriles zum Schluß: Lew Wallace´ BEN HUR (1880) erschien nach dem Riesenerfolg der Buchvorlage ab 1888 als Theaterstück am Broadway; man brachte damals schon bis zu sagenhafte 8 Streitwagen auf die Bühne, die sich auf einem Laufband bewegten! Mit 11 Academy-Awards ist BEN HUR neben TITANIC der Oscar-gekrönteste Film aller Zeiten – er hätte auch den 12. Oscar fürs Drehbuch bekommen, wenn es nicht Streitereien um die Credits gegeben hätte; Wyler wollte neben Karl Tunberg auch Christopher Fry mitaufgeführt haben und hintertrieb so die Nominierung. Für die Seeschlacht wurde extra ein riesiger künstlicher See angelegt, auf dem die Schiffe auf Unterwasser-Schienen geleitet wurden. Noch kurz vor Beginn der Dreharbeiten gab es über 40 Drehbücher. Folgende Darsteller waren ursprünglich für die Hauptrollen im Gespräch: Paul Newman, Marlon Brando, Kirk Douglas, Burt Lancaster, Rock Hudson, und es gibt sogar Probeaufnahmen (Disc 4) mit Leslie Nielsen! „Messala“-Stephen Boyd´s Augen wurde per Haftschalen ins bräunliche transponiert, da Regisseur Wyler seine ursprünglich leuchtend blauen Augen mißfielen, ein Bösewicht hat keine blauen Augen zu haben! Produzent Sam Zimbalist erlag dem Stress der Dreharbeiten. Die Musik von Dr. Miklos Rosza war dem Leitungsteam so heilig, daß sogar der Filmschnitt den Notenfolgen angepaßt wurde. Allein die Szene des Wagenrennens brauchte über ein Jahr Vorbereitung. Über 100 000 Dollar kostet nur eine einzige, der gleich mehrfach und parallel eingesetzten, neu für das 65-mm-Format entwickelten Riesenkameras mit ihren speziellen anamorphen Linsensystem. (Alles wird verzerrt + seitlich geschrumpft aufgenommen, später im Kino wieder entzerrt wiedergegeben). Der Film kostete sagenhafte 15 Millionen und spielte über 80 Millionen ein. Für die in der 59er-Version angeheuerten 78 Pferde wurde in der Filmstadt Cinecittà (bei Rom) ein eigener Hufschmied beschäftig. Von den rund 50 000 für die Dreharbeiten angestellten Personen bekamen immerhin 345 eine Sprechrolle; 45 hielt man für so wichtig, daß sie in die Namensliste der Hauptdarsteller aufgenommen wurden. Beim rauschenden Fest setzte Wyler echte Patrizier ein; über die Hälfte des echten römischen Adels hatte sich als Statist beworben. Die schnellste und größte Studiokantine der Welt auf dem Studiogelände konnte sagenhafte 5000 Menschen innert 20 Minuten versorgen. Mehr sollten Sie sich selbst anschauen. Viel Spaß!
 
Peter Bilsing, recycled 11.4.2020
 
Aktuell im Streaming Angebot bei:
 

 

 

DER EWIG SCHÖNE FILM

Einer der schönsten Filme der 60er Jahre wiederveröffentlicht in der DVD Sonder-Edition: ARTHAUS PREMIUM

“Hello darkness, my old friend; I´ve come to talk with you again,
because a vision softly creeping, left its seeds while I was sleeping,
and the vision that was planted in my brain - still remains -
within the sound of silence.
” 

 

Nach 40 Jahren gibt es jetzt eine wunderbare Sonder-Edition des legendären Klassikers THE GRADUATE (Die Reifeprüfung). Damit liegt einer der schönsten und amüsant charmantesten  „Liebesfilme“ der Filmgeschichte endlich wieder im originalen Cinemascope-Kinoformat von 2,35:1 vor; darüber hinaus ist er farblich digital bereinigt und erblüht im schönen neuen Gewand. Bildschärfe und Kontrast sind brillant, solange man das Originalformat beibehält. An die Freunde großer Bildschirme: Bitte nicht aufs 16:9-Format zoomen, dann lieber mit Letterbox-Streifen schauen oder auf dem Beamer, denn die Bilddramaturgie ist ein bedeutender und wichtiger Aspekt des Films!

Auch der Ton – nicht nur die Sprache, besondere die herrliche Musik von Simon & Garfunkel - wurde vom stumpfen „Mono“ in ein sanft räumliches „5.1.“ kunstvoll und stimmig übertragen. Die Toningenieure von Arthaus haben sich mit der Soundaufbereitung eine Riesenarbeit gemacht: Es gibt neben der alten Monofassung und dem englisch originalen Dolby-Stereo, sogar noch eine DTS und eine Kopfhörerfassung - so etwas hat Seltenheitswert.

Präsentation und Aufbereitung dieser Doppel-DVD sind perfekt. Das Bonusmaterial ist sehr umfangreich: auf der ersten DVD gibt es neben dem Film, zusätzlich die Musik - separat anwählbar, ein kurzes Interview mit Dustin Hoffmann + einen mehr als hörenswerten Audiokommentar von Deutschlands vielleicht kompetentesten Filmexperten, Professor Thomas Koebner; Trailer sind selbstverständlich.

Die zweite DVD beinhaltet drei sehr interessante Dokumentationen aus den 90ern:
a)„Die Reifeprüfung – 25 Jahre später“,
b) Die Featurette: „ The Graduate: Looking Back – Ein Film der 60er Jahre“,
sowie ein längeres Interview mit dem Romanautor Charles Webb. Zusätzlich gibt es zwei Originalbeiträge auf deutsch (sic!): Eine Szenenanalyse der Kernfilmsequenzen mit Prof. Thomas Koebner und eine Featurette mit Prof. Helga de la Motte, zur Rolle der Musik im Film; die üblichen Starinfos und Filmografien zu den Darstellern bzw. dem Regisseur; Fotogalerie, Filmplakate und die Auflistung aller Auszeichnungen, die der Film erhalten hat. Herz was willst Du mehr...

Was macht nun diese ungeheure Qualität von THE GRADUATE aus? Ich würde kurz und bündig sagen: ALLES! Selbst nach 40 Jahren wird der Zuschauer jeden Alters noch amüsant, ansprechend und humorvoll unterhalten. Für die jüngere Generation sind es sicherlich die Aspekte eines quasi Musikfilms, der in vielerlei Hinsicht zurecht als eine Art Vorläufer des Musikvideos bezeichnet werden kann, obwohl Mike Nichols die Musik nicht – wie heute oft üblich – zu zerhackten und kurzgeschnittenen Bildern präsentiert, sondern eher ruhig und phantasievoll, mehr wie eine dramaturgisch notwendige Sinfonietta einsetzt.

Für mich persönlich ist der Chart-Renner „Mr. Robinson“ eher beiläufig, obwohl er zum Welthit und Millionenseller wurde. Mein Favorit und Lieblingshit ist jener wunderbare Titelsong „The Sound of Silence“, denn er entspricht exakt der Syntax filmischer Kernszenen; angefangen von der Titelsequenz, in der Benjamin auf einem Transportband schier lautlos an der Wirklichkeit vorbeischwebt, später ist es die Einsamkeit und Stille im Taucheranzug, weg vom Geschnatter der Partygäste in die ruhige Tiefe des Pools, oder der geniale Schluß, wenn sich unser Held verzweifelt ins quasi Kriegsgetümmel des Hochzeitsszenarios stürzt, taub für die Beschimpfungen der empörten Familienmitglieder, deren stummes Zähneklappern wie das lautlose Fauchen von Raubtieren hinter einer Glaswand wirkungslos bleibt. Begleitende Reprise dann wieder in der tollen Schlußsequenz, als die beiden – jeder hat für sich die eigene Reifeprüfung bestanden - im rappelvollen Bus auf der Rückbank plaziert in besinnlicher Ruhe, ungeachtet der glotzenden Fahrgäste, kurzfristig ihren Frieden finden: „Hello darkness, my old friend…“.

Über die geniale Regie von Mike Nichols (Wer hat Angst vor Virginia Wolf) und die bestechende Arbeit des vieldekorierten Kameramanns Robert Surtees (Quo Vadis, Ben Hur, Meuterei auf der Bounty, Sweet Charity, der Clou u.v.a.) gab es unzählige Seminare und wurden viele Fach-Bücher geschrieben, denn sie sind bereits Legenden hollywoodschen Filmschaffens. Daher gehört die Auseinandersetzung mit ihnen zum Pflichtprogramm, nicht nur für junge Filmstudenten, sondern eigentlich für alle Cineasten…einiges davon leistet diese DVD.

Zwar sollte man den Film politisch nicht überbewerten, aber in ihm ist durchaus ein sanfter Anfang der 68-Bewegung spürbar, geradezu rührend geht es hier nicht nur um das Freischwimmen eines jungen Mannes aus den krakenhaften Fängen seiner Eltern, sondern auch um das Auflösen von Traditionen, jenem „weg vom Establishment“ (hier der typisch amerikanischen 60er Jahre Middle-Upper-Class); und zumindest filmisch hat die sexuelle Revolution in der Darstellung einer für Hollywood geradezu kühnen Symbolik (siehe auch Plattencover & Filmplakat), offenen Bildsprache und moralischen Liberalität immerhin angefangen.

Darüberhinaus sind die schauspielerischen Leistungen (Dustin Hoffmann war mit seinen 29 Lenzen gerade 6 Jahre jünger als Anne Bankroft) einfach fabelhaft und die Musik ist brillant - für Grufties meiner Generation absolut unsterblich!

Fazit: Ein Edelstein auf meiner persönlichen Liste der „100 bezauberndsten Filme aller Zeiten“ – den würde ich mit auf die einsame Insel nehmen! Schön daß dieses Kunstwerk neu-aufpoliert wieder erhältlich ist. Die Firma ARTHAUS (nomen est omen) wird ihrem anspruchsvollen Namen gerecht! Aktuell wenn Sie den Film nicht streamen können - kostet aktuell zwischen 2 und 3 Euro - für 7 Euro bei Amazon kaufen (vor allem auch wg. der Zusatzfeatures) und in die Heim-Videothek der ewig besten Filme einordnen!

 
Peter Bilsing 10.4.2020

 

BILs ETERNAL FIMHITS

Streng persönliche Filmtipps des Hrg. für triste Tage im Konzil

Anmerkung: Ich habe diese Liste einst vor vielen Jahren angefangen, weil wir uns im Filmkreis jeder seine jeweils 10 besten Filme aufschreiben wollten. Schnell wurden daraus 20, dann 50 - und heute hat meine persönliche Liste die 200er deutlich überschritten. Dann habe ich angefangen die Filme rot zu markieren, die man unbedingt kennen, sprich gesehen haben muß ;-) !! Ich gebe zu, daß ich zwar cineastisch künstlerische Ansprüche habe, aber überwiegend ein Action-Fan bin. P.B.

 

Film

Regie

Musik

Hauptdarsteller

UA

African Queen

Huston

Allan Gray

Bogart, Hepburn

1951

Alice in Wonderland

Burton

Danny Elfman

Depp, Hathaway, B.-Carter

2010

Amadeus

Forman

Mozart

Abraham, Hulce

1984

American Gangster

Scott

Marc Streitenfeld

Crowe, Washington...

2007

Angel Heart

Parker

Trevor Jones

Rourke, de Niro, Rampling

1986

Apocalypse Now

Coppola

Doors

Brando, Sheen, Duvall..

1979

Arsen und Spitzenhäubchen

Capra

Max Steiner

Grant, Lorre

1944

Arizona Junior

Coen Broth.

Carter Burwell

Cage, Hunter, Goodman

1987

Auf brennender Erde

Arriaga

Hans Zimmer

Theron, Bassinger, Lawr.

2008

Avengers (21 Filme)

Diverse

Diverse

Diverse

2008-19

Badman - Dark Knight (1-3)

Nolan

Hans Zimmer

Bale, Cane...

2005

The Ballad of Buster Scruggs

Coen Broth

Burwell

Neeson, Waits...

2018

Ben Hur

Wyler

Mikolos Rozsa

Heston

1959

Big Lebowski

Coen Broth.

Carter Burwell

Bridges, Goodman

1998

Blade Runner

Scott

Vangelis

Ford, Hauer....

1982

Blood Diamond

Zwick

J. N. Howard

DiCaprio

2006

Blue Velvet

Lynch

Badalamenti

Rosselini, Hopper

1986

Blues Brothers

Landis

Diverse

Belushi, Aykroyd

1980

Bond- Reihe (25 Filme)

Diverse

Diverse

Diverse

1962

Bourne Trilogie

Liman

John Powell

Matt Damon

2012-12

Bullitt

Yates

Lalo Schiffrin

McQueen, Vaugh, Bisset

1968

Brücke am Kwai

Lean

Malcolm Arnold

Guiness, Holden...

1957

Bube, Dame, König, Grass

Ritchie

David A. Hughes

Statham...

1998

Cabaret

Bob Fosse

John Cander

Minelli, York, Wepper

1972

Cape Fear

Scorcese

Herrmann

De Niro, Nolte, Lange

1991

Carrie

DePalma

Pino Donnagio

Spacek, Laurie, Travolta

1976

Casablanca

Curtiz

Max Steiner

Bergmann, Bogard....

1942

Charly und die Schokoladenfab.

Burton

Elfman

Johnny Depp

 

Chinatown

Polanski

Jerry Goldsmith

Nicholson,Dunaway,Houston

1974

Christine

Carpenter

Carpenter

Gordon, Stockwell

1983

Der Clan der Sizilianer

Verneuil

Ennio Morricone

Gabin, Delon, Ventura

1969

Clockwork Orange

Kubrick

Diverse

McDowell

1971

Dark Star

Carpenter

Carpenter

Narelle, Cunoholm

 

Deer Hunter

Cimino

Stanley Myers

Streep, De Niro, Walken...

1978

Departed

Scorsese

Howard Shore

DiCaprio

2006

Dirty Harry (1-5)

Siegel

Lalo Chiffrin

Eastwood

1971

Dollar-Trilogie

Leone

Ennio Morricone

Eastwood, Wallach, vCleef

1964-66

Django Unchained

Tarantino

Diverse

Waltz, DiCaprio, Foxx

2013

Der dritte Mann

Reed

Anton Caras

Cotton, Welles

1949

Doktor Seltsam

Kubrick

Diverse

Sellars

1964

Easy Rider

Hopper

Diverse

Fonda, Hopper...

1969

Ed Wood

Burton

Howard Shore

Depp, Landau, Parker

1994

Edward mit den Scherenhänden

Burton

Danny Elfman

Depp, Rider, Price

1990

Einer flog übers Kuckucksnest

Forman

Jack Nitzsche

Nicholson

1975

Der einzige Zeuge

Weir

Maurice Jarre

Ford, Glover, MacGillis

1984

Fahrstuhl zum Schafott

Malle

Miles Davies

Moreau, Ventura

1958

Falling Down

Schumacher

Howard

Michael Douglas

1993

Fargo

Coen Broth

Carter Burwell

Gunderson

1996

Das finstere Tal

Prochaska

Matthias Weber

Riley, Moretti, Beer...

2014

The Fog

Carpenter

Carpenter

LeeCurtis, Barbeau. Leigh

1980

Forest Gump

Zemecki

Alan Silvestri

Hanks, Field...

1994

Das Fenster zum Hof

Hitchcock

Franz Waxman

Kelly, Stewart...

1954

French Connection (1+2)

Friedkin

Don Ellis

Hackmann, Schneider

1971/75

Gangs of New York

Scorsese

Howard Shore

DiCaprio, Neeson, Diaz...

2002

Getaway

Peckinpah

Quincy Jones

McQueen, MacGraw

1972

Gladiator

Scott

Hans Zimmer

Russel Crowe

2000

Goodfellas

Scorcese

Diverse

De Niro, Liotta...

1990

Gran Torino

Eastwood

Kyle Eastwood

Clint Eastwood

2008

Hängt ihn höher

Post

Dominic Frontiere

Eastwood

1968

Hair

Forman

Galt Macdermot...

Williams, Savage...

1971

Halloween

Carpenter

Carpenter

LeeCurtis, Pleasance

1978

Hateful Eight

Tarantino

Morricone

Diverse

2016

Headhunters

Tyldum

Bjerknaes

Aksel Hennie...

2011

Heat

Mann

Eliot bGoldenthal

Pacino, DeNiro

1995

Herr der Ringe

Jackson

Howard Shore

Diverse

2001-03

High Noon

Zinneman

Dimitri Tiomkin

Kelly, Cooper....

1952

The Illusionist

Burger

Philip Glass

Biel, Norton

2006

Inception

Nolan

Hans Zimmer

DiCaprio...

2010

Indiana Jones (Trillogie)

Spielberg

John Williams

Ford, Connery...

1981-89

Inglorious Basterds

Tarantino

Diverse

Waltz, Pitt, Roth...

2009

The Irishman

Scorsese

Robertson

De Niro, Pacino, Pesci..

2019

LA Confidential

Hanson

Goldsmith

Crowe, Spacey, Basinger

1997

Ladykillers

Mackendrik

Tristram Cary

Guiness, Sellers, Lom...

1950

Lawrence von Arabien

Lean

Maurice Jarre

O´Toole, Guiness, Quinn...

1962

La Strada

Fellini

Nino Rota

Masina, Quinn

1954

Leben des Brian

Jones

Diverse

Cleese, Gillian, Chapman

1979

Lohn der Angst

Clouzot

Georges Auric

Montand, Vanel, van Eick

1953

Lord of War

Niccol

Antonio Pinto

Sutherland, Cage

2005

M eine Stadt sucht einenMörder

Lang

---

Lorre, Gründgens...

1931

Das Mädchen Irma la Douce

Wilder

André Previn

Lemmon, MacLaine

1963

Malavita

Besson

Galperine

Lee Jones, De Niro, Pfeiffer

2013

Manche mögens heiß

Wilder

Adolph Deutsch

Monroe, Curtis, Lemmon..

1959

Der Mann der niemals lebte

Scott

Marc Streitenfeld

DiCaprio, Crowe...

2008

Marathon Man

Schlesinger

Small

Hoffmann, Olivier

1978

Mars Attacks

Burton

Danny Elfmann

Close, Nicholson, Brosnan..

1996

M.A.S.H

Altman

Johnny Mandel

Southerland, Gould

1970

Mein Braut, ihr Vater und ich

Roach

Randy Newman

Stiller, De Niro...

2000

Metropolis

Lang

---

Fröhlich, Helm, Abel

1926

Misery

Reiner

Shaiman

Caan, Bates

1990

Mission Impossible (1-6)

Div.

Chiffrin

Tom Cruise

1994>

Mississippi Burning

Parker

Trevor Jones

Hackman, Defoe

1988

Mr. Claude u. sein Töchter 1+2

Chauveron

Chourain

Vlavier, Laubi...

2014

Die nackte Wahrheit

Zampi

Stanley Black

Peter Sellers

1957

Die Nacht des Jägers

Laughten

Walter Schumann

Mitchum, Winters

1955

No country for old men

Coens

Carter Burwell

Lee Jones, Bardem...

2007

No Escape

Dowdle

Marco Beltrami

Wilson, Brosnan...

2015

Nosferatu

Murnau

----

Schreck, von Wangenheim..

1922

Once upon a time in America

Leone

Enni Morricone

De Niro, Woods...

1984

Papillon

Schaffner

Jerry Goldsmith

McQueen, Hoffmann

1973

Pate (1 -3)

Coppola

Nino Rota

Brando, De Niro, Pacino

1972-90

Der Pianist

Polanski

Wojciech Kilar

Brody,Kretschmann, Finley

2002

Prestige - Meister der Magie

Nolan

David Julyan

Jackmann, Bale

2006

Psycho

Hitchcock

Bernh. Herrmann

Leigh, Perkins

1960

Pulp Fiction

Tarantino

Diverse

Thurman,Travolta, Willis

1994

Die Reifeprüfung

Nichols

Simon Garfunkel

Hoffman, Bancroft

1967

Rendezvous mit Joe Black

Brest

Thomas Newman

Hopkins, Pitt..

1968

Rififi

Dassin

Geotrgers Auric

Servais, Möhner

1955

Ritter der Kokosnuss

Gilliam

Diverse

Monthy Pyton

1975

Robin Hood

Scott

Marc Streitenfeld

Crow, Blanchett...

2010

Rosa rote Panther (Reihe)

Edwards

Mancini

Sellers, Lom

1963

Rosemaries Baby

Polansky

Komeda

Farrow, Cassavetes

1968

Road to perdition

Mendes

T. Newman

Hanks, Newman, Craik

2002

Scarface

dePalma

Moroder

Pacino, Pfeiffer

1982

Die Schrecken der Medusa

Gold

Michael J. Lewis

Burton, Remick, Ventura

1978

Das Schweigen der Lämmer

Demme

Howard Shore

Foster, Hopkins

1991

Sein oder Nichtsein

Lubitsch

Werner R. Heyman

Benny, Lombard, Stack

1942

Sherlock Holmes

Zimmer

Guy Ritchie

Downey jr, Law

2009

Silent Running

Trumbull

Peter Schickele

Dern, Riffkin

1972

Shining

Kubrick

Wendy Carlos

Nicholson, Duval

1980

Sieben

Fincher

Howard Shore

Freeman, Pitt...

1995

Sixt Sense

Shyamalan

J. N. Howard

Willis...

1999

Skyfall

Mendes

Adele

Craig, Dench, Bardem

2012

Snatch - Schweine Diamanten...

Ritchie

Gallagher

Statham, Pitt...

2000

Spiel mir das Lied vom Tod

Leone

Ennio Morricone

Bronson,Cardinale, Fonda

1968

Sunset Boulevard

Wilder

Franz Waxman

Swanson,Holden,Stroheim

1950

Star Wars (1-3) alte Filme

Lucas

John Williams

Diverse

1977>

Der Sternwanderer

Vaughan

Elan Eskheri

De Niro, Pfeiffer,

2007

Tanz der Vampire

Polanski

Krzysztof Komeda

Polanski, Tate

1967

Taxi

Besson

Akhenaton

Morales, Bertineau

1998

Taxi Driver

Scorsese

Bernh. Herrmann

De Niro, Foster

1976

Thelma & Louise

Scott

Hans Zimmer

Sarandon, Pitt, Keitel

1991

True Gritt

Coens

Carter Burwell

Bridges, Damon...

2010

Tod in Venedig

Visconti

Gustav Mahler

Bogarde, Berenson..

1971

Todeszug nach Yuma

Mangold

Marco Beltrami

Crowe, Bale, Fonda..

2007

Die üblichen Verdächtigen

Ottman

Singer

Spacey, Pollack, del Toro

1995

Der unsichtbare Dritte

Hitchcock

Herrmann

Grant, Mason, Landau

1959

Unforgiven

Eastwood

Lennie Niehaus

Eastwood

1992

Untouchables

De Palma

Ennio Marricone

Connery, Costner, DeNiro

1987

Die Vögel

Hitchcok

Bernh. Herrmann

Hedren, Taylor

1963

The Wolf of Wall Street

Scorsese

Diverse

DiCaprio

2013

Vom Winde verweht

Fleming

Max Steiner

Leigh, de Havilland, Gable

1939

Wag the Dog

Levinson

Knopfler

Hoffman, de Niro...

1997

Wer die Nachtigall stört

Mulligan

Elmer Bernstein

Greg, Packham

1962

Wenn die Gondeln Trauer...

Roeg

Pino Donnagio

Christie, Sutherland

1973

Wenn Träume fliegen lernen

Forster

J.A.P. Kaczmarek

Depp, Winslet, Hoffmann

2004

West Side Story

Wise

Lenny Bernstein

Wood, Bymer, Moreno

1961

Willkommen bei des Schtis

Rombi

Boon

Merad, Boon, Felix...

2008

2001 Odyssee im Weltraum

Kubrick

Diverse

Diverse

1968

Die zwölf Geschworenen

Lumet

Kenyon Hopkins

Fonda, Cobb, Warden...

1957

Zwei gloreiche Halunken

Leone

Morricone

Eastwood, v.Cleef, Wallach

1966

 

 

 

 

 

vorläufiger Listenschluß 20.3.2020

 

Diesen Film sollten Sie sich anschauen, wenn sie täglich Pakete von O-Online-Händlern oder anderen Firmen bekommen !!!

Filmstart: 28. Februar 2020
GB / 2019
Regie: Ken Loach
Mit: Kris Hitchen, Debbie Honeywood u.a.

TRAILER

Wenn ein Bote vor der Tür steht und ein Paket abliefert, kann er froh sein, wenn er ein Trinkgeld bekommt. Dass sich der Empfänger des Pakets (das hoffentlich rechtzeitig eintrifft, sonst beschwert man sich natürlich lautstark) auch nur eine Sekunde über die Situation dieses Mannes und seines Jobs den Kopf zerbricht, ist nicht anzunehmen.

Ken Loach, dessen Filme man kennt, tut es. In diesem Sinn ähnelt „Sorry We Missed You“ den meisten seiner Arbeiten: Weniger ein Film als eine Sozialstudie, kein Licht leuchtet in der Finsternis, als arte Doku auch zu brauchen. Man weiß es ja längst, was Ken Loach mit dem Kinobesucher macht: Er dreht ihnen angesichts von Alltagsschicksalen gleich nebenan das Herz im Leib um. Dass diese extreme Opfer des kapitalistischen Ausbeutungssystems sind und nicht aus der Falle des Prekariats herauskommen, nicht herauskommen können, wenn sie nicht in die Kriminalität abdriften wollen (was nicht in Frage kommt), macht alles noch schmerzlicher. Schlimm.

Hier hat Ricky Turner (Kris Hitchen) einen quasi „Selbständigen“-Job bei einer Auslieferungsfirma angenommen (er muss für den Lieferwagen, den er fährt, in Vorkasse treten!), ist voll für die Pakete und deren Lieferung verantwortlich, in eisenharte Arbeitsbedingungen eingespannt, nur um überhaupt Arbeit zu haben.

Denn die liebenswerte Gattin Abbie (Debbie Honeywood) ist als Altenbetreuerin noch schlechter dran – wenig Geld, viel Verantwortung, viel Leid, dem sie begegnet und das auf ihre Stimmung drückt. (Da gibt es Szenen, wo Loach die Klaviatur des Elends auf und ab spielt…)

Der Alltag des Pakete-Auslieferns ist grauenhaft, aber wenn Ricky Turner Einspruch erhebt, sagt ihm sein Boss Gavin Mahoney (Ross Brewster) eiskalt und umißverständlich klar: er kenne die Regeln, der habe sich einverstanden erklärt, und wenn er es nicht machen wolle, macht es ein anderer… Dieser Mann, der die Paketboten organisiert, hat nur ein einziges Interesse – den Betrieb für seine Firma möglichst problemlos und möglichst billig aufrecht zu erhalten. Menschlichen Argumenten ist er nicht zugänglich – und er kennt sie alle… Der Arbeitnehmer will einen freien Tag? Der kostet ihn hundert Pfund, bar auf die Hand, als Ablöse…

Es gibt kein Entkommen für Turner, denn wer ernährt die Kinder, wenn er keine Arbeit hat – vor allem einen trotzigen halbwüchsigen Sohn, Seb (Rhys Stone), der sieht, dass seine Schulkollegen in so viel besseren Verhältnissen leben und der seinen Eltern vorwirft (es ist herzzerreißend), dass sie nicht imstande sind, ein besseres Leben zu schaffen. Obwohl der Regisseur völlig klar macht, dass es wirklich nicht an ihnen liegt. (Diesen Sohn wird der Vater einmal auch von der Polizei abholen, und nur ein mitfühlender Polizist – offenbar gibt es das auch – ermöglicht, dass er heimgehen kann… “Wir stehlen nicht in dieser Familie!“ sagen die Eltern fassungslos.)

Ken Loach zeichnet als Thema mit geringen Variationen einen Film lang – eine Welt, in der man eigentlich nicht leben will. Aber für viele, die im System gefangen sind, gibt es keinen Ausweg. Natürlich besteht die Gefahr, dass man das soziale Elend gewaltig angeschmalzt serviert bekommt – und die Gefahr, dass man es eigentlich nicht sehen will. Zu den Filmen von Ken Loach muss man sich zwingen. Und fühlt sich nachher schlecht.

Vor allem, wenn Ricky am Ende, nachdem man ihn zusammen geschlagen und seine Pakete aus dem Van geraubt hat (er muss noch für verlorene Pässe Strafe zahlen, obwohl er das Verbrechensopfer ist!), sich wieder ans Steuer setzt, statt ins Spital zu gehen… weil das offenbar der einzige Weg ist, der ihm bleibt. Ein schwer auszuhaltendes Finale.

Gut, es ist verdammt dick aufs Kinobrot geschmiert. Aber man würde nicht wetten, dass es solche Schicksale nicht gibt. Und man bewundert Ken Loach, dass er nicht aufhört, das System anzuklagen.

 

Renate Wagner, 27.2.2020

Bilder (c) Wild Bunch / Österreich: NFP Marketing

 

 

 

 

 

J’accuse / Frankreich / 2019

Drehbuch und Regie: Roman Polanski

Mit: Jean Dujardin, Louis Garrel, Emmanuelle Seigner u.a.

Filmstart; 7. Februar 2020

TRAILER

 

Die Franzosen sprechen nicht gerne über die „Dreyfus-Affäre“, schließlich erinnert sie daran, dass der französische Antisemitismus nicht weniger heftig war als der deutsche oder österreichische (und, um das gerechterweise auch zu erwähnen, der englische und amerikanische…). Heute ist es eine erwiesene Tatsache, dass das französische Militär im Jahre 1895 den bequemsten Weg ging, als sie einen deutschen Spion in ihren Reihen ausmachten. Sie manipulierten „Beweise“ so, dass alles auf den einzigen Juden im Corps, den ehrgeizigen Alfred Dreyfus, wies. Man verurteilte ihn, schaffte ihn auf die Teufelinsel, einen Felsen im Atlantik, und kein Mensch scherte sich weiter darum, „dass der Jude da irgendwo auf einer Insel sitzt“.

Bis auf einen Ehrenmann, Oberst Marie-Georges Picquart, der zum neuen Geheimdienstchef befördert wurde und nach und nach Indizien dafür fand, dass nicht Dreyfus, sondern der Offizier Walsin-Esterházy der Verräter war. Bestseller-Autor Robert Harris, der eine wunderbare Hand für historische Stoffe hat, ob er sich mit Cicero beschäftigt, ob mit Dreyfus, hat einen überaus spannenden Roman geschrieben – weniger über die Affäre Dreyfus selbst, wenngleich es signifikante Szenen als Rückblende gibt, als vielmehr über Picards Kampf um Gerechtigkeit.

Da tritt der Antisemitismus, der natürlich nie aus den Überlegungen verschwindet, in den Hintergrund angesichts der Mauer, die die Phalanx der militärischen Verantwortlichen bilden, angesichts der Bereitschaft der Politik, Unrecht zuzulassen (weil man den Fall ein- für alle Male erledigt haben wollte), angesichts der Gleichgültigkeit, menschlichem Elend gegenüber. Picard war im Grunde mit all seinen Vorstößen erfolglos, weil die Mächtigen nicht bereit waren, Unrecht zuzugeben – und wie heute bedurfte es der Medien, um den Fall in die Öffentlichkeit zu tragen.

So laut anklagend– „J’accuse!“ -, dass es einen Aufschrei der Öffentlichkeit gab. Man darf nicht vergessen, wie mutig das von Emile Zola war, diese Anklage in die Zeitung zu setzen: ein Jahr Haft hätte ihm gedroht, wenn er nicht rechtzeitig nach England geflohen wäre (was dieser Film nicht zeigt).

Der Fall war damit nicht erledigt: Dreyfus wurde zwar zurück geholt, im zweiten Prozeß erneut verurteilt, bis dann das Gefüge der militärischen Verschwörung langsam bröckelte und die Wahrheit ans Licht kam. Der Prozeß, den man Esterhazy machte, endete mit Freispruch. Und die ganze Affäre spaltete die Nation und wurde zum Anheizen des Antisemitismus instrumentalisiert…

All das klingt wie trockener Geschichtsunterricht, ist es aber nicht in Harris’ Roman und noch weniger in der Verfilmung von Roman Polanski (der von diesem Autor schon 2010 den Roman „The Ghostwriter“ verfilmt hat). Irgendwie hat man immer den Eindruck von Polanski als jungem Mann, aber tatsächlich ist er, Jahrgang 1933, bald 87 Jahre alt. Und doch kein bisschen alt. So straff er die Zügel dieser Geschichte hält, so wenig er sich auf Demagogie und Gehässigkeit einlässt, so sehr sprüht sein Film von Kraft, obwohl er in der reglementierten Welt des Militärs und seiner Rituale spielt und immer die Form gewahrt wird. Wie Picard Schritt für Schritt der Verschwörung gegen Dreyfus auf die Spur kommt, ist ein ungemein spannender Krimi. Der aber nie seine Aussage vergisst – nicht eine Sekunde lang.

Die Besetzung ist hervorragend: Jean Dujardin hat sich dermaßen in Picard verwandelt, dass man in ihm gar nicht den „Stummfilm-Star“ erkennen würde, der einst im Mittelpunkt der „Oscar“-gekrönten Komödie „The Artist“ (2011) stand. Entscheidend ist, dass man ihm die absolute Integrität abkauft, den Mann, der sich nicht biegen und nicht korrumpieren lässt. Es ist ein kluger Schachzug, dass Louis Garrel den verbissenen Dreyfus, seinerseits Soldat bis in die Fingerspitzen, nicht unbedingt sympathisch zeichnet – ihn durchglüht der Ehrgeiz des Außenseiters, der es um jeden Preis schaffen will.

Neben den beiden eine edle Ansammlung erster französischer Schauspieler und faktisch nur eine Frau: Dass es Polanski-Gattin Emmanuelle Seigner ist, nimmt dem Regisseur sicher niemand übel. (Wie historisch sie als Geliebte von Picard ist, müsste man recherchieren, spielt aber keine Rolle.)

Der ganze Fall ist mehr als ein Jahrhundert her. Aber noch heute würde eine Institution wie das Militär vermutlich eng zusammen rücken, um Unrecht zu vertuschen, noch heute würden Politiker nach pragmatischen Erwägungen handeln und kaum vordringlich im Sinne der Rechts, noch heute würde man mit Wonne auf den „Juden“ zeigen, dem man meint, etwas vorwerfen zu können, noch heute könnten die Medien (und sie allein) bewirken, dass in gewissen Fällen eine Wendung eintritt. Das ist ein Kostümfilm, aber es ist auch ein Film von heute. Und von Polanski meisterlich inszeniert.

 

Renate Wagner, 11.2.2020

Bilder © Fox

 

 

Filmstart: 25. Dezember 2019

Le Mystère Henri Pick / Frankreich / 2019

Regie: Rémi Bezançon

Nach einem Roman von David Foenkinos

Mit: Fabrice Luchini, Camille Cottin, Alice Isaaz, Bastien Bouillon u.a.

 

TRAILER

 

Literatur-Krimis sind ein Genre für sich, wenn auch meist zwischen Buchdeckeln. Wer gerne liest, liest auch mit Begeisterung über Autoren und das Rundherum um das Entstehen von Büchern. Und wenn es gar Geheimnisse gibt… wer hat nun Shakespeares Werke wirklich geschrieben? So hoch greift der französische Film „Der geheime Roman des Monsieur Pick“ nicht. Da geht es nur um ein plötzlich aufgetauchtes Manuskript von einiger Bedeutung – und einen Literaturkritiker, der partout nicht glauben will, dass ein (inzwischen verstorbener) Pizza-Bäcker dessen Autor sein soll.

Daraus macht Regisseur Rémi Bezançon nach der Vorlage eines Romans von David Foenkinos einen zwar etwas langsamen Film, der aber als Satire auf das heutige Literaturleben (und nicht zuletzt auf Leser!) sehr gut funktioniert. Es braucht halt im Zuschauerraum selbst Leser oder Literaturliebhaber – sonst wird man sich vielleicht langweilen…

Es beginnt mit einer Fernsehdiskussion. Es wird auch in unserer Zeit, in der ein Großteil der Menschen nur noch in ihre Smartphones starrt, über Literatur diskutiert (vielleicht aus einer Art „Bildungs“-Bewußtsein heraus?). Natürlich gibt es auch hoch gestochene Schnösel, und Literatur-Kritiker Jean-Michel Rouche (Fabrice Luchini sprüht Arroganz) ist ein solcher. Er geht sogar zu weit in seinen Beschimpfungen, fliegt raus – und muss seinen Ruf wieder herstellen.

Stein des Anstoßes ist der Roman von Monsieur Pick. Das Ganze hat eine Vorgeschichte: Es gibt auf einer Insel in der Bretagne eine Bibliothek besonderer Art. Sie heißt „Bibliothek der abgelehnten Bücher“ und sammelt Manuskripte, die keinen Verlag gefunden haben (wenn nicht der 25. Verleger Verstand genug gehabt hätte, das Buch zu nehmen, fände sich vielleicht nach 24 Ablehnungen auch Umberto Ecos „Der Name der Rose“ dort…).

Und genau dorthin, in die Bretagne, kommt die Verlagsangestellte Daphné Despero (Alice Isaaz), der Literatur durch ihren schreibenden Liebhaber Fred Koskas (Bastien Bouillon) auch privat verbunden. Als sie von dieser „Bibliothek“ hört, stürzt sie sich natürlich darüber – und hier will sie einen Roman namens „Die letzten Stunden einer großen Liebe“ gefunden haben, der durch die Geschichte seiner geheimnisvollen Entdeckung Aufsehen erregt (ohne Medien geht gar nichts) und prompt zum Bestseller geworden ist.

Und wer soll dieses Meisterstück nun verfasst haben? Monsieur Pick, der angeblich nie auch nur ein Buch in der Hand gehabt hat? Nie und nimmer! beschließt die Literaturszene in Gestalt von Monsieur Rouche. Und nun begibt sich der Film mit dem Hochmutskritiker auf die Suche nach dem „wahren Autor“. Es ist eine Reise durch die Provinz, zur Pick-Familie, wo die Tochter (Camille Cottin) nach anfänglichem Widerstand dann doch eine verständnisvolle Mitstreiterin wird, in das Milieu leidenschaftlicher Leser (die schnell zur Vergötterung von Autoren bereit sind).

Auf der Suche nach der Schreibmaschine, auf der das Manuskript getippt wurde, wähnt man sich bei Agatha Christie, und fast läuft alles aus dem Ruder … aber das hat viele amüsante, hintergründige Elemente. Kurz, es wird der klassische Spurensuche-Krimi daraus – in einem Milieu, das immer seinen Reiz hat. Man weiß es ja: Autoren – Verleger – Kritiker – Publikum, das ergibt ein mit Hochspannung gefülltes Beziehungsfeld, wobei man vor Überraschungen nie sicher ist.

Man kann sagen, dass die Lösung des Rätsels zwar nicht sehr sympathisch, aber auch nicht unwahrscheinlich ist. Schließlich geht es ja darum, dass in dieser Welt nur wahrgenommen wird, worum man genügend Wirbel macht. Und das ist „Monsieur Pick“ ja gelungen. Auch wenn er nur als widersprüchliches Diskussionsmaterial herhalten musste. Hauptsache, man kommt in die Medien. So werden Bestseller gemacht? Aber ja!

 

Renate Wagner, 27.12.2017

(c) Neue Visionen Filmverleih

 

 

 

 

Filmstart: 4. Oktober 2019

Deutschland / 2019

Regie: Christian Schwochow

Mit: Levi Eisenblätter / Tom Gronau, Ulrich Noethen, Tobias Moretti, Johanna Wokalek u.a.

 

TRAILER

 

Wer 1968 noch jung war, aber alt genug für Reflexion, für den mochte der Roman „Die Deutschstunde“ von Siegfried Lenz so etwas wie ein Augenöffner gewesen sein. Deutschland war so sehr mit seinem Wirtschaftswunder und seinem Zukunftsglauben beschäftigt, dass man die Vergangenheit nur zu gerne hinter sich gelassen hatte – die penible Aufarbeitung begann erst später. Und da war nun plötzlich dieser Roman.

Dabei ging es Siegfried Lenz in seiner Geschichte nicht um die vordergründigen Gräuel des Nationalsozialismus zwischen Judenverfolgung und Todeslager, sondern um eine gewissermaßen ganz alltägliche Geschichte. Und vor allem um das Bewusstsein der Menschen damals – jener, die das Regime ermöglicht hatten, und jener, die trotz ihres inneren Widerstands nichts verhindern konnten… Wie die Ideologie ganz selbstverständlich die Menschlichkeit, die Mitmenschlichkeit, die Gefühle auslöschte. Und alle ihr Handeln für richtig erachteten.

An sich wird das Buch und der Film, den Christian Schwochow (nach einem hoch intelligenten Drehbuch seiner Mutter Heide Schwochow) geradezu ingeniös inszeniert hat, von „Siggi“ erzählt – dem knapp 20jährigen Siggi Jepsen, der sich in einer Besserungsanstalt befindet und (anhand eines Aufsatzes über „Die Freuden der Pflicht“) zurückdenkt, an zehn Jahre davor. Und an seinen Vater. Und an seinen „Onkel“, den Maler, Und daran, wie die Welt damals war.

Dort, im sehr einsamen, sehr nördlichen Schleswig-Holstein, wo Siggis Vater Jens Jepsen, damals im Jahr 1943, Polizist im Dienst des Nationalsozialismus war. Ein sehr überzeugter. Einer, für den es Selbstverständlichkeit und Ehrensache war, „seine Pflicht zu tun“. Selbst wenn diese Pflicht bedeutete, dem eigenen Jugendfreund, dem Maler Max Nansen, ein Arbeitsverbot zu überbringen und dessen Einhaltung zu überwachen. Was Jepsen ganz ohne „laissez faire“ mit eiserner Entschlossenheit durchzieht. Wenn die NS-Behörden befinden, dass Nansens Werke „entartete Kunst“ sind, dann findet Jepsen das auch. Man stellt die Autoritäten nicht in Frage.

Und wenn der eigene älteste Sohn sich als Deserteur zuhause verstecken will, liefert er ihn den Behörden aus: die Freuden der Pflicht, für Jepsen selbstverständlich. Der auch schon auf Gattin, Tochter und den kleinen Siggi einprügelt, wenn diese sich nicht konform verhalten… Er würde nie auf die Idee kommen, dass er Unrecht tut. Er ist schließlich von seiner Pflicht überzeugt – und tut sie.

Der zehnjährige Siggi ist ein „Go between“ zwischen Vater und dem Maler, dem er herzlich zugetan ist und vice versa. Dessen Bilder ihm so nahe gehen, dass er sie versteckt, damit sie nicht abtransportiert werden. Der Widerstand des Jungen gegen den Vater wächst, aber ein Kind hat nur wenige kleine Tricks sich zu wehren (wie das verlassene jüdische Haus, das er findet und wohin er sich zurückziehen kann). Er muss zusehen, wie erst die Bilder, dann der Maler abtransportiert werden. Wie dieser zurückkommt, aber dessen Frau den Terror nicht ertragen hat und stirbt.

Und als irgendwann alles zu Ende ist und die Amerikaner den kopfschüttelnden Vater abführen – ja, da kommt dieser bald wieder. Offenbar hat er alle überzeugen können, dass er nur als kleiner Mann seine Pflicht und niemandem etwas Böses getan hat. Und er ist vollkommen unverändert, uneinsichtig derselbe, der er immer war… sicher auch eine Aussage, zumal 1968, wo all diese Menschen noch nicht wirklich alt waren…

Der Regisseur vermeidet jegliche Vordergründigkeit, der Nationalsozialismus springt nicht grell in die Augen, wie sollte er auch in einem kleinen Dorf im Norden. Er ist im Grunde nur in Siggis Vater da – und verbreitet stillen Terror. Christian Schwochow lässt sich für seinen Film wunderbar Zeit, fährt lange über die Landschaft, das Meer, zeigt Wind, Wellen, Kälte, Einsamkeit. Der Symbolgehalt der Landschaft ist bedeutend, die Holzschnitthaftigkeit, mit der die Menschen agieren, geht unter die Haut.

Es ist ideal, einen Mann wie jenen starren Polizisten mit einem Schauspieler wie Ulrich Noethen zu besetzen, der so gerade und korrekt wirkt und dabei so gnadenlos sein kann, ohne seine absolute Selbstverständlichkeit zu verlieren. Und auch Tobias Moretti unterspielt den Maler mit dem tragischen Schicksal, geht unemotional mit seinem Schicksal um: Es sind stille Menschen, dort im Norden. Und doch ist klar, dass sich hier eine Tragödie abspielt, die erst in den Köpfen der Menschen und dann in der blutigen Wirklichkeit ausgefochten wird.

Ganz wunderbar die beiden Siggis, Levi Eisenblätter als der zehnjährige Siggi, der gegen den väterlichen Terror immer instinktiv das Richtige tut, und Tom Gronau, der als Zwanzigjähriger nach dem Erlebten dann doch ein zutiefst verstörter junger Erwachsener geworden ist. Eine wahre Tragödie (ohne auf billige Weise „aufzudrehen“) liefert Johanna Wokalek als Nansens unerschütterlich loyale Frau.

Dass Siegfried Lenz mit Nansen damals Emil Nolde meinte, von dessen nationalsozialistischen Neigungen – obwohl er als „entartet“ verfemt wurde! – man zu dieser Zeit noch nichts wusste, spielt für den Film absolut keine Rolle. Es geht auch nicht ausschließlich um den Nationalsozialismus, sondern um das starr verbogene Bewusstsein von Menschen, die zwischen richtig und falsch nicht unterscheiden können und wollen. Die sich jeder Einsicht verweigern. Und die soll es auch heute noch geben…

Die mehr als zwei Stunden des Films mögen manchem lang erscheinen. Aber auch die Ruhe des Erzählens trägt zu seinem Rang als filmisches Meisterwerk bei.

 

Renate Wagner, 24.10.2019

(c) wild bunch germany

 

 

 

 

 
The White Crow / Frankreich/GB / 2018
Regie: Ralph Fiennes
Mit: Oleg Ivenko, Ralph Fiennes, Adèle Exarchopoulos u.a.


Die Wiener liebten ihn besonders, aber er war ein Faszinosum für die ganze Welt: Rudolf Nurejew, dieser unvergleichliche Tänzer, dieser hochmütige junge Russe, der in den Westen „sprang“ und ihn eroberte. Wobei das „Springen“ nicht so einfach war, und genau dieses Thema stellt sich der Film von Ralph Fiennes, sonst bekannt als Schauspieler (der auch hier eine Rolle übernimmt, weil die Produzenten es erwarteten – er ist der einzige bekannte Name in dem Unternehmen…).

„Haben Sie heute Abend getanzt?“ fragt eine französische Dame bei der Premierenfeier in Paris, nachdem das Kirow-Ballett aus St. Petersburg sein viel beachtetes Gastspiel begonnen hat. „Wenn ich getanzt hätte, hätte Sie es sich gemerkt“, antwortet der junge Russe mit hochmütigem Blick. Rudolf Nurejew, damals im Jahr 1961 gerade 23 Jahre alt… und von grandiosem Selbstbewusstsein.

Was man kursorisch weiß: Nurejew ist damals in den Westen abgesprungen, wird hier nun in aller Ausführlichkeit erzählt. Das ist der starke Rahmen einer Geschichte, die immer wieder in die Vergangenheit zurückgeht – mit einer entschlossenen Mama, die ihren kleinen Rudik an der Hand hält und den Marsch durch die sperrigen kommunistischen Institutionen antritt. Rudik als der dünne, kleine Junge, der sich immer fremd fühlte – und der das Theater so liebte. Bis er dann seinen Weg ins Ballett machte, unterstützt von jenem Alexander Puschkin (den Fiennes glatzköpfig selbst spielt), der vom KGB alle Schwierigkeiten der Welt bekam, als sein Schützling aus dem Westen nicht zurückkehrte…

Diese Haupthandlung in Paris lebt von der andauernd präsenten Spannung der Situation, die Fiennes als Regisseur sehr gut ausmalt: der junge Nurejew, der mit unendlicher Neugierde den „Westen“ in sich einsaugt, der im Louvre vor dem Revolutionsbild von Delacroix steht, der aber auch den Franzosen sagt, dass sie die Kunstform des Balletts vielleicht erfunden haben mögen, dass die Energie aber aus dem Osten käme… und natürlich meint er sich persönlich.

Was ist anders, als Nurejew mit Hilfe von Puschkin in den Mittelpunkt rückt? Vor ihm, erklärt man uns, war der Tanz der Männer langweilig, alles konzentrierte sich auf die Primaballerina. Seine ungeheure Ausstrahlung, seine Entschlossenheit, immer der Beste zu sein, brachte da die Wende. Auf einmal war der Erste Tänzer der Star – und er ist es geblieben, solange er lebte, wann immer er eine Bühne betrat.

Fiennes konnte diesen Film nur machen, weil er in dem Tänzer Oleg Ivenko (in der Ukraine geboren, wird als Russe geführt) schlechtweg eine Idealbesetzung gefunden hat. So jung, wie Nurejew damals war, mit ungeheurer, kraftvoller Ausstrahlung als Tänzer (laut Wikipedia ist er Solotänzer in Kasan), der die besondere, störrische, entschlossene, unbezähmbare Persönlichkeit Nurejews in jeder Sekunde glaubhaft macht.

Nurejew, wie alle seiner Kollegen bei diesem Gastspiel ununterbrochen von KGB-Leuten belauert, suchte so viel Kontakt, wie er konnte. Es ist historisch, dass er Clara Saint (Adèle Exarchopoulos) kennen lernte, und es ist eine – tragische – Tatsache des Schicksals, dass ihr wenige Tage zuvor getöteter Geliebter der Sohn des Kulturministers Andre Malraux war: Vermutlich hätte sie sonst nicht so viel Prestige besessen, Nurejew bei seiner Flucht zu helfen.

Dass Nurejew „auf dem Sprung“ war, zeigt sich schon daran, dass er rechtzeitig Englisch gelernt hatte, um im Westen kommunizieren zu können. Die KGB-Leute witterten sehr wohl, was er vor hatte. Als die Truppe nach London weiter reisen sollte, wurde beschlossen, Nurejew solle auf der Stelle in die UdSSR zurückkehren. Er wehrte sich mit Händen und Füßen, und am Flughafen kam es zum Eklat. Clara, die alles für ihn getan hatte, die für ihn schon den Asylantrag gestellt hatte, kam auf den Flughafen, angeblich um sich zu verabschieden, tatsächlich, um ihn in dem Wirbel, den er veranstaltete („I want to be free!“ brüllte er), von den KGB-Leuten weg und zu den Pariser Behörden hinzulotsen, die schon von ihr informiert waren.

Da nimmt die Geschichte wirklich gewaltig an Dramatik auf… Die Russen dringen zu ihm durch, erklären ihm, welchen Fehler er macht, erpressen ihn emotional mit seiner Mutter, verlangen, dass er sofort mit ihnen kommt, und Nurejew sagt immer nur: „Njet“…

Und Fiennes schneidet Bilder des kleinen Jungen, der tanzt, gegen den ungeheuren Medienrummel, den Nurejew in Paris verursacht – und gegen das peinliche Verhör seines Mentors durch die KGB-Leute, die ihn verantwortlich machen.

Tanz und Politik einerseits, das Porträt eines faszinierenden Künstlers andererseits: Wohl vor allem ein Film für Fans, aber diese werden hingerissen sein.

 

Renate Wagner 27.9.2019

(c) Alamode Film

 

 

 

 

Filmstart: 15. August 2019

 

USA / 2019

Drehbuch und Regie: Quentin Tarantino

Mit: Leonardo DiCaprio, Brad Pitt, Margot Robbie, Al Pacino u.a.

 

TRAILER

 

„Once upon a time“ bedeutet so viel wie unser „Es war einmal“, und so beginnen Märchen. Nur dass uns Quentin Tarantino, wenn es denn ein Märchen sein soll, das er in seinem neunten Spielfilm über Hollywood von einst erzählt, dieses zwar satirisch und überbordend anspielungsreich, aber auch ziemlich – zäh angelegt hat. Trotz Starbesetzung, die natürlich funktioniert. Aber die drei Stunden, die man durch das Patchwork von Szenen steigt, die „damals“, in diesem Fall 1969, in Hollywood spielen, ziehen sich.

Einerseits geht es um Atmosphäre, und in einer Welt ohne Internet und Handys war es gewissermaßen gemütlicher. Man fuhr in den Riesenschlitten durch Los Angeles und betrachtete abgerissene Hippie-Girls am Straßenrand. Man saß in Lokalen und drosch leeres Stroh (tut man das nicht noch immer?). Wenn man nicht arbeitete, wusste man nichts mit sich anzufangen. Alltagsszenen. War es wirklich so fad, damals in Hollywood?

Eine stringente Geschichte erzählt sich solcherart nicht, also hat der Film zwei Haupt-„Helden“, wenn man sie als solche bezeichnen kann (denn auch in ihrem Fall hat die Dramaturgie Löcher, sie sind auch nur punktuell da). Hauptfigur „Rick Dalton“ (so heißt ein Western-Darsteller damals) vermag schon vermitteln, wie hart sich der Beruf für jemanden in einer Welt anfühlt, wo man nur so viel wert ist wie sein letzter Erfolg: Leonardo DiCaprio, der längst aufgehört hat, ein hübscher junger Mann zu sein, bietet die Verbissenheit und Verkrampftheit eines „Stars“, der – wie jeder und er am besten weiß – eigentlich schon zu den „Has been“ gehört und der ununterbrochen kämpfen muss, den Boden unter den Füßen nicht zu verlieren.

Sei es mit Fernsehserien. Sei es, verdammt noch mal, mit verachteten Italo-Western, die man in Europa drehen muss. In einer köstlichen Szene gleich zu Beginn macht Al Pacino (in abenteuerlicher Maske) als schmieriger Agent Marvin Schwarz klar, dass die Möglichkeiten beschränkt sind…

Es ist kein „Buddy“-Film, aber dennoch würde dieses Handlungs-Minimum um Rick Dalton noch weniger funktionieren, wenn Tarantino ihm nicht einen Begleiter gegeben hätte. Und Brad Pitt als Cliff Booth ist fast die interessantere Figur. Er ist nicht nur Daltons Stuntman, er ist sein Bodyguard, Chauffeur, Mann für alles – und er wird nicht vor Neid auf den Mann zerrissen, der im Gegensatz zu ihm „berühmt“ ist. Nein, ihm gefällt seine gelassene „Rolle“ am Rande, er ist entspannt, weil der Druck auf ihn gering ist, er kann lachen und sogar trösten und meist die Achseln zucken. Wenn man ihm auch nachsagt – was er kommentarlos hinnimmt – er habe einst seine Frau umgebracht und sei damit davon gekommen, was soll’s? In einer unglaublich komischen Szene legt Bruce Lee (Mike Moh) sich mit ihm an – da er aber seine kämpferischen Fähigkeiten nur simuliert, Cliff hingegen echt zuschlägt, bleibt der Action-Held im richtigen Leben auf dem Boden. (Und die Kinder von Bruce Lee haben sich schon lautstark über die Darstellung ihres Vaters in Tarantinos Film beschwert…)

Es gibt viele, nicht immer zusammenhängende Szenen und Episoden (Rick dreht eine brutale Filmszene mit einer Achtjährigen – schaurig cool als Partnerin: Julia Butters, Cliff besucht einen alten Kollegen, der in den Händen der Hippies ist und sich nicht an ihn erinnert), außer den beiden Helden tritt kaum jemand hervor – außer natürlich Sharon Tate, die Schöne, die „mit diesem polnischen Regisseur“ verheiratet ist, den alle als großes Talent preisen. Sie ist schön, nett und vielleicht ein bisschen hohlköpfig (Margot Robbie), aber unter den Kindern dieser Epoche sicher nicht die übelste. Ihr Bungalow liegt neben jenem von Rick, und man sieht ihr zu, wie sie die Zeit totschlägt (ihr Mann ist in Europa), weil sie nichts Besseres zu tun hat…

Dann tauchen – und nun sollte es langsam nicht so plätschernd, sondern Tarantino-griffiger zugehen – die seltsamen, ja unheimlichen Groupies auf, die um diesen Charles Manson (Damon Herriman) abhängen, der komischerweise zu seiner Umwelt überraschend höflich agiert. Und natürlich sind alle immer wieder „stoned“, und weil man in Hollywood ist, taucht logischerweise die Frage auf: Are you real? Ja, was ist „real“?

Das Finale spitzt sich zu, man wartet schon etwas ungeduldig, etwas gelangweilt darauf, dass das unscharfe Genrebild von Hollywood endlich Farbe und Kontur gewinnt. Ja, wie war das damals, als Sharon Tate und ihre Begleiter von der Manson-Bande hingeschlachtet wurden?

Es ist gewissermaßen Ehrensache, dass kein Kritiker verrät, wie Tarantino nun mit dem Fall des historischen Tate-Mordes umgegangen ist – man kann jedenfalls sagen, dass er sich hier selbst so nahe ist wie in sonst keinen Passagen. Kino ist Kino, Hollywood ist Hollywood, das merkt man ganz am Ende besonders, da steht historische Akkuratesse nicht zur Diskussion. Da schlagen die grimmigen Pointen Purzelbäume, und man möchte wünschen, dass die Dinge im wahren Leben à la Tarantino gelaufen wären…

„What the fuck happened?“ lässt Tarnatino Roman Polanski (Rafal Zawierucha), aus Europa heimgekehrt, fragen. Ja, das fragt man sich auch. Immerhin versöhnt das Ende mit großen Teilen des Films, die den genialen Schwung des Regisseurs missen lassen. Sorry, er selbst hat die Latte gelegt, an der man ihn misst. Nun muss er sich mit seinem nächsten, dem zehnten Film – wenn er denn tatsächlich sein letzter sein soll – besondere Mühe geben, damit man (wie bei den „Inglourious Basterds“) genussvoll sagen könnte: typisch Tarantino… Denn der stand doch eigentlich immer für zähneklappernde äußere und innere Spannung.

 

Bilder (c) Sony Pictures

Renate Wagner 13.8.2019

 

 

 

Filmstart: 11. Juli 2019


GB / 2019 
Regie: Danny Boyle
Mit: Himesh Patel, Lily James, Ed Sheeran, Kate McKinnon u.a.

TRAILER


In der seriösen Geschichtsschreibung sind „Was wäre, wenn“-Fragen verpönt. Was wäre, wenn Alexander der Große nicht so jung gestorben wäre, wenn er die Vermengung der Kulturen fortgesetzt hätte, den östlichen Kosmos bis weit über Indien in den europäischen einbezogen hätte? Die Welt von heute sähe zweifellos anders aus. Aber er ist jung gestorben, und wir wissen nicht, wie alles anders gekommen wäre, wenn…

Das Kino muss es nicht so ernst nehmen wie die Historie, dort darf man eigentlich alles. Dieser Film stellt eine weit irrelevantere Frage, die trotzdem Millionen Menschen mehr interessieren wird als Spekulation über eine Alexander-Welt: Was wäre wenn – wenn es die Beatles nie gegeben hätte?

Die „Beatles“. Die was? Damit das möglich ist, dass sie nicht einmal in Google auffindbar sind, dafür muss die Welt schon einmal total „ausfallen“ – nur 12 Sekunden lang, aber das reicht (erklärt wird das nie, muss es auch nicht, der ganze Film basiert mehr oder minder auf Unsinn). Man hat Malik, den indischen Briten (Himesh Patel), schon kennen gelernt, man weiß, dass er gerne ein Pop-Star wäre, man hat auch längst kapiert, dass außer seiner reizenden Freundin Ellie (Lily James in bezaubernd gestrigem Look) gar niemand bereit ist, an ihn zu glauben. Man ist schließlich nur im ländlichen Suffolk…

Dann wird er während des Stromausfalls von einem Auto bewusstlos gefahren – und, weiß der Himmel, wieso, danach singt er einen Beatles-Song vor sich hin. Wenn er Ellie die weltberühmte Frage „Will you still feed me when I’m 64?“ stellt, weiß sie nicht, wovon er redet. Nur er erinnert sich – und folglich kann er „Yesterday“ oder „All you need is love“ neu erfinden. Kein Wunder, dass er jetzt Erfolg hat: Diese Songs sind ja auch verdammt überzeugend…

Der nächste Teil des Films macht aus einem kleinkalibrigen Briten einen Star, wobei er in die Hände der ekligen Managerin Debra (Kate McKinnon) fällt, die uns zeigt, wie ungut das Business eigentlich ist: Wie neulich auch in dem Elton-John-Film wird gezeigt, wie normale Menschen („Ist his the best you can look?“ fragt sie ihn) zu Kunstfiguren gemacht werden, um sie in einem leeren Glitzerbusiness zu „verkaufen“ und die „Schauer von Geld und Ruhm“  über sie zu ergießen… Und ohne „Image“ geht das nun einmal nicht. Doch wenn unser Held, der doch einmal ein schlichter britischer „Fish & Chips“-Boy war, dann merkt, dass er seine menschliche Seite (und seine Liebe) verliert – na, dann kommt es, wie es kommen muss.

Regisseur Danny Boyle hat mit „Trainspotting“ schon härtere Kost serviert, auch „Slumdog-Millionär“ war nicht ganz so nett, aber vielleicht liegt es am Drehbuch von Richard Curtis, der ein paar der hübschesten englischen Unterhaltungsfilme geschrieben hat („Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ oder „Notting Hill“): Regisseur und Drehbuchautor blättern hier einfach ein irrationales Pop-Märchen auf – mit viel Gesang (Himesh Patel singt die Beatles-Schlager auf seine Art selbst) und vielen Konzert-Szenen mit kreischenden Fans.

Und für diese – wirklich nur für Pop-Fans – ist der Film gemacht, und sie werden auch Rotschopf Ed Sheeran erkennen, der sich selbst spielt und der Leuten, die vordringlich in die Oper gehen, möglicherweise unbekannt ist.

Das alles ist so weit nicht unlustig, aber eine Frage drängt sich unweigerlich auf: Wenn es doch die echten Beatles gegeben hat – warum muss man seine Songs von einem sympathischen, aber irrelevanten jungen Inder singen lassen? Und sie auf solchen Umwegen „unecht“ auf die Leinwand bringen? Nur um zu zeigen, wie unvorstellbar die Welt ohne ihre Songs wäre? Nun ja, das ist immerhin ein Argument…

 

Renate Wagner, 11.7.2019

(c) Universal Pictures

 

 

 

 

Fillmstart: 20. Juni 2019

GB / 2019

Regie: Dome Karukoski

Mit: Nicholas Hoult, Lily Collins, Derek Jacobi u.a.

TRAILER

 

Neuerdings gibt es gerne Filme über britische Literaten und die Entstehung ihrer berühmten Werke. Wer Tolkien sagt (John Tolkien, 1892-1973), sagt „Herr der Ringe“, und die Sache ist geritzt. Dennoch, wenn man ehrlich ist – vorangegangene Filme über A.A. Milne und die Idee zu „Pu der Bär“ und mehr noch, Charles Dickens, der seine „Weihnachtsgeschichte“ findet, sind weit überzeugender ausgefallen als dieser Weg in eine eher trockene Vergangenheit.

Biopics haben den Vorteil, dass sie ihr Publikum (im allgemeinen) gescheiter entlassen, als sie ins Kino hineingegangen sind – denn so viele Details, wie man in historischen Filmen zu hören und sehen bekommt, weiß man selten. Nun würde ein englischer Autor – ein englischer Autor eben – hierzulande wohl kaum viel Interesse finden, wäre da nicht das Reizwort „Mittelerde“: Tolkien ist der Mann, der einen Kosmos erfunden hat, der in der Literatur fast so groß ist wie jener von Wagners „Ring des Nibelungen“ in der Musik. Wie viel er diesem Werk verdankt, wird zumindest in einer langen Szene, wo er „Rheingold“ in der Oper erlebt (mit ein paar dramatischen Szenen des Werks herausgehoben), anerkannt.

„Der Herr der Ringe“ und „Hobbit“ – selbst, wer sie nicht gelesen hat, kennt vermutlich Peter Jacksons Verfilmungen. Die Frage ist nun wirklich, wie jemand darauf kam, diese Welten zu kreieren, mitsamt der dazugehörigen Sprache, wobei Sprache an sich – vor allem die Etymologie – eines der zentralen Interessen von Tolkien war.

Der Film des finnischen Regisseurs Dome Karukoski verfährt nicht chronologisch, sondern mixt die biographischen Ebenen. Das macht Geschichten üblicherweise etwas spannender, aber auch unübersichtlicher (man kann nicht alles haben…). Da ist ein Junge, dessen Mutter schon Geschichten von Drachen, Schwertern und Schätzen erzählt. Da ist nach deren Tod kein sehr angenehmer Priester sein Vormund, der ihn und seinen Bruder in ein Internat steckt (dass englische Schulen kein angenehmer Ort waren, leugnet niemand). In der Schule findet er drei Freunde, mit denen er sich auch intellektuell austauschen kann und die schon einen kleinen literarischen Zirkel bilden.

Die jungen Schauspieler switchen zu den Erwachsenen, und Nicholas Hoult übernimmt mit ernstem, intensivem Gesichtsausdruck den Tolkien der Universitätsjahre. Davor schon gab es die Liebesgeschichte mit Edith Bratt (die immer erfrischende Lily Collins), und dann kommt der Erste Weltkrieg mit ausführlichen, tragischen Kampfszenen in Frankreich, die sich mit seinen halluzinatorischen phantastischen Vorstellungen (da wandern dann auch die feuerspeienden Drachen am Schlachtfeld) vermengen.

Entscheidend in den Jahren in Oxford ist das Interesse an Sprache (was er auch schon seiner Braut klarmachen wollte – die es übrigens ist, die eine Passion für Wagner hat und ihn mit Wagners „Ring“ bekannt macht). In Oxford begegnete Tolkien Professor Joseph Wright (der große Derek Jacobi genießt dessen Exzentrik), der genial im Vergleichen der zahllosen alten Sprachen war, die er studiert hatte: Tolkien wurde – es war nicht leicht – sein berühmtester Schüler. Diese Dinge wirken vielleicht etwas theoretisch, aber man weiß ja, was daraus geworden ist.

Wenn der Kosmos, den Tolkien schließlich in „Der Herr der Ringe“ aus Überlieferung und Phantasie baute, hier bloß nicht so Englisch-trocken von der Leinwand käme… Irgendwie hätte man sich den Mann, der dies schuf, sprühender vorgestellt.

 

Renate Wagner, 20.6.2019

Copyright 2019 Twentieth Century Fox

 

 

 

 

Filmstart: 10. Mai 2019

USA / 2019

Regie: Jon S. Baird

Mit: John C. Reilly, Steve Coogan, Nina Arianda, Shirley Henderson u.a.

 

TRAILER

 

Der eine ein bisschen sauertöpfisch und dümmlich, der andere der aufgedrehte Dicke, der perfekte Kontrast – – das waren Stan & Ollie, der Brite Stan Laurel (1890- 1965) und der Amerikaner Oliver Hardy (1892- 1957), auf Deutsch so unfreundlich „Dick und Doof“ benannt und als Paar ein großes Kapitel Filmgeschichte. Dass ein biographischer Film über zwei Komiker, die Millionen zum Lachen brachten, aber seinerseits alles andere als eine reine oder gar platte Lachnummer ist, sondern eine tief empfundene, menschliche Geschichte– das macht eigentlich die Stärke davon aus, was der schottische Regisseur Jon S. Baird buchstäblich auf die Leinwand gezaubert hat.

Es sei eine „Liebesgeschichte“, meinte er (nein, natürlich nicht „so“, die Gattinnen der beiden spielen auch mit und sogar ziemlich nachdrücklich), auf jeden Fall eine Schicksalsgemeinschaft, zwei, die ohne einander nicht konnten – auch wenn sie einander gelegentlich verletzten. Wie das Leben so spielt.

Künstlerisch konnten sie nur als Duo existieren, einer war ohne den anderen nicht denkbar, sie lockten auf gleicher Höhe das Beste aus einander heraus. Wenn Laurel auch gewissermaßen der Intellektuelle der beiden war und auch versuchte, ihre Stellung in Hollywood finanziell zu etablieren: In einem (nicht langen) Vorspiel erlebt man die beiden 1937 in der Filmstadt, am Höhepunkt ihrer gemeinsamen Karriere, seit 1921 machten sie einen Film nach den anderen miteinander (106 sollen es laut Wikipedia geworden sein). Laurel verlangte mehr Geld und postulierte dafür, dass er an den Drehbüchern mitwirkte, auch mehr Würdigung, aber der schlichtere Hardy wollte sich nicht mit den Studios anlegen: persönliche Krise der beiden, ihre Wege trennen sich einige Zeit. Ollies „Verrat“ wird noch jahrzehntelang in Stan wühlen und zu bösen Worten führen … die sie dann beide zutiefst bereuen.

Dann springt die Handlung ins Jahr 1953 in England, kein künstlerischer Weg bleibt immer auf der Siegerstraße, in Hollywood gibt es mittlerweile Abbott und Costello, der eigene Ruhm des Duos ist so bescheiden geworden, dass sich bei einer Live-Tournee die Theatersäle anfangs nur zögerlich füllen. Obwohl man spürt, dass Ollie bereits krank ist, zieht es sie wie Theatertiere, die ohne „Manegen-Luft“ nicht leben können, immer wieder auf die Bühne – und nach und nach kommt auch das Publikum. Live-Auftritte bedeuten, die Lacher direkt zu hören. (Und es ist wunderbar, sich diese Bühnenszenen anzusehen.)

Die Handlung des Films ist weder auf der privaten noch der künstlerischen Seite hektisch aufgemotzt – man sieht das Leben zweier Arbeitstiere, und auch als die beiden Gattinnen erscheinen, um bei der Tournee dabei zu sein, lässt der Regisseur keine besondere Aufregung zu. Dabei rollt Nina Arianda den russischen Akzent und den Aplomb von Laurels Gattin (sie hatte in ihrer Heimat als Sängerin Karriere gemacht), und Shirley Henderson spielt die liebevolle Sorge der Lucille Hardy um ihren Mann aus – das ist komisch, wie vieles an diesem Film, aber im Grunde verliert man nie das Gefühl der Melancholie. Und ahnt etwas, das begreifen lässt, dass man Laurel & Hardy als Vorbilder für Wladimir und Estragon in Becketts „Warten auf Godot“ gesehen hat…

Es ist natürlich die Leistung der beiden Hauptdarsteller, die diesen Film letztlich so unwiderstehlich macht. John C. Reilly spielt für den „lustigen“ dicken Ollie immer auch ein wenig Melancholie mit, und auch Steve Coogan zeichnet als Stan keinen glücklichen Menschen. Aber man weiß es ja: Komiker sind im Privatleben alles andere als lustig. Und gegen Ende, wenn Ollie immer schwächer wird, wird es sogar richtig traurig. Die Darsteller sind so überzeugend, so seelenvoll, um dieses Wort einmal zu benützen, dass sie durch die Haut gehen (und direkt ins Herz hinein). Man liebt sie einfach – so wie den ganzen Film.

Der Nachspann mit den „Originalen“ – mit Szenen von Laurel & Hardy – beweist, dass die Interpreten deren Zauber und deren menschliche Anmut eingefangen haben.

Liebender, berührender und schöner hätte man der beiden nicht gedenken können.

 

Renate Wagner 12.5.2019

(c) SquareOne Entertainement

 

 

USA / 2017

Regie: Haifaa Al-Mansour

Mit: Elle Fanning, Douglas Booth, Tom Sturridge, Ben Hardy u.a.


TRAILER

 

Die Dichterinnen bevölkern die Kinoleinwand. Als man das Schicksal von „Astrid“ (Lindgren) als Jugendliche erlebte, ging es um die sozialen Härten, denen eine ledige Mutter ausgesetzt war: Das Recht an ihrer „Pippi Langstrumpf“ hat ihr niemand streitig gemacht. Anders ging es Mary Shelley (1797-1851), diese Woche im Kino, und Colette (1873-1954), nächste Woche im Kino: Obwohl diese beiden Autorinnen fast acht Jahrzehnte trennten, konnten beide ihre Werke nur im Namen ihrer Ehemänner veröffentlichen – als Frauen waren sie für Verleger ihrer Zeit untragbar. Frau sein und schreiben, Frau sein und sich als Schriftstellerin durchzusetzen, das waren bedeutende Mosaiksteine in der Geschichte er Emanzipation.

Dass Mary Godwin (Elle Fanning) von Kindesbeinen an literatursüchtig war, verstand sich aus ihrer Herkunft: Ihr Vater ((Stephen Dillane) war selbst Schriftsteller und betrieb einen Buchladen, ihre Mutter Mary Wollstonecraft war eine der berühmtesten Frauenrechtlerinnen ihrer Zeit gewesen (allerdings zehn Tage nach Geburt der Tochter gestorben). Mary lebte also als Teenager in einer liberaleren Welt als viele. Und wenn der 21jährige Percy Shelley (Douglas Booth) in ihrer Familie Gedichte rezitiert, treffen sich in ihm und der 16jährigen Mary zwei „Dichterseelen“, wobei sie auch zu unkonventionellen Aktionen bereit ist. Nicht nur ein Rendezvous am Friedhof, sie erwägt auch Shelleys Angebot, mit ihm davon zu laufen – obwohl er verheiratet ist. Er sieht nicht ein, warum eine Ehe gewaltsam gehalten werden soll, wenn die Zuneigung der Partner erloschen ist… Er sieht überhaupt nichts ein, was seinen Egoismus stört, wie Mary noch erfahren wird.

Der Stiefmutter (Joanne Froggatt) ist Marys Verhalten ein Dorn im Auge, worauf diese ihr entgegen schleudert: „Glaubst Du wirklich, ich kümmere mich um meine Ruf?“ Und läuft mit Shelley davon. Was, wie immer und überall und zu allen Zeiten, in ein finanzielles Problem mündet, da dessen Vater daraufhin nicht mehr bereit ist, den Sohn zu unterstützen… Ein Leben in Schulden und Geldsorgen folgt.

Nein, es ist nicht romantisch, aus Liebe davon zu laufen, noch dazu, wenn man schwanger ist wie Mary. Und es verwundert nicht, wie schnell die Liebe zu dem verantwortungslosen Shelley in einen spannungsgeladenen und keinesfalls mehr liebevollen Alltag übergeht. Später wird er behaupten, „I am not the architect of our misery“, aber tatsächlich ist er genau das.

Man schleppt sich durch den Alltag, bis der Film sich auf jene Situation zuspitzt, die Mary Shelley (sie haben später doch geheiratet) für die Nachwelt einzig interessant macht: Wie kommt eine junge Frau in einer Situation, die die Nachwelt immer als „romantisch“ betrachtet hat, dazu, eine der berühmtesten Horror-Geschichte der Weltliteratur zu schreiben und das Monster „Frankenstein“ zu erfinden?

Dichter treffen sich 1816 am Genfer See, der selbstgefällige Lord Byron (Tom Sturridge) hat ein Verhältnis mit Marys Schwester Claire (Bel Powley), die von ihm schwanger ist, der er allerdings ins Gesicht sagt, dass er sich nicht binden wird, die Luft schwirrt vor Drogen und Esoterik… Die seltsame Welt am Genfer See, mit Spannungen zwischen allen Beteiligten geladen, wird in ihrer Seltsamkeit gezeigt. Als sie quasi in den literarischen Wettbewerb treten , eine Horrorgeschichte zu schreiben, erklärt Mary ihr Monster aus dem seelischen Chaos, das hier in allen wütet – vor allem in ihr… Sie ist eine Pionierin, sie begründet ein neues Genre, sie schreibt wie ein Mann. (Das diabolische Feuer, das Regisseur Ken Russell 1986 in „Gothic“ zur Entstehung von „Frankenstein“ entzündet hat, lässt diesen Film allerdings verhältnismäßig „brav“ aussehen…)

Ein Verleger kann sich nicht vorstellen, dass „the wife guide companion of Mr. Shelley“ tatsächlich die Autorin dieses Buches ist, er wagt zu bezweifeln, dass eine Frau fähig sei, das zu schreiben. Zumal eine 18jährige… Außerdem sei das ein absolut unpassendes Thema für eine junge Dame. Eine Absage folgt auf die andere. Schließlich will man es veröffentlichen, wenn Shelley das Vorwort schreibt – und dann wird natürlich jedermann annehmen, er sei der Autor und überlasse großzügig der Frau die Ehre…

Sie ist wütend, weil Shelley selbst sie nicht anerkennt, die Beziehung wird immer schlechter, Marys Buchhändler Papa liest die Geschichte und seufzt tief, Lord Byron lässt wissen, dass er „Frankenstein“ verabscheut, und schließlich wird das Buch anonym veröffentlicht. Und Shelley gibt öffentlich zu, dass er keinen Anteil an dem Werk hat – nur dass er der Verursacher der Einsamkeit des Monsters sei…

Viel Bitterkeit weht durch diesen Film, der zwar ein klassisches, in seiner Zeit spielendes Kostüm-Biopic ist, das Regisseurin Haifaa Al-Mansour aber in „dunklen“ Farben gehalten hat, optisch und in der Stimmung. Keine Jeunesse dorée, diese so begabten jungen Leute, die so berühmt werden sollten. Sondern gequälte Geschöpfe, wobei Elle Fanning als Mary die Aufgabe stupend bewältigt, ein junges Mädchen und zugleich ungeheuere Stärke, Entschlossenheit und Selbstbewusstsein glaubhaft zu machen.

 

Renate Wagner 5.1.2019

Copyright © 2018 PROKINO Filmverleih GmbH

 

 

Filmstart: 1. November 2018


The Nutcracker and the Four Realms / USA / 2018 
Regie: Lasse Hallström
Mit: Mackenzie Foy, Keira Knightley, Helen Mirren, Morgan Freeman, Jayden Fowora-Knight u.a.

TRAILER

Wenn der Disney-Konzern nicht zu Weihnachten die Neuverfilmung von „Mary Poppins“ in die Kinos brächte, wäre der November-Start von „Der Nussknacker & die vier Reiche“ die reine Verschwendung, denn einen idealeren Weihnachtsfilm für Jung und Alt wird es schwerlich geben.

Man denke nur, welche Erfolge die Royal Opera in London alljährlich mit ihren Aufführungen von Tschaikowskys „Nussknacker“-Ballett einfährt. Und nun die Realverfilmung als Fantasy-Märchen… Wobei man Ballettfans auch den Besuch des Films anraten kann, nicht nur, weil die Tschaikowsky-Musik überbordend und stimmungsstark eingesetzt wird und es viele „Tanzszenen“ bei Drosselmeyers Ball gibt, sondern weil immer wieder auch Misty Copeland, die afroamerikanische Primaballerina des American Ballet Theatre, zu sehen ist – im Nachspann sogar in einer „Modern Dance“-Version zur bekannten Musik…

Die Geschichte von Clara und dem Nussknacker hat seit ihrem Original aus der Feder von E.T.A. Hoffmann viele Variationen erfahren, und das ist wieder eine, wobei die Drehbuchautoren sehr hübsch und kindergerecht gearbeitet haben. Hier ist Clara, die technisch über die Maßen begabte Tochter einer ebensolchen Mutter, die ein zweites Leben als Königin in einer Zauberwelt hatte.

Nach dem Tod der Mutter, die ihr ein geheimnisvolles Geschenk hinterlassen hat, gerät Clara beim Weihnachtsball von Onkel Drosselmeyer in diese magische Parallelwelt, wo sie von einem Nussknacker als Soldaten in Empfang genommen und begleitet wird. Da gibt es nicht nur kleine Mäuse und den riesigen Mausekönig, sondern auch vier Herrscher. Die Könige des Blumen- und des Schneereichs (Eugenio Derbez und Richard E. Grant) sind prächtig geschmückte Herren am Rande, während die Zuckerfee in heftiger Fehde mit „Mutter Ginger“ zeigt, dass man dringend eine neue Königin braucht, die hier Frieden stiftet. Was unserer Clara, vom Nussknacker unterstützt, fraglos gelingt, bevor sie ins richtige Leben zurück kehrt…

Der schwedische Regisseur Lasse Hallström, dessen Karriere lang und bunt (und qualitativ uneinheitlich) ist, hat für diese Geschichte von Menschen und Computeranimation (die gänzlich echt wirkt) die richtige leichte Hand bewiesen. Es geht um Ausstattungsprunk, der sich für seine Üppigkeit nicht geniert, es geht um lustige, möglichst nicht allzu schreckhafte Fantasy-Effekte, und schließlich haben wir es mit einer entschlossenen jungen Heldin zu tun, die Probleme mit Mut und vor allem ihrem Verstand löst.

Die 17jährige Mackenzie Foy spielt die Clara. Sie ist sehr hübsch (wenn man auch das Gefühl hat, an ihrem großen Mund und den künstlich-perfekten Zähnen sei trotz ihrer Jugend herumgedoktert worden), und es ist wichtig, dass man ihr auch das kluge Mädchen mit den wirbelnden Gefühlen glaubt. Inzwischen hat Hollywood aus allerlei lautstark verkündeten Protesten gelernt – der Nussknacker ist der junge afroamerikanische Schauspieler Jayden Fowora-Knight mit großen Augen und fesch in seiner bunten Soldatenuniform.

Aber der Clou des Films sind zwei Feen: Da ist Keira Knightley, auf den ersten Blick gar nicht zu erkennen, als die Zuckerfee, die sie als liebliche Monroe-Parodie anlegt, bevor… kurz gesagt, man soll sich von der holden Weiblichkeit nicht täuschen lassen. Vielleicht ist auch Helen Mirren als optisch wahrlich knorrige „Mutter Ginger“ gar nicht die Bösewichtin, wie man zuerst glaubt?

In der realen Welt hat Clara einen liebenswerten Vater, der um seine Gattin trauert (Matthew Macfadyen), während der Onkel Drosselmeyer in Gestalt des wunderbar weisen und humorvollen Morgan Freemanschon in die Zauberwelten hinüber verweist…

Dort ist man, ob jung oder alt, in 100 Minuten Disney-Welt bestens aufgehoben. Sie sind wahrlich die Letzten, die den Mut zu solchen Filmen haben. Und sie würden nicht so viel in Aufwand und Kosten investieren, wenn es nicht ein „romantisches“ Publikum gäbe, das dergleichen auch in unserer Welt noch gerne sieht…

Bilder (c) Walt Disney Germany

Renate Wagner 2.11.2018

 

P.S. weil es so schön ist noch ein Zusatzbild ;-)

 

 

 

 

Filmstart am 19. Oktober 2018

 

Deutschland / 2018

Regie: Sönke Wortmann

Mit: Caroline Peters, Florian David Fitz, Christoph Maria Herbst, Justus von Dohnányi, Janina Uhse, Iris Berben u.a.

 

Trailer

 

Dass die Amerikaner französische Erfolgsfilme neu auf amerikanisch verfilmt haben, weil sie keine ausländischen Filme - am Ende gar mit Untertiteln! - mögen, ist mehr als einmal vorgekommen. Dass die Deutschen das tun, dafür fiele einem kein Beispiel ein. Nun hat man es: Der Vorname ist das Remake des französischen Films Le Prénom aus dem Jahre 2012. Und ja, man versteht, warum es gemacht wurde…

Schon im Original, das auf dem gleichnamigen Theaterstück beruht, geht es um dasselbe Problem wie in der deutschen Fassung: Wenn ein werdender Vater seinen Verwandten und Freunden verkündet, das Kind werde Adolphe heißen, so ist dieses Thema für die Deutschen ja noch ungleich hitziger, kontroverser und politisch brisanter, denn so nahe wie ihnen konnte den Franzosen - bei aller negativen Besetzung der Person - Hitler ja doch nicht sein.

Also, die in jeder Hinsicht eingedeutschte Neufassung durch Regisseur Sönke Wortmann, was mit Hilfe einer brillanten Besetzung eine satirische Gesellschaftskomödie erster Ordnung ergibt. Und man muss auch sehr stark von der Besetzung sprechen, denn die Schauspieler bringen die Figuren zum Leben.

Da ist Caroline Peters, des Burgtheaters größter weiblicher Schatz, in der Rolle von Elisabeth, an sich eine brave Lehrerin, damit der Gatte Stephan, der immer köstliche Christoph Maria Herbst, hinreißend diesmal in seiner Humorlosigkeit, sich in seiner Position als Hochschulprofessor aufplustern kann; aber seine Dissertation hat sie ihm geschrieben, wie u.a. herauskommt, als die Stunde der Wahrheit schlägt. Die beiden haben Gäste zum Abendessen: Ihr Bruder Thomas - Florian David Fitz, locker und mutwillig der Musiker René - Justus von Dohnányi, ein bisschen verbissen, der mit ihnen aufgewachsen und fast ein Bruder für sie ist, und später kommt auch noch die schwangere Jana - Janina Uhse, sympathisch klug-  hinzu.

Das Geplaudere mag, wie das bei Intellektuellen so ist, ein bisschen hoch gestochen sein. Thomas sieht in der Bibliothek des überkorrekten Schwagers eine aufwendige, kommentierte, zweibändige Ausgabe von Hitlers Mein Kampf. Und lässt in der Folge nur als Provokation die Mitteilung fallen, dass er seinen zu erwartenden Sohn Adolf nennen wird…

Was immer man sich angesichts einer solchen Bombe vorstellen kann, explodiert. Die Empörung des politisch Korrekten führt direkt in das deutsche Bewusstsein unserer Zeit – wobei Hitler als Feindbild, an dem man ununterbrochen sich und den anderen die eigene Rechtschaffenheit beweisen kann, offenbar gerade für die Linken unentbehrlich ist.

Dass Gespräche, die so tief ins Ideologische gehen, schnell ins Persönliche abdriften, und dass eine unfreundliche Wahrheit, dem Mitmenschen ins Gesicht gesagt, die nächste nach sich zieht, versteht sich. Und schon ist man inmitten der Peinlichkeiten, die man normalerweise vermeidet, die aber herausplatzen, wenn die Reizschwelle überschritten wird. Auf einmal wird Neid offenbar, Eifersucht, Schäbigkeit, Bosheit, alles, was man sonst unter dem Deckel hält.

So ist es eine Komödie, die jede einzelne Figur in ihrem Wesen und ihrer Psychologie packt, andererseits aber auch ein Panorama deutscher Befindlichkeit in verschiedenen Facetten entfaltet. Dass die berühmte Toleranz aussetzt, wenn man ganz persönlich wird, zeigt sich an einem nur amüsanten und nicht problematischen Handlungsstrang, in den dann auch die Mutter der Familie  - Iris Berben ist wunderbar unkonventionell - verstrickt ist.

So ist am Ende des Films eine Menge Tünche abgewaschen, und wieder einmal erfährt man, was man ohnedies weiß: Dass das Leben ohne Lügen und Lebenslügen vermutlich gar nicht funktionieren würde. Man hat es nur selten – und das bloß anhand des Reizwortes Adolf – so amüsant vorgeführt bekommen.

(c) Constantin

Renate Wagner 19.10.18

 

Dazu der absolute Opernfreund-DVD Tipp

 

P.S. Ein must buy für Cineasten

Gebraucht ab 99 Cent erhältlic.  Was für ein grandioses Kino! So etwas können nur die Franzosen. Eine hinreissende Geschichte, die auf superb humorvolle Weise einen Bogen zieht von Who is afraid of Verginia Woolfe, über den Gott des Gemetzels in die aktuelle Zeit. Ein wunderbarer Film, der in der Mitte auch grandios die Untiefen menschlicher Seele auslotet und fast im Drama endet - am Ende aber mit grossem, halt typisch franz. Charme, alle wieder versöhnt. Wunderbar!! Muss man gesehen haben. Da wird es die neue deutsche Variante schwer haben.              P.Bilsing
 

 

 

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Deutschland 2018

Regie: Michael Bully Herbig
Mit: Karoline Schuch, Friedrich Mücke, David Kross, Alicia von Rittberg, 
Thomas Kretschmann u.a.

 

 
Wenn Michael Herbig, den man in diesem Zusammenhang nicht mehr „Bully“ nennen möchte, im Interview sagt: „Zuallererst wollte ich einen unterhaltsamen Thriller inszenieren“, greift er bescheiden zu kurz. Sicher, „Ballon“ ist spannend, es ist – vor allem im zweiten Teil – die übliche Gejgate / Jäger-Geschichte, wo man so sehr mit den Gejagten, die aus der DDR fliehen wollen, bangt und dann (so viel darf ja verraten werden) erleichtert, selig mit ihnen triumphiert. „Ist das der Westen?“ fragen die Geflüchteten verzweifelt, als sie durch den Wald irren, und bekommen die schöne Antwort: „Nein, Oberfranken…“

Aber wenn „Ballon“ nicht mehr wäre als eine spannende Geschichte, gäbe es keinen neuen Michael Herbig, der mit 50 Jahren zeigt, wie viel er über seine brillanten Komödien hinaus („Der Schuh des Manitu“, 2001 als Beginn und Krönung seiner „Bully“-Film-Karriere) zu bieten hat. Herbig erzählt eine wahre Geschichte, die nur der wagemutigste Drehbuchautor erfinden würde. Der Entschluß zweier im Raum Gera lebenden Ehepaare, mit ihren Kindern um jeden Preis die von einer Todesmauer umgebene DDR zu verlassen, war 1979 so stark, daß sie einen aberwitzigen Plan faßten: Sie wollten in einem selbst genähten (!) Ballon in die Lüfte steigen und in der Bundesrepublik wieder Boden unter den Füßen finden. Was erst beim zweiten Anlauf gelang.

Den ersten unternahm die Familie Strelzyk allein und scheiterte. Ihr Ballon (wir erleben das handwerkliche und intellektuelle Geschick, mit dem er entsteht) stürzte ab, mit Mühe fanden sie den Weg nach Hause zurück und hatten nun die Stasi auf dem Hals, die diese „Republikflüchtlinge“ mit ihren ganzen bedeutenden Mitteln jagte – ein beängstigender Apparat, dem in der Verfolgung seiner Feinde nichts zu teuer war.

Und hier zeichnet der Film ein erstaunlich dichtes Bild eines erstickenden DDR-Alltags, in dem sich nur die Privilegierten wohl fühlten (vielleicht auch da nicht alle) – und nur jene, die der Stasi zu Diensten waren, mit gewissen Vorteilen zu rechnen hatten. Es war eine Welt, wo man selbst in der Familie nicht immer wagte, etwas auszusprechen, wo man nicht nur stetiger Überwachung, sondern auch stetigen Verratenwerdens gewärtig war. Das Drehbuch, das Herbig mit Kit Hopkins und Thilo Röscheisen geschrieben hat, zeigt das nicht nur anhand der betroffenen Familien und ihrer scheinbar so betulichen, aber bösartig wachsamen Umwelt, sondern auch am Beispiel des „Jägers“.

Der von Thomas Kretschmann außerordentlich vorzüglich gespielte Stasi-Oberstleutnant Seidel ist mit Abstand die interessante, am schärfsten umrissene Figur des Films: Denn intelligente Menschen wie er waren sich natürlich dessen bewußt, was sie da taten, obwohl auch er vorgeben mußte, bis in die Knochen ideologietreu zu sein. Doch wenn er einen Untergebenen fragt, ob man die Flüchtlinge, die offenbar die Vorzüge der DDR nicht zu schätzen wüßten, nicht einfach gehen lassen sollte … dann weiß er, daß er von niemandem eine ehrliche Antwort erhalten wird, sondern nur die vorgeschriebenen Treuesprüche zum System. Ohne diese gab es nichts, kein Leben, keinen Job, kein Fortkommen.

Das Bild der DDR, das sich hier im scheinbar so friedlichen Alltag einer sehr kleinen Stadt in Thüringen entfaltet, ist der beklemmendste und gelungenste Teil des Films. „Aber wenn jemand nun ins Grübeln kommt, was das Thema Flucht bedeutet, dann habe ich nichts dagegen“, sagte Michael Herbig in einem Interview auch, aber das „Warum“ der Fliehenden hat er im Grunde nur peripher bearbeitet.

Keine Freiheit, keine Möglichkeiten, ständige Bespitzelung – dem waren schließlich alle ausgesetzt, und prozentuell haben nur wenige dafür den tödlichen Wahnsinn der Republikflucht auf sich genommen.

Wenn wir die Stelzigs (Friedrich Mücke und Karoline Schuch) und die Wetzels (David Kross und Alicia von Rittberg) kennenlernen, beide Familien mit je zwei Kindern, drei davon noch klein, sind sie zu dem irrwitzigen „Abenteuer“ schon entschlossen. Als die erste Flucht der Stelzigs (allein unternommen) mißlingt und die Bluthunde der Stasi hinter ihnen her sind, setzt dann der Teil des Films ein, der unterhaltsam sein könnte, wenn da Harrison Ford ganz einfach kinogerecht von Tommy Lee Jones gejagt würde und bloß Kino stattfände. Aber es war Wirklichkeit, und das macht jede Minute beklemmend.

Und was Michael Herbig nun tatsächlich gelungen ist, ist ein Film über die DDR, der man sich von Seiten des geeinten Deutschland ja nun erst langsam nähert – man will die „Ossis“, die sich noch immer als solche fühlen, nicht verletzen, aber es geht auf die Dauer nicht an, alles, was damals geschehen ist, unter den Tisch zu kehren.

Renate Wagner 3.10.2018

(c) Studio Canal Deutschland

 

 

 

MACKIE MESSER

BRECHTS DREIGROSCHENFILM

TRAILER

 

 

 

Filmstart: 14. September 2018

 

Deutschland / 2018

Regie: Joachim A. Lang

Mit: Lars Eidinger, Tobias Moretti, Joachim Król, Hannah Herzsprung, Claudia Michelsen, Robert Stadlober u.a.

 

Kompetenz ist etwas Schönes. Sich in seinem Metier so souverän auszukennen, dass man damit „spielen“ kann. So, wie Joachim A. Lang bei Brecht und seiner Zeit zuhause ist. Als Filmemacher hat er bislang „nur“ (immerhin) den „George“-Film gedreht, wo Götz seinen Vater Heinrich George spielte und tief in das damallige Milieu eingetaucht wurde. Ähnliches ist nun mit Bert Brecht gelungen. Wobei es die beste Idee Langs war, nicht die „Dreigroschenoper“ an sich zu verfilmen – denn so gut, wie allgemein getan wird, ist das Werk nicht. Die besten Nummern „herauszupicken“ und dramaturgisch in eine Rahmenhandlung einzusetzen – das ist die Genieidee von „Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm“.

1928 hatten Brecht und Weill unter größten Schwierigkeiten die „Dreigroschenoper“ herausgebracht, die dann ein Riesenerfolg wurde. Die Geschichte des Gangster-Königs Macheath, genannt Mackie Messer („Und der Haifisch, der hat Zähne“), und des Bettlerkönigs Peachum ist Kapitalismus-Parodie und –Kritik zugleich, vom damaligen Publikum mit Begeisterung, ganz ohne Selbstreflexion, aufgenommen. Wenig später kam es zur Verfilmung, die mit ungeheuren Turbulenzen und Streitigkeiten Hand in Hand ging, wollten die Produzenten doch einen reinen Unterhaltungsfilm machen, Brecht / Weill hingegen von ihrer politischen Aussage nicht weichen.

Das ist nun die so amüsante, ironische wie spannende Rahmenhandlung, die Joachim A. Lang rund um die originalen Figuren ausführt: Da ist Lars Eidinger als Bertolt Brecht locker zynisch und grimmig bissig zugleich, da zappelt Robert Stadlober den Kurt Weill, der sich aufregt, dass man seine Lotte Lenya (Britta Hammelstein) auf dem Original-Theaterzettel vergessen hat. Da ist Brechts „Harem“ mit Gattin Helene Weigel (Meike Droste), die in diesem Zusammenhang eine geringere Rolle spielt als Elisabeth Hauptmann (Peri Baumeister), deren Anteil an der „Dreigroschenoper“ immer zu gering angesetzt wird (Brechts rücksichtslose Ausbeutung seiner vor allem weiblichen Umwelt wird nebenbei durchaus thematisiert). Und dann sind da noch die Filmleute und Anwälte, mit denen Brecht leidenschaftlich aggressiv in jede Konfrontation ging, während er im Proletarier-Look das süßen Lebens im hektischen Berlin an der Wende der dreißiger Jahre und an der Riviera frönte…

Und in diese Handlung werden die Szenen des „Dreigroschenfilms“ hinein geschnitten, dramaturgisch punktgenau, in der Show-Üppigkeit, in der der Film damals gedreht wurde – ein perfektes Musical, brillant gespielt, und doch nicht eine Sekunde lang vergessend, dass es hier um Brechts Attacke geht: „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“.

So gut wie als Bettlerkönig Peachum hat man Joachim Król lange nicht gesehen, Claudia Michelsen ist herrlich als verlogene Frau Peachum, sie könnte nicht besser sein, Christian Redl wird als Polizeichef Tiger Brown von seiner eigenen Unehrenhaftigkeit gebeutelt, Hannah Herzsprung, in der „realen“ Handlung die Carola Neher, gibt hier die raffiniert „naive“ Polly – und da ist vor allem Tobias Moretti als Macheath, der Gangster im Maßanzug. Weit besser, als er diese Rolle live im Theater an der Wien verkörpert hat, ist Moretti hier die Idealbesetzung des eleganten, verlogenen Monsters, der die Welt grinsend ancharmiert… Und wenn dann noch Max Raabe die Moritaten singt, bleibt kein Wunsch offen, zumal man wieder Kompetenz „hört“, wenn schließlich „unser“ HK (Nali) Gruber für den musikalischen Teil des Unternehmens zuständig ist.

Tatsache ist, dass die „Dreigroschenoper“, hier als effektvolle Show-Stückwerk in die Brecht-Handlung hineingeschnitten, noch viel besser zur Wirkung kommt, als stellte man sie einfach als Aufführung hin: Denn nun kann man die Kommentare ihres Schöpfers dazwischen knallen – und merken, dass sich am Haifisch-Kapitalismus so wenig geändert hat wie an der wütenden, aber machtlosen Kritik daran…

 

Renate Wagner 25.9.2018

(c) Wild Bunch Germany

 

 

 

Filmstart: 14. September 2018

 

USA / 2017 
Drehbuch und Regie: Chloé Zhao
Mit: Brady Jandreau, Tim Jandreau, Lilly Jandreau u.a.

TRAILER

 

Sind nur die großen, lauten Persönlichkeiten für die Kinoleinwand interessant? Muss das Schicksal mit Karacho bekämpft werden, damit es uns interessiert, geht es nicht anders, als die Tragik vordergründig und anklagend aufs Butterbrot zu schmieren? Nun, im allgemeinen wohl schon – so, wie man heute Filme macht. Darum ist „The Rider“ der chinesisch-amerikanischen Regisseurin Chloé Zhao ein so besonderes Ereignis, weil sie eine ganz andere Geschichte ganz anders erzählt. Vielleicht, weil diese so echt ist. Der Hauptdarsteller selbst meint, es sei zu 85 Prozent sein eigenes Schicksal…

Selbst der Vorname stimmt, auch die Familienmitglieder: Brady Jandreau spielt Brady Blackburn, sein Vater ist sein Vater, seine mental leicht behindert Schwester ist auch dabei. Menschen, die im Pine Ridge Reservat in South Dakota leben, Nachfolger von Indianerstämmen, gesellschaftlich in den USA ganz tief angesiedelt. Aber es ist eine Welt, die einst – im Kino – der romantische „Wilde Westen“ war. Davon sind die Cowboys geblieben, die Rodeos – und vor allem die Pferde.

Es war die Geschichte des echten Brady Jandreau, der aus dem Stamm der Lakota kommt: ein Pferdeflüsterer, wenn es je einen gab, ein Mann, für die Pferde geboren, sie sind sein Lebensinhalt, er will nichts anderes tun, als mit ihnen zu leben und sie trainieren. Einzige größere Geldquelle in dieser Welt ist es, wenn man beim Rodeo einen Preis gewinnt. Aber Brady hatte Pech, ebenso wie sein Freund Lane Scott, der beim Bullenreiten so schwer verletzt wurde, dass er nun im Rollstuhl in einem Krankenhaus lebt, sich nur noch mit Zeichensprache verständigen kann.

Vergleichsweise hatte Brady „Glück“, als er vom Pferd fiel und sich „nur“ eine Kopfwunde und steife Hände zuzog. Die sind es allerdings, die ihm das Reiten und die Rückkehr in sein altes Leben verbieten…

Mit ungeheurer Ruhe und Langsamkeit schildert die Regisseurin (nach eigenem Drehbuch) nun Bradys Alltag. Der Vater, der das Geld durchbringt, die Schwester, um die er sich rührend kümmert, die Notwendigkeit, seinen Lebensunterhalt mit allen möglichen Arbeiten im Supermarkt zu verdienen. Als sein Vater sein Pferd verkauft, muss Brady das hinnehmen (eine unvergessliche Szene, wie er „Gus“ in den Wagen führt, der ihn wegbringt, und das Pferd sich fragend zu ihm umsieht, als er weggeht: Was machst Du da?).

Da er sich ein Leben ohne Pferde nicht vorstellen kann, kauft er sich unter schwierigsten Bedingungen ein anderes – und verliert es, als es sich an einem Stacheldraht verletzt. Sein Vater muss es für ihn erschießen, er kann es nicht. Wenn er am Ende doch noch einmal an einem Rodeo teilnehmen will, obwohl jeder davon abrät – da kämpft er nicht den Drehbuch-Kampf mit dem Schicksal und siegt oder unterliegt, wie pathetisch man es haben will: Er erkennt, was nicht möglich ist, wünscht seinen Freunden viel Glück – und geht.

Welch vordergründige, aufgeblasene Tragödie hätte man aus dieser Geschichte machen können. Welch wunderbare Erzählung über einfache Menschen, die mit Pferden leben, ist es geworden. Ist es pathetisch, wenn Brady sagt: Gott gibt jedem Menschen einen Zweck im Leben, und für einen Cowboy bedeutet das, zu reiten… Nein, es ist die schlichte Erkenntnis, sie hier meisterlich ausgebreitet wird.

Die Nicht-Helden, wie Brady einen spielt, übertreffen alle Helden bei weitem. Sicher, er wird kein Star mit diesem Film werden, und es werden auch keine Hunderte von Millionen Dollar damit eingespielt. Aber wer ihn gesehen hat, wird ihn nicht vergessen.

Renate Wagner 12.9.2018

Bilder (c) Sony Pictures

 

 

 

Filmstart: 9. August 2018

 

 

 

Deutschland / 2018 
Regie: Ed Herzog
Mit: Sebastian Bezzel, Simon Schwarz, Lisa Maria Potthoff, Enzi Fuchs, Eisi Gulp, Nora Waldstätten u.a.

TRAILER

 

Eigentlich kann einem der Franz Eberhofer fast leid tun. Da ist er als Polizist ein unverzichtbarer Bestandteil von Niederkaltenkirchen (das bayerische Dorf schlechthin, erfunden von Autorin Rita Falk und darum wirklicher als die Wirklichkeit), und dann freuen sich seine Vorgesetzten – der Bürgermeister (Thomas Kügel), der Dienststellenleiter (Sigi Zimmerschied) – offenbar diebisch darüber, dass er nach München versetzt wurde. München!

Und das ist nur ein Handlungsstrang in dem fünften „Eberhofer-Krimi“, die nun in schöner Regelmäßigkeit Jahr für Jahr auf der Leinwand erscheinen und eine feste Fangemeinde haben. Kein Wunder, so schlitzohrig, hinterfotzig und lebensecht, wie Ed Herzog diese Filme seit Jahr und Tag inszeniert.

Ja, die Ereignisse überborden diesmal. Also – München. Das gibt Nora Waldstätten Gelegenheit, als Kommissarin wieder zu kehren, allerdings nicht in einer richtigen Rolle (wie im vorigen Film), sondern nur eine Episode, wo sie sich wieder durch besondere Boshaftigkeit auszeichnet. Aber viel in München ist der Eberhofer Franz ohnedies nicht, wo er . bei seinem Freund Rudi (Simon Schwarz) in dessen schäbiger Bude einzieht und dieser beginnt sich aufzuführen wie ein besitzergreifender Teil des „Seltsamen Paars“…

Zuhause allerdings ist die Hölle los, denn dort wartet die Susi (Lisa Maria Potthoff) noch immer auf den Heiratsantrag vom Franz, und weil der vorläufig nicht kommt, will sie ihn mit dessen im schicken Auto zurückgekehrten alten Schulfreund eifersüchtig machen: Das ist Schönling Gedeon Burkhard, ja, genau der, der es (ebenso wie Alexander Pschill) nicht geschafft hat, Moretti bei Rex zu ersetzen und der nur noch selten in Film und Fernsehen aufscheint. Hier ist sein breites Lächeln gerade richtig.

Die Titel gebende Oma muss natürlich auch dabei sein, wenn Enzi Fuchs diesmal auch eher am Rande bleibt und es eigentlich Franz ist, der Rudi, weil er nicht bei diesem dauernd Raviolo aus der Büchse löffeln will, mit Sauerkraut (allerdings nach Omas Rezept) bekocht,– die Folgen kann man sich ausmalen: komatös… Sauerkraut bekommt auch die indonesische Familie von Leopold (Gerhard Wittmann), weil dieser Bruder von Franz ohne Gattin und Kind heimgekehrt ist: Sobald seine Frau Deutsch gelernt hat, haben ihr weibliche Geschlechtsgenossinnen Selbstbewusstsein beigebracht, und das ist nicht für jede Ehe gut. Da muss folglich ihre ganze Familie herbeireisen… (mit zwei bildschönen Schwestern).

Also, mehr als genug an Aktion, wenn auch selbstverständlich noch Wirt (Max Schmidt) , Fleischhauer (Stephan Zinner) und Installateur (Daniel Christensen), das anteilnehmende Freundestrio, da ist, und Fleischhauer Junior (Ferdinand Hofer) einen ganz törichten Ersatzpolizisten für den Franz abgibt. Wenn es eine höhere Verbrechensrate braucht, damit der Franz in Niederkaltenkirchen bleibt, dann säbeln die doch glatt den Maibaum um…

Braucht es bei so viel Handlung überhaupt noch einen Krimi? Na schon. Also findet der schräge Papa vom Franz (Eisi Gulp, ein absolut unersetzliches Juwel der Besetzung) im Kofferraum seiner Uraltkiste, die ihm gestohlen wurde, eine Leiche. Sie stellt sich als AuPair des Bürgermeisters heraus. Dort herrscht eine Haushälterin (Ulrike Beimpold, uns Österreichern wohl bekannt) als strenge Herrin. Und nun muss der Franz den Mordfall lösen, den hyperaktiven Rudi immer auf den Fersen…

Es gelingt ihm natürlich. Und nebenbei muss endlich bezüglich der Hochzeit Nägel mit Köpfen gemacht werden (samt sündteurem Ring und einer entsetzlich hochnäsigen Verkäuferin). Wenn man aber den Eberhofer kennt, dann weiß man, wie bindungsscheu er ist. Und wundert sich nicht, dass er zur Hochzeit nicht erscheint…

Danach hat die Autorin noch eine Menge unerwarteter Wendungen anzubieten (dass man die Filme gerne sieht, heißt ja nicht, dass man die Romane liest…). Da kann man nur hoffen, dass es künftig für den Eberhofer so unbeschwert weiter geht wie bisher.

Haben wir auf ihn vergessen? Ausgeschlossen. Für Sebastian Bezzel ist es zweifellos die Rolle seines Lebens. Ein gestandener, langsamer, sturer Bayer, der sich gerne blöd stellt und es so gar nicht ist. Vielmehr das Gustostück einer hochdifferenzierten und minimalistischen Darstellerleistung bietet. Ein Vergnügen, auf das man sich Jahr für Jahr freut.

Bilder (c) Constantin

Renate Wagner 8.8.2018

 

 


Filmstart: 20. Juli 2018

 


Deutschland / 2018 
Regie: Hans Weingartner


Mit: Mala Emde, Anton Spieker u.a.

 

TRAILER

Wir lernen Jule kennen, als sie an der Uni in Berlin ihre Biologieprüfung verpatzt. Aus einem Telefongespräch mit ihrer Mutter wird klar, dass diese meint, sie solle doch ihre Schwangerschaft abbrechen. Jan wiederum wird auf der Uni (er ist in der Politikwissenschaft daheim) bestätigt, dass er ein brillanter Student sei. Aber der Job, um den er sich beworben hat, den kriegt er leider nicht – er passe weltanschaulich nicht. Wie es mit der „Haltung“ sei, will Jan wissen. Ja, da zuckt sein Gegenüber nur mit den Achseln.

Zwei 24jährige, für die es im Moment sehr blöd aussieht. Großer Streß. Jule beschließt nun, mit ihrem geerbten, uralten, geradezu lächerlich riesigen Wohnmobil (Mercedes 303, was dem Film den nicht ganz überzeugenden Titel gibt) nach Portugal zu fahren, wo Kindesvater Alex in einer Kommune haust, und ihm die Neuigkeit selbst zu berichten.

Jan wiederum will auch losziehen, aber er hat ein anderes Projekt: Sein leiblicher Vater, den er nie gekannt hat, ist Spanier und lebt dort unten. Ihn will er kennen lernen. So richtig viel Geld hat er nicht (obwohl das im folgenden Film nie thematisiert wird), also als Rucksacktourist und Anhalter in den Süden…

So schafft es Regisseur Hans Weingartner, dass man a priori einen guten Begriff von den zwei jungen Leuten bekommt, die er in einem Road Movie zusammen spannt. Nun ist dieses Genre nahezu in der Krise, weil es so oft so mühselig und kitschig klischiert ausgefallen ist, dass einem die Lust vergeht, Leuten, die in einem Auto zusammengepfercht sind, beim Herumreisen und vor allem beim Herumlabern zuzusehen und zuzuhören.

Wenn es nun einem Regisseur gelingt wie dem Vorarlberger Weingartner, zweieinviertel wirklich spannende Kinostunden zu schaffen, die von den üblichen Beziehungskisten qualitativ Lichtjahre entfernt sind… ja, dann versteht man, dass es nach der Berlinale-Premiere hier den neu geschaffenen „Regiepreis Ludwigshafen“ gab. Freilich, die „romantische Reise“ durch Europa, die von der Werbung schon wieder postuliert wird (womit man dann ein falsches Publikum anlockt), ist es glücklicherweise nicht. Dazu hat Weingartner seine beiden Protagonisten als viel zu problematisch und beziehungsgeschädigt hingestellt.

Zwei 24jährige treffen auf einander, sie nimmt ihn mit, das Wohnmobil ist groß genug, sie streiten auf Anhieb (das Thema Selbstmord ist auch sensibel), sie wirft ihn wieder hinaus. Das an sich so logisch fließende Drehbuch von Weingartner leistet sich nur zwei Gewaltsamkeiten, die eben „Kintopp“ sind – dass Jan bei der nächsten Station gerade zurecht kommt, um Jule vor einer Vergewaltigung zu retten (so kann man die weitere Reise vertrauensvoll gemeinsam machen); und dass sie am Ende von dem Kind erlöst wird, das ja als Problem kaum zu bewältigen gewesen wäre. Aber Kino ist nicht Wirklichkeit, es muss auch erlaubt sein, sich zu helfen, wenn man eine Geschichte erzählen will.

Und es ist eine Geschichte, die durch Dialog bestritten wird. Zwei junge, intelligente, gebildete Menschen reden. Abgesehen von ganz wenigen Nebenfiguren, die gar keine Rolle spielen, ist man den Film hindurch mit ihnen allein – und ganz zuhause. Sie haben nämlich etwas zu sagen, und dass sie absolut nicht immer einer Meinung sind, macht die Sache umso lebendiger.

Zuerst geht es um Politik – sie als idealistische Linke, die aus ehrlichem Herzen gar nicht genug über den Kapitalismus fluchen kann, er als nüchterner Darwinist. Sie glaubt an Kooperation der Menschen, er an Konkurrenz. Aber deshalb muss man sich ja nicht den Schädel einschlagen. Schritt für Schritt wächst die – lange Zeit sexlose – Zweisamkeit im Bus. Sie fährt nach Portugal, da liegt Spanien am Weg. Sie bleiben zusammen, reden nach und nach mehr über Persönliches und Grundsätzliches in der so schwierigen Beziehungswelt zwischen Sex, Liebe und Partnerschaft.

Freilich, wenn sie dann beginnen, einander gewissermaßen zu psychoanalysieren (weil, wie richtig festgestellt wird, der Mensch das einzige Wesen auf der Erde ist, das ununterbrochen über sich nachdenkt), wenn dann weltweise Erkenntnisse über Beziehungen geäußert werden, dann verdickt sich der Dialog gelegentlich ins Kitschige, ins Geschwollene, ins Triviale. Aber man erträgt es.

Die Diskussionsrunde wird auch mehr und mehr zum „Urlaubsfilm“, die beiden reisen wie ein beliebiges glückliches junges Paar, sie kochen, essen Eis, besichtigen Klöster und Kirchen, schwimmen im Meer, gehen essen, gucken in Landkarten (es ist hübscher, da die Köpfe zusammen zu stecken, als auf das GPS im Handy zu starren…). Vorbei ziehen in landschaftlicher Schönheit Frankreich und Spanien, wo er sich scheut seinen Vater zu sehen und darauf verzichtet. Schließlich ist man an Jules Endziel, wo sie sich mit ihrem Freund Alex auseinander setzen muss – wir kennen ihn nur per Telefon, er hat sich in der Krise nicht bewährt, wir erfahren nichts von der finalen Auseinandersetzung. Und wissen doch, wie’s ausgeht…

Selbst wo der Film dramaturgisch oder im Dialog ein wenig zu schlittern beginnt, passiert nichts Schlimmes, denn die absolute Authentizität der Darsteller trägt alles und ist die unschlagbare Stärke der Geschichte. Mala Emde hat man schon in der Titelrolle von „Stella“ gesehen, das missbrauchte junge Mädchen in Julian Pölslers Verfilmung des Haushofer-Romans. Der blonde Anton Spieker ist bislang vor allem ein Fernsehgesicht. Beide steigen dermaßen in die Figuren hinein, dass jegliches „Spielen“ ausgeschlossen scheint – so viel Selbstverständlichkeit hat man lange nicht auf der Leinwand gesehen. Auch nicht so viel Ernsthaftigkeit. Und, sagen wir’s, wie es ist: auch nicht so viel Niveau. Ein Glücksfall.

Renate Wagner 26.7.2018

 

 

Filmstart: 15. Juni 2018

GB / 2018

Regie: Simon Curtis

Mit: Domhnall Gleeson, Margot Robbie, Kelly Macdonald, Will Tilston, Alex Lawther

TRAILER

Es ist eine mehr oder minder wahre Geschichte mit all ihrem emotionalen Auf und Ab, es geht um Vater und Sohn, es geht um Krisenbewältigung, es geht um Literatur, es geht um eine grausame Medienwelt – und das alles am Beispiel eines der berühmtesten Kinderbücher der Welt: „Pu der Bär“ (Winnie-the-Pooh).

Alan Alexander Milne (1882 – 1956), bekannt als A.A. Milne, von seiner Frau „Blue“ genannt, kehrte als gänzlich verstörter, gebrochener Mann aus dem Ersten Weltkrieg heim, immer wieder von seinen Fronterfahrungen heimgesucht, die ihn periodisch überfielen und lähmten. Seine elegante Frau Daphne hatte nicht wirklich Verständnis für ihn – am wenigsten für sein Bedürfnis, nun nur noch Anti-Kriegs-Bücher zu schreiben. Krieg würde es immer geben, sagt sie ihm realistisch. Sie wird recht behalten.

Als Daphne duldet, dass sie sich mit ihrem kleinen Sohn Christopher Robin Milne, genannt „Billy“, und dessen geliebter Nanny in Sussex in einem schönen Landhaus niederlassen, hält sie es in der Einsamkeit nicht lange aus. Als die Nanny weg muss, um ihre kranken Mutter zu pflegen, sind der verstörte Vater und der kleine Sohn allein in der schönen Landschaft und wandern durch die Wälder… Den Teddybären, der scheinbar sprechen kann, hat noch Daphne zurück gelassen.

Der liebenswerte, lockige, altkluge kleine Junge ist zwar ein Kino-Klischee erster Ordnung, aber es kommt darauf an, wie man es handhabt. Der Zwang, sich mit Billy zu beschäftigen, holt den Vater zwar nicht gänzlich aus seiner Depression, führt ihn aber in heilende Phantasie-Welten, als der Junge und der Papa sich in der Natur Geschichten um einen Buben und seine tierischen Freunde ausdenken. Das ist gänzlich glaubwürdig.

Aber weil Papa ja doch ein Autor ist, kann er es nicht lassen, aus dieser wunderbaren privaten Welt mit seinem kleinen Sohn – hier werden mit geschicktem Dialog und ausgewogener Regiekunst von Simon Curtis wundervolle Szenen gesponnen – ein Buch zu machen. Freund Ernest H. Shepard wird herangezogen, die Geschichte des Jungen „Christopher Robin“ und seines Bären zu illustrieren… der Rest ist ein Himalaya der Kinderliteratur.

Nach dem überwältigenden Erfolg von „Pu der Bär“ diesseits und jenseits des Ozeans kehrt zwar Daphne hoch erfreut zurück, endlich als Gattin eines Erfolgsautors und eines kleinen Sohnes, der plötzlich ein „Star“ ist, aber damit bricht auch alles auseinander und zusammen. Gibt es wirklich erst seit dem Internet und den Sozialen Medien eine alles beherrschende Medienwelt? So, wie der Film es schildert, bricht zumindest für den kleinen Billy die Welt zusammen – geschleppt zu Interviews, Fototerminen, in Spielzeugläden, Verwertung rund um die Uhr, selbst der Anruf des Vaters, den er für privat hält, wird von einer Radiogesellschaft live ausgestrahlt. Es war damals so widerlich, wie es heute ist.

Es ist eine geradezu klassische Geschichte über den Verkauf des Privaten an die Öffentlichkeit – und es war der kleine Junge, der es ausbaden musste. Einerseits als Bären-Held in den Himmel gehoben, andererseits beneidet, beschimpft und gemobbt, und am Ende (das ist der literarische Bogen, den die Geschichte schlägt) wie der Vater in einen Krieg geschickt. Das Happyend trieft, und dennoch ist man froh darüber, denn das ist natürlich eine Geschichte, die trotz der heiklen (und auch übersteigerten) Gefühlswerte ihre starke Wahrheit und Aussagekraft hat.

Domhnall Gleeson, Sohn eines berühmten Vaters (dem er wie sein Bruder in der darstellerischen Potenz nicht wirklich nahe kommen), ist der eigentlich den ganzen Film hindurch verstörte A. A. Milne, während Margot Robbie als die strahlende, oberflächliche Blondinen-Gattin mehr überzeugt – so einen Typ meint man zu kennen. Eine heikle Rolle hat Kelly Macdonald als liebende Nanny, die ihrem Brotherrn auch einige Wahrheiten sagt, und sie macht das großartig. Im übrigen ist es der Film des achtjährigen Will Tilston, dessen Altklugheit nie penetrant wirkt und dessen Gefühle stets ergreifen. Aber auch der ältere Billy, der in den Krieg zieht, ist mit Alex Lawther (der dann laut Drehbuch viel von der „Moral“ der ganzen Geschichte zusammen fassen muss) exzellent besetzt.

Kurz, ein Film, der so vieles abdeckt, möglicherweise leicht sentimental die Papa-Sohn-Geschichte, nachdrücklich die Frage, wie es so geht mit der Literatur und der Öffentlichkeit… Ein schöner Film jedenfalls, wie immer man ihn auch betrachtet.

Renate Wagner 2.7.2018

Bilder (c) 20. Century Fox

 

 

Filmstart: 8. Juni 2018

Dokumentarfilm / Frankreich / 2017

Regie: Tom Volf

TRAILER

 

Wenn wir „die Netrebko“ haben, kann man es vergleichen? Ist ein Superstar im Medienzeitalter das, was Maria Callas in einer analogen Welt gelang – der Inbegriff der Operndiva schlechthin zu sein? Durch Leistung. Durch Persönlichkeit. Durch ein Schicksal, das wie aus einem Trivialroman entsprungen scheint. Und doch – die Größte. Ungeschmälert durch andere, die nie dieselbe Faszination ausstrahlen konnten.

Maria Callas (1923-1977). Im Vorjahr hat sich bereits ihr 40. Todestag gejährt, ohne dass sie auch nur das Geringste von ihrem Nimbus eingebüßt hätte. Und das Interesse an ihr scheint nicht zu versiegen. Es gibt neben ihren Platten noch zahlreiche Bücher über sie, auch Dokumentationen, und dennoch ist der Film, den der Filmemacher Tom Volf (zwischen Oper und Mode unterwegs) über sie zusammen gestellt hat, etwas Besonderes.

Der Titel schon zeigt, worum es geht: die ganze Callas. „Die Callas“, die Sängerin, und Maria, die Frau. Beide werden vorgestellt, sie gehören zusammen. Die zahllosen Interviews, die Volf aufgestöbert hat, fragten nach der Künstlerin Callas gegeben – und erzählen immer etwas auch von ihr als Mensch Maria. Es ist übrigens Material, das man teilweise noch nicht gesehen hat – die Callas hat offenbar in englischer und französischer Sprache (die „Griechin“ war geborene Amerikanerin, zuletzt lebte sie lange in Paris) eine Unzahl von auch ganz ehrlichen Interviews gegeben.

Die berühmteste Sängerin der Opernwelt glänzte nur bis Mitte der sechziger Jahre auf den Bühnen (mit einer Tosca verabschiedete sie sich 1965 in London vom aktiven Opernleben, ging dann nur noch auf Tournee). Tom Volf ist eindeutig kein Opernfachmann, die Details der Karriere bleiben ausgespart (Zusammenarbeit mit Karajan, Bernstein, großen Partnern), auch über ihr Fach (Norma, Lucia, Amina, Tosca und Violetta, ihre Versuche als Carmen und Isolde) wird man wenig erfahren. Viel hingegen über den „Skandal“ der Skandale, über ihre „Katastrophen-Vorstellung“ als Norma in Rom, wo sie nach dem ersten Akt nicht weitersang. Was man ihr damals an Beschimpfungen angetan hat, muss in seiner Verständnislosigkeit für die Situationen unerträglich gewesen sein. Und da war es dann, das mangelnde Selbstvertrauen, das Ersticken in Angst, die unbeschreibliche Erschöpfung… „Die Seele verzehrt sich“, sagte sie einmal.

Die Callas weiß sehr viel darüber, was es in einem Frauenleben menschlich kostet, ein Superstar zu sein. Andererseits sieht man auch, wie das Publikum jubelte, als sie nach siebenjähriger Abwesenheit an die Met zurück kehrte… Auch diese Bewunderung muss man erleben.

Aber es gibt auch die andere Seite der Callas, die Maria, die sich immer der Künstlerin untergeordnet hat. Diese hat mit grausamer Ausschließlichkeit ihr Leben beherrscht, bis sie in Aristoteles Onassis ihre große Liebe fand. Und diese Erfüllung als Frau war ihr plötzlich wichtiger als der Ruhm als Opernsängerin. All die Leidenschaft, die sie bisher für die Bühne aufbewahrt hatte, brachte sie nun in diese Beziehung ein. Und vielleicht hatte es auch nach all den Jahren eiserner Disziplin seinen Reiz, an der Seite des Jet-Set-Millionärs das verpflichtungslose Luxusleben der Superreichen zu gleiten…

Ihr Auftreten in den Klatschspalten der Welt verdoppelte den Ruhm des unerreichten Opernstars Callas bis heute, jedermann hat in Erinnerung, wie Onassis sie behandelte, als er nicht sie (die wohl seine große Liebe war), sondern aus Geltungsbedürfnis Jacqueline Kennedy heiratete – was die Callas übrigens aus der Zeitung erfuhr, er war zu feig, es ihr selbst zu sagen …

Erstaunlich, wie offen sie in vielen Interviews auch über ihr Privatleben spricht, das sie letztendlich weniger gut gemeistert hat als ihre Karriere. „Musik ist die einzige Sprache, die ich wirklich beherrsche“, sagt sie einmal. Und immer wieder hört man ihre Stimme und weiß, was man immer wusste, warum man sie für die Ausdruckskraft und Sauberkeit ihres Gesanges so sehr bewundert…

Renate Wagner 6.6.2018

Prokino Filmverleih

Copyright Fonds de Dotation Maria Callas

 

 

 

Filmstart: 19. April 2018

USA / 2017

Drehbuch und Regie: Greta Gerwig

Mit: Saoirse Ronan, Laurie Metcalf, Laurie Metcalf, Timothée Chalamet u.a.

TRAILER

Sie heißt eigentlich Christine, aber das passt ihr nicht wie so vieles in ihrem Leben. Also ändert sie es eigenmächtig und will nur „Lady Bird“ genannt werden. Die Mutter hat eigentlich keinerlei Verständnis, wenn sich die Tochter wie verrückt benimmt, und meint, sie solle doch nicht so egozentrisch sein. Da reißt diese nur die Autotür auf und läuft wütend davon…

Was erzählt Drehbuchautorin / Regisseurin Greta Gerwig in diesem Film? Dass man mit dem Zufall der Geburt nicht rechten kann. Man kann es sich nicht aussuchen, ob man in einem Palast zur Welt kommt oder bei armen Leuten. Man kann sich nur dagegen wehren, dass das scheinbar vorgegebene Schicksal unausweichlich sein soll. Wer unter „White Trash“ in den USA geboren wird, hat gute Chancen, das sein Leben lang zu bleiben und es an die nächsten Generationen weiter zu geben. Bildung ist zweifellos ein Weg aus der Armutsfalle, aber je selbständiger man zu denken beginnt, umso mehr entfernt man sich aus der Welt, aus der man kommt. Und das sind Mechanismen, gegen die man fast nichts tun kann…

„Lady Bird“ versucht es. Und wenn man nicht fehl geht in der Annahme, dass Greta Gerwig wenn schon nicht ihr eigenes Schicksal geschildert, so doch eigene und fremde Erfahrungen ihrer Jugend verarbeitet hat (sie ist auch in Scacramento geboren, wo der Film spielt), dann ist sie selbst der Beweis dafür, was alles möglich ist – im Überwinden der scheinbar durch die Umwelt gesetzten Grenzen.

2002 in Sacramento. Man sieht Lady Bird bei ihrem Protest zu. Bei ihren Versuchen, aus der Welt herauszukommen, in der sie steckt. Da lässt man als wütende 17jährige die Nonnen in der katholischen Mädchenschule wissen, dass man nicht hierher gehört. Dass man unbedingt nach New York will. Die Klosterschwestern lächeln. Sie solle es doch beim Theater versuchen, meinen sie, der jugendliche Hang zur Theatralik ist evident.

Die Handlung setzt sich aus vielen Puzzleszenen des Alltags zusammen. Da wirkt man in einem Musical mit. Der irische Junge, den sie anspitzt, will nach Paris. Sie gibt ein bisschen an über ihre Familie, erfindet einen Vater in Brasilien, weil mit dem echten arbeitslosen Vater kein Staat zu machen ist. (Deshalb muss die Mutter im Krankenhaus Doppelschichten schieben, um die Familie zu ernähren.) Wenn Freund Danny sie zum Thanksgiving mit seiner Familie einlädt, lässt sie ihre Familie ohne weiteres sitzen – egal, wie traurig die Mutter darüber sein mag… Erfolgreich zu sein, bedeutet allein noch nichts, möchte die Mutter ihr sagen. Aber das kann Lady Bird nicht akzeptieren, schon gar nicht angesichts des arbeitslosen, deprimierten Vaters.

Die Mutter: Sie ist der Mensch, an dem man sich reibt, gegen den man anläuft, den man mit Wonne verletzt – aus Rache dafür, wofür die arme Frau nichts kann: Dass sie der Tochter keine bessere Chancen ins Leben mitgegeben hat. Freilich, leicht hat es niemand – Danny ist eigentlich schwul und schämt sich so dafür.

Vielleicht sollte auch Lady Bird sich schämen, wenn sie die Nonnen so lange provoziert, dass sie Gefahr läuft, aus der Schule zu fliegen. Eine Schule, die die Eltern bezahlt haben, weil sie die einzige Garantie war, dass dort keine Messer gezogen werden. Was immer wir Dir geben, es wird nie genug sein, weiß die Mutter. Ich werde es Euch zurückzahlen, und dann muss ich nie wieder mit Euch zu tun haben, schäumt die Tochter.

Wenn sie dem Musiker Kyle ihre Unschuld hingibt, in der Meinung, es sei etwas Besonderes, „I wanted it to be special“, erfährt sie, dass er routinemäßig herumschläft. Dann ist die Mutter gut genug dafür, sich bei ihr auszuweinen. Die Mutter, die die Tochter nie fallen lassen wird, egal, wie schlecht sich diese benimmt. Ja, und die Nonnen haben auch Humor – und behalten Lady Bird in der Schule.

Lady Bird weiß, dass das College wahrscheinlich der Ausweg ist, weiht aber ihre Mutter in ihre Bemühungen, aufgenommen zu werden, nicht ein. Letztendlich ist sie dann dort, am College in New York, und endlich innerlich ein gutes Stück weiter. Als man sie nach ihrem Namen fragt, sagt sie jetzt „Christine“. Und woher sie stammt: Scaramento. Und jetzt kann sie auch wieder in eine Kirche gehen. Die Welt, aus der sie kommt, ist weit weg und kann nun angenommen werden.

Es ist ein unglaublich starkes Ende, wenn „Christine“ zuhause anruft, niemand hebt ab und sie auf den Anrufbeantworter sagt: Ich bin’s, Christine, der Name, den ihr mir gegeben habt und der gut für mich ist. Mum, ich liebe Dich und danke.

Kitschig? Ja. Aber dieser Film war über weite Strecken so ehrlich schmerzlich, dass man dies als Selbsterkenntnis-Finale minimmt. Diese ehemalige Lady Bird wird es als Christine schaffen. Beim Theater? Oder beim Film?

Greta Gerwig, die man als Schauspielerin kennt und die hier Regiedebut gibt, trifft gleicherweise die Atmosphäre ihrer Unterschichts-Welt wie die Befindlichkeiten ihrer Figuren: Saoirse Ronan ist so herrlich sperrig und ruppig (und gar nicht um Sympathie bettelnd), wie man sich Lady Bird nur vorstellen kann, und Laurie Metcalf als Mutter weiß, dass man von seinem Nachwuchs nichts Gutes erwarten kann – und dass man doch liebt. Es ist über weite Strecken die Mutter-Tochter-Auseiandersetzung, die absolut jede Frau kennt (wenn auch in verschiedener Gewichtung und verschiedener Intensität). Greta Gerwig hat auch, wie man gelesen hat, ihr Drehbuch unter dem Arbeitstitel „Mütter und Töchter“ geschrieben… und hat den Kampf der Persönlichkeiten immer wieder verbal und emotional punktgenau zugespitzt.

So problematisch, wie das Leben ist, läuft es auch mit den anderen nicht rund, dem sanften, wohl meinenden Vater Larry (Tracy Letts), den gegeneinander ausgespielten Freundinnen (Beanie Feldstein und Odeya Rush), mit dem schwulen Danny (Lucas Hedges), mit dem ersten Sexpartner Kyle (Timothée Chalamet). Es stimmt eigentlich alles. Und wirkt unverfälscht wahr. Viel mehr kann ein Film nicht erreichen.

Bilder (c) Universal

Renate Wagner 3.5.2018

 

 

 

 

Filmstart: 30. März 2018

Frankreich, GB / 2017
Regie: Armando Iannucci
Mit: Steve Buscemi, Simon Russell Beale, Michael Palin, Jason Isaacs, Andrea Riseborough, Olga Kurylenko u.a.

TRAILER

Politische Satire ist erlaubt, wenn sie auch nicht jedermann behagen wird. Man kann sich vorstellen, dass Putins Russland dem Diktator Stalin nicht übertrieben kritisch gegenüber steht. Und die Veräppelung der Nachfolger-Suche nach seinem Tod kann dem heutigen Staat nur unwürdig erscheinen. Mit dem Effekt, dass „The Death of Stalin“ in Russland nicht gezeigt werden darf (man nannte den Film „niederträchtig, abstoßend und beleidigend“). Im übrigen muss man sich wohl keine übertriebene Sorge machen, dass der Film im Westen ein übergroßer Erfolg werden könnte. Dazu ist er, kurz gesagt, zu konfus…

Zu Beginn lebt Stalin (Adrian Mcloughlin) noch, und man bekommt an einem relativ harmlosen Beispiel (aber doch) vorgeführt, was eine Diktatur vermag. Bei Radio Moskau wird ein Konzert gesendet, die schöne Pianistin Maria Yudina (Olga Kurylenko) sitzt am Flügel, alles bestens – oder nicht. Denn Genosse Stalin hört das Konzert im Radio und lässt den Wunsch nach einer Schallplattenaufzeichnung verlauten. Sein Wunsch ist normalerweise Befehl. Bloß – man hat das Konzert nicht aufgezeichnet. In fieberhafter Eile alles noch mal, für den mittlerweile erschöpft zusammen gebrochenen Dirigenten muss ein anderer aus dem Bett geholt werden, die sture Pianistin verlangt viel Geld – aber als man dem Diktator die Platte sendet, schreibt Maria eine Botschaft dazu. Er, Stalin, habe das Land ruiniert…

Nun, ob er davon seinen Schlaganfall bekommen hat, vielmehr von dem Lachanfall angesichts des Zettels? Immerhin beginnt nun die Katastrophe. Der Diktator liegt in seiner Datscha besinnungslos da, keiner weiß, was er tun soll, eigentlich wagt es keiner, irgendetwas zu tun, aber die Herren, die in rascher Folge eintreffen, wollen alle nur eines – den Sterbenden im Rang des mächtigsten Mannes beerben. Das ist wohl überall so (selbst in jeder Firma), aber in der Sowjetunion war es lebensgefährlich. Der Eiertanz, den die Kapazunder hier aufführen, wird allerdings in dem Film des schottischen Regisseur Armando Iannucci (er schrieb auch am Drehbuch mit) vor allem vordergründig brüllend komisch angelegt… wobei die Lebensgefährlichkeit des Ganzen nie in Vergessenheit gerät.

Zuerst muss man die noch vorhandenen Ärzte der Stadt zusammenfangen, die – vom Regime entweder in Lager geschickt oder aus ihren Berufen entfernt – im Park spazieren gehen oder in ihren Wohnungen kauern, in der Hoffnung, dass möglichst  niemand an sie denkt. Dutzendweise an das Krankenlager des Sterbenden gezerrt, will keiner die Verantwortung übernehmen. Aber Stalin stirbt dann am 5. März 1953 tatsächlich. Und nun muss nicht nur sein Staatsbegräbnis arrangiert werden – jetzt geht die Schlacht ums Erbe wirklich los.

Viele Namen der russischen Geschichte sind noch bekannt, etwa der Schlächter Beria (Simon Russell Beale), Malenkow (Jeffrey Tambor), hier als großer Zögerer dargestellt. Molotow (Michael Palin), Mikoyan (Paul Whitehouse), Bulganin (Paul Chahidi), Breschnew (Gerald Lepkowski). Alle Politiker. Georgy Schukow (Jason Isaacs) als Militär und mächtiger Chef der Roten Armee ist zum blutigen Eingreifen bereit, wer immer ihn dafür gewinnt. Eines jedoch – so richtig den Überblick zu behalten, wer eigentlich was tut, ist nicht leicht. Das war es in der Realität wohl auch nicht, aber das bedeutet nicht, dass man den Kinobesucher verwirren soll.

Das Problem des Films ist der Mann, den man am besten in Erinnerung hat: Nikita Chruschtschow. Denn dieser dickliche, äußerlich freundlich, jovial und bäuerlich wirkende Herr, der sich letztendlich an die Spitze hoch gearbeitet hat (also war er wohl nicht so freundlich, jovial und vor allem nicht naiv, sondern raffiniert), ist mit Steve Buscemi schon optisch gegen den Strich besetzt. Ein gefinkelter Intrigant, gewiss, aber kein Hauch von dem Chruschtschow, wie man ihn in Erinnerung hat.

Die beiden Stalin-Kinder sind damals noch relativ jung, Swetlana (Andrea Riseborough) war 27, ihr Bruder Wassili (Rupert Friend) 32, und beide ärgern die Politiker, die mit ihren Intrigen beschäftigt sind, durch zickiges Auftreten und die Behauptung, ihr Vater sei ermordet worden (was der Film nicht einmal als Möglichkeit andeutet). Ermordet werden allerorts Zeugen – alles geht zu schnell, um immer völlig durch zu sehen, wer letale Befehle gibt. Machtspiel folgt auf Machtspiel, Bündnisse werden unter der Hand geschlossen, die Hektik, das Chaos werden immer größer.

Es gibt – wie Molotow – noch echte Stalinisten, die an den Diktator und sein System geglaubt haben, aber die meisten sind Opportunisten, nach der Macht hechelnd. So versucht Beria Chruschtschow auszutricksen, indem er ihm die Organisation von Stalins Begräbnis auferlegt, was zu arbeitsaufwendig ist, um viel anderes zu tun… Aber, wie man weiß, Chruschtschow ließ sich keinesfalls aushebeln und machte mit Beria kurzen Prozeß (die Szene der Ermordung im winterlichen Hof ist von exzessiver Grausamkeit). Dass Swetlana ein Flugticket nach Wien annahm, hat ihr wohl das Leben gerettet…

„Lustig und wahr“ nannte der Regisseur seinen Film. Wahr möglicherweise. Lustig? Nein. Wenn einer der Beteiligten sagt: „Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wer noch lebt und wer tot ist“, kann man ja nur tief durchatmen.

Renate Wagner 28.3.2018

(c) Concorde Filmverleih

 

 

 

 

Filmstart: 22. Februar 2018

The Post / USA / 2017

Regie: Steven Spielberg

Mit: Meryl Streep, Tom Hanks, Bruce Greenwood u.a.

TRAILER

 

Filme über amerikanische Helden sind nötig – und das sind längst keine Cowboys mehr. Ist es Steven Spielbergs Antwort auf Trump, wenn er Journalisten als die Helden der Aufklärung – gegen alle politische Macht und Gewaltandrohung – wieder einmal preist? Er hängt es geschickt an seiner Zentralfigur auf: „Die Verlegerin“, wie der Film „The Post“ auf Deutsch heißt, hatte allerhand zu verlieren. Und sie riskierte metaphorisch Kopf und Kragen, als sie als Besitzerin der „Washington Post“ – die selbst in der Washingtoner Polit-Szene stark vernetzt war – 1971 die „Pentagon Papiere“ in ihrer Zeitung veröffentlichte.

Es gibt immer wieder Menschen mit einem Gewissen, das sich auf die Dauer nicht unterdrücken lässt. Auch wenn man eine zeitlang bei Schmutzereien mitgemacht hat – irgendwann wird es zu viel. Die amerikanische Politik hat in Bezug auf den Vietnam-Krieg die Bevölkerung stets bewusst und schamlos belogen, hatte behauptet, dass man (auf Grund eines Angriffs, ähnlich wie einst Pearl Harbour) in den Krieg gezwungen worden wäre. Vielmehr hatten die USA diesen selbst geplant und initiiert und in der Folge unaufhörlich Menschen und Material im Fernen Osten geopfert, obwohl man wusste, dass nichts zu „gewinnen“ war – nur um den Kampf gegen den Kommunismus weiterzuführen.

Bürokraten, die alles gern notiert haben wollen, sind angreifbar: Verteidigungsminister Robert McNamara ließ alle Details über den Vietnam-Krieg in den so genannten „Pentagon Papieren“ zusammen stellen, die streng geheim waren und dem, was die Öffentlichkeit wissen sollte, in vielem extrem widersprachen. Es war Daniel Ellsberg, Mitarbeiter im Ministerium, der aus Gewissensnot beschloß, dieses Dokument (7000 Seiten, die bis ins Jahr 1945 zurück gingen) öffentlich zu machen.

Das ist der Hintergrund der Geschichte, die Steven Spielberg nun eher süffig aufbereitet, wobei er zwei höchst wirkungsvolle Gestalten in den Mittelpunkt stellt. Meryl Streep spielt Kay Graham, deren Vater einst die „Washington Post“ gekauft und erfolgreich geführt hatte. Nach seinem Tod übernahm selbstverständlich nicht die Tochter, sondern der Schwiegersohn die Leitung – und erst nach dem Tod des Gatten setzte sich Kay Graham in wirtschaftlich schlimmen Zeiten selbst ans Steuerrad. Es geht natürlich auch darum, im Zeichen des Zeitgeists die Geschichte einer starken Frau zu zeigen, die Widerständen stark begegnet. Dabei bedient Meryl Streep – auch wenn sie manchmal überdeutlich über ihre persönliche Situation, die damals eine Rarität darstellte, philosophieren muss – wirklich kein Klischee. Man begegnet ihr durchaus als Society-Lady, die zu Washingtons Elite zählt und jeden kennt. Wenn über ihren Redakteursstab auf sie die Möglichkeit, eigentlich aber die moralische Forderung zukommt, die „Pentagon Papiere“ zu veröffentlichen, vollzieht man ihre Zweifel, aber auch ihren Akt der Courage nach – denn der Druck von Seiten der Politik war immens. Meryl Streep ist eine Schauspielerin, die nicht nur die äußere Erscheinung ihrer Figur bietet, sondern immer auch ihre inneren Motivationen klar macht – zweifellos ihre große Stärke, die sie über die meisten ihrer Kolleginnen hinaushebt.

Ähnliches kann Tom Hanks, der als Chefredakteur Ben Bradlee viel abzuwägen hat: das Risiko der Veröffentlichung für die Zeitung selbst und für ihn persönlich (sowohl die „Post“ wie auch er selbst hätten den Bach hinunter gehen können, abgesehen von drohender Gefängnisstrafe), zugleich aber auch die ungeheure journalistische Möglichkeit witterte, die darin steckte, wobei die „Washington Post“ mit der „New York Times“ gleich zog, was die faktische Gefährlichkeit des Unternehmens keineswegs verminderte. Die Regierung (mit einem tobenden Präsident Nixon) hätte durchaus am längeren Ast sitzen können… Dass dann am Ende, nach der Veröffentlichung im Sommer 1971, ein amerikanisches Gericht sich entschieden für die Pressefreiheit aussprach, ist bis heute ein glorioser Höhepunkt amerikanischer Gerichtsbarkeit. (Und dann war es wenig später die „Washington Post“, deren Journalisten Woodward und Bernstein den kriminellen Nixon mit „Watergate“ zu Fall brachten …)

Im übrigen sind natürlich auch die siebziger Jahre „Geschichte“, die einen gewissermaßen „historischen“ Film ergeben – in einer „analogen“ Welt war Zeitungmachen, Informationsbeschaffung, die faktische Arbeit (die Tausenden Seiten der Papiere, die Daniel Ellsberg kopiert hatte, durchzuarbeiten und zu verwerten) eine Welt für sich, wo man auf Schreibmaschinen tippte und die einzelnen Zeitungszeilen in Bleisatz gegossen wurden, wo man sich noch heimlich traf und wenig mehr hatte als Telefone, um zu kommunizieren – nur die Alten, die sich noch an solche Zeiten erinnern, können das wirklich nachvollziehen.

Spielberg holt aus dem Milieu hohen Reiz, ebenso aus einer Reihe von Nebenfiguren (Matthew Rhys als Daniel Ellsberg, Bruce Greenwood als Robert McNamara), aber natürlich vor allem aus seinen Hauptdarstellern, denen er Zweifel und Stärke genug gibt, um die Geschichte dann (bei fast zweistündiger Spielzeit) immer spannend bleiben zu lassen.

Er hat „Kino“ gemacht, wie er es so wunderbar kann, und dabei – wie so oft – eine moralische Geschichte erzählt. Über die Aufgabe einer freien Presse, sich von einer repressiven Politik nicht unterdrücken zu lassen – und die Wahrheit zu sagen, wo es nötig ist.

Bilder (c) Universal Pictures

Renate Wagner 4.3.2018

 

 

 

 

Filmstart: 16. Februar 2018

Deutschland, Niederlande, Österreich / 2018

Regie: Miguel Alexandre

Mit: Josef Hader, Hannah Hoekstra, Rainer Bock u.a.

TRAILER

 

Als man las, dass die „Wunderübung“ von Daniel Glattauer verfilmt werden sollte, war man unbesorgt – das hatte man auf der Bühne als gelungenes Stück gesehen. Bei „Arthur und Claire“ ist das anders – dieses Zwei-Personen-Stück von Stefan Vögel war bei der Aufführung an einer Wiener Kleinbühne mehr als mühsam. Zwei Darsteller, in ein „geteiltes“ Bühnenbild mit zwei Hotelzimmern gestellt, ununterbrochen zu flachen Witzen angehalten. Nun, ein paar flache Witze haben sich leider auch in den Film gerettet. Sonst aber glücklicherweise fast gar nichts…

Und so ist, dank des Regisseurs Miguel Alexandre (ein Deutsch-Portugiese) und dank des Hauptdarstellers, „unseres“ Josef Hader, die gemeinsam ein so gut wie neues Drehbuch geschrieben haben, glücklicherweise ein höchst ansprechender Film aus einem schwarzgeränderten Thema geworden. Die beiden Hotelzimmer spielen kaum mehr eine Rolle, die Handlung wurde ins nächtliche Amsterdam gelockt, und vom tragischen Ausgangspunkt entwickelt sich eine Beziehungsgeschichte, wie man sie sich (im Kino, im Leben passiert so was ja selten) kaum schöner vorstellen kann. Nur am Ende wird es dann märchenhaft (wie im Kino, dass man im richtigen Bus sitzt…) und im bemühten Dialog seltsam platt – aber da ist man als Zuschauer so froh, dass man die Menschen und Gefühle unter Dach und Fach gebracht hat, dass auch dies nichts mehr ausmacht.

Es ist wieder einmal eine Meisterleistung von Josef Hader. Wenn er nach Amsterdam fährt, um in der Klinik seines Freundes Dr. Hofer (zweimal kurz auftauchend und sehr anteilnehmend und berührend: Rainer Bock) seinem Kehlkopf- (oder ist es Schilddrüsen?)Krebs davon zu laufen und seinem Leben freiwillig ein schmerzloses Ende zu bereiten, dann ist dieser Mann so getränkt von Traurigkeit und Endzeit, dass man ihm nur gut zureden möchte. Dabei wird da keineswegs mit liebenswerter Sentimentalität herumgefummelt – wer morgen nicht mehr da ist, braucht heute nicht mehr nett zu sein. Schon gar nicht, wenn aus dem Nachbarzimmer des Hotels laute Musik (noch dazu solche, die er nicht mag) erklingt. Man will ja schließlich ausgeschlafen sein – für morgen.

Im anderen Zimmer ist die Holländerin Claire (die von sich selbst sagt, damit nicht ein Kritiker des Films es spöttisch vermerkt, dass sie „mit diesem schrecklichen Rudi-Carrell-Akzent“ spricht), und die will sich, wie Arthur an einer vollen Pillenflasche sieht, umbringen. Es ist logisch, dass der Mann, der sich für sein morgiges Ende vorbereitet, nicht einsieht, warum eine junge Frau das Leben wegwerfen will. Und nun schicken Miguel Alexandre (und Co-Autor) Hader die beiden in eine wilde Amsterdamer Nacht, die zart komisch ist, mit der obligaten gegenseitigen Kratzbürstigkeit beginnt und die obligate gegenseitige Annäherung nach sich zieht. Das gelingt auf ganz hohem schauspielerischem Niveau und hängt – in Bars, beim Kiffen, mit den nötigen Familien-Reminiszenzen – ganz selten durch.

Die Amsterdamer Nacht ist mit ein paar schönen Dialogen und ein paar gewaltsamen Pointen versetzt, und wenn es gar zu poetisch wird – ist halt Kino: Da sitzt Arthur allein in einer Bar, klimpert am Klavier, Claire, die davongelaufen war, kommt zurück und singt (perfekt im Text), was er spielt. Und was? Oh, Danny boy, the pipes, the pipes are calling / Oh, Danny boy, oh Danny boy, I love you so! Das schöne, traurige irische Volkslied vom Sterben. Sei’s drum, auch das trägt der Film.

Wer das Stück nicht kennt (und wer kennt es schon?), wird trotzdem den Verdacht des Happyends hegen, spätestens sobald sich herausstellt, dass das Schicksal von Claire (auch Hannah Hoekstra, die resolute Holländerin, umschifft einigermaßen die Sentimentalität) an Tragik auch nichts zu wünschen übrig lässt.

Also, wenn sich zwei Traurige zusammen tun, ist das ein Trost für alle, auch jene im Kinosessel, und wieder einmal erweist sich, dass schauspielerisches Können und filmischer Instinkt auch eine an sich schlicht-billige Geschichte in die Höhen absolut sehenswerten Kinoglücks heben können.

Bilder (c) Universum

Renate Wagner 16.2.2018

 

Filmstart: 18. Januar 2018

Darkest Hour / GB / 2017

Regie: Joe Wright

Mit: Gary Oldman, Kristin Scott Thomas, Lily James, Ben Mendelsohn u.a.

TRAILER

Winston Churchill ist jener britische Staatsmann, der während des Zweiten Weltkriegs einige Entscheidungen getroffen hat, die sich im Nachhinein als richtig erwiesen haben (darunter jene, mit Adolf Hitler um keinen Preis zu verhandeln). Schon das macht ihn zu einem nationalen Helden und zu einer großen Figur der Weltgeschichte. Aber wie sah die Realität hinter den Geschichtsbüchern aus? Das fragt dieser Film von Regisseur Joe Wright, und obwohl man ganz schön „Nachhilfeunterricht“ erhält (wogegen ja nichts zu sagen ist!), sind es letztendlich zwei geradezu unterhaltende Stunden Weltgeschichte geworden… gebrochen durch die Persönlichkeit eines großen Mannes.

Denn Churchill, der ewig Zigarren paffende Alkoholiker, der den Tag mit einem Glas Whisky begann, ist natürlich auch eine köstliche, gewissermaßen leinwandgerechte Figur, in seiner eher unappetitlichen Rundlichkeit und schnaubenden Schwerfälligkeit, vor allem in seiner Direktheit, ja Rücksichtslosigkeit im täglichen Umgang mit der Mitwelt. Er hatte zu Kriegsbeginn nichts zu verlieren, er war über 60 und einer der bestgehassten Männer seiner Zeit. Aus der englische Hocharistokratie stammend, dekorierter Militär, Journalist und Schriftsteller, hatte er es nie darauf angelegt, sich Freunde zu machen. Das Amt des Premierministers schob man ihm 1940 zu, weil der Vorgänger es vergeigt hatte und sich niemand um die Verantwortung riß, England gegen ein über die Maßen gerüstetes Drittes Reich durch den Krieg zu führen…

So politisch dieser Film in den gezeigten Abläufen auch ist, so erlebt man doch „Churchill privat“ – zuhause mit der liebenden, klugen Gattin (Kristin Scott Thomas ist ein intelligenter Goldschatz als jene legendäre „Clemmy“, mit der Churchill eine ebenso legendär gute Ehe führte), im Kriegsquartier mit jener Sekretärin an seiner Seite, die es als Einzige mit ihm aushielt und ihm in unerschütterlicher Treue diente (die bezaubernde Lily James, die sich durchaus am Puls der Weltgeschichte fühlt), schließlich in Auseinadersetzung mit seinen Politiker-Kollegen, die alle (mit Ausnahme von König George VI. – Queen Elizabeths stotternder Vater, nobel interpretiert von Ben Mendelsohn) dafür plädierten, mit Hitler zu verhandeln.

Churchill führte das Land durch die Katastrophe von Dünkirchen, wo es seine Idee war, alle verfügbaren privaten Boote Englands über den Kanal zu schicken, um die dort an der Küste zwischen Meer und deutschen Panzern eingekesselten alliierten Soldaten heimzuholen, und der Film endet mit einer seiner legendären Reden, die von seinem Hauptfeind achtungsvoll so charakterisiert wird: „He armed the English language and sent it into battle“ (Er bewaffnete die englische Sprache und sandte sie in die Schlacht).

Natürlich kann Geschichte nur so spannend sein, wenn man den Menschen auf der Leinwand glaubt. Gary Oldman hat sich dermaßen in Winston Churchill verwandelt, dass man ihn selbst (der Gary Oldman dahinter) so gut wie nicht erkennt – und ihm so amüsiert wie vergnügt zusieht, des tragischen Themas ungeachtet. Der „Golden Globe“ als bester Hauptdarsteller ist es geworden, der „Oscar“ in derselben Kategorie winkt, er wäre mehr als verdient, hat er doch nicht das Klischee eines Mannes hingeklackst, sondern sorglich einen Charakter gezeichnet.

Bilder (c) Universal

Renate Wagner 18.1.2018

 

 

 


Ôtez-moi d’un doute / Frankreich, Belgien / 2017
Regie: Carine Tardieu


Mit: François Damiens, Cécile de France, Guy Marchand, André Wilms, Alice de Lencquesaing, Estéban u.a.

 

TRAILER

Zu Beginn erfährt man nicht ohne Erstaunen etwas Neues: Dass es nämlich in der Bretagne immer noch Räumungskommandos gibt, die verbuddelte Sprengköpfe aus den Kriegen suchen und diese entschärfen. Diesem erstaunlichen Beruf geht unser Held Erwan nach – François Damiens ist alles andere als ein spektakulärer Typ, aber ein ruhiger, sympathischer Mann. Er hat einen ebenso sympathischen alten Vater (der großartige Guy Marchand) und eine quengelige junge Tochter – schwanger, aber sie weiß nicht, von wem, will es auch nicht wissen. Bei irgendeinem Fest hatte er halt eine Zorro-Maske auf… und das war’s dann.

In diesem Film von Regisseurin Carine Tardieu sieht man (leider) nicht allzu viel von der Bretagne, erfährt aber glücklicherweise viel über die bretonischen Menschen, die immer noch „anders“ sind. Was bedeutet „Familie“ heute, was bedeutet „Vater sein“? Im allgemeinen nicht viel in der modernen Gesellschaft und in den großen Städten. In den entlegeneren Landschaften ist es anders. Da hält man zusammen, da sind die Alten nicht quengelig, lästig und besitzergreifend und die Jungen nicht oberflächlich und unfreundlich. Und wenn es in der Familie drunter und drüber geht, dann ist das sehr, sehr wichtig…

Es beginnt damit, dass Papa Erwan mit der schwangeren Juliette (Alice de Lencquesaing) besorgt zum Arzt geht: Sein Vater hat eine Erbkrankheit, wird sich dieaufs Kind übertragen? Nun – schon deshalb nicht, weil sein Vater nicht sein Vater ist, wie DNA-Tests heute leicht beweisen. Da bricht allerdings eine Welt zusammen, weil dieser Vater von Erwan immer der beste war, den er sich nur wünschen konnte. Allerdings quält ihn die Idee, wer nun sein richtiger Vater gewesen sein mag…

Bis er am Ende herausfindet, dass es andere Bande gibt als Blutsbande, setzt er (man versteht ihn ja) eine Detektivin auf die Sache an, und die präsentiert in kurzer Zeit, sogar mit Fotos belegt, wer der Mann war, den Mama in der fraglichen Zeit gekannt hat. Ja, es gibt ihn noch, er wohnt im nächsten Ort…

Es ist schlechtweg hinreißend, wie Erwan diesen Joseph Levkine (anbetungswürdig: André Wilms) ausfindig macht, ihn umschleicht, mit ihm ins Gespräch kommt, ihn schließlich, als er ihn ein wenig kennt, mit der Vergangenheit konfrontiert. Der alte Herr ist liebenswürdig und verwirrt, er weiß nur, ja, dass er einmal bei einem One-Night-Stand, an den er sich kaum erinnert, seine Frau betrogen hat, er bedauert zutiefst, aber…

Nein, es wäre eigentlich kein Problem, zwei Väter von dieser Qualität verträgt man schon – wenn Erwan (und da verliert das Drehbuch seine Glaubwürdigkeit und hebt sich in wunderbar-luftige Komödienhöhen) nicht im Nebenort des richtigen Vaters die Ärztin Anna (Traumfrau Cécile deFrance) kennenlernte. Die ihm besonders gefällt. Die er zum Essen einlädt. Um ihr davor bei Joseph Levkine zu begegnen – als dessen Tochter.

Was nun? Nach und nach (die Verwirrungen sind possierlich) wissen dann alle, was los ist, und man leidet mit Erwan und Anna, die so offensichtlich wild in einander verliebt sind und nicht wissen, ob sie es dürfen! Dabei ist doch die Geschwisterschaft einstweilen nur eine Annahme ohne Beweis – und man möchte dauernd auf die Leinwand hinaufrufen: „Lasst doch einen DNA-Test machen, Ihr Idioten!“ Und wenn sie dann selbst darauf kommen – ja, es ist lächerlich, man bangt regelrecht mit ihnen, was das Ergebnis sein wird…

Und weil man sich nicht erinnert, seit ewigen Zeiten einen liebevolleren Film gesehen zu haben, regelt das Drehbuch auch noch die Dinge für Jacqueline (der Vater findet sich in Gestalt eines witzigen Outcasts: Estéban), und menschliche Zusammengehörigkeit wird auf einer Ebene der liebevollen Zuneigung besiegelt.

Mag sein, dass man hier im Wunschtraumland landet, dass Filme, wo schreckliche Menschen schreckliche Dinge tun, die realistischeren sind. Aber man möchte so gerne glauben, dass „eine bretonische Liebe“, wie sie hier herrscht, zumindest möglich wäre…

Renate Wagner 10.1.2018

Bilder (c) Arsenal Filmverleih

 

 

Filmstart: 28. Dezember 2017

GB, Polen / 2017

Regie: Dorota Kobiela, Hugh Welchman

Animation, Biographie

TRAILER

Schon wieder ein Maler – was ja nicht erstaunt, sie sind ja allesamt interessante, skurrile Persönlichkeiten. In den letzten Jahren sind sie (von Turner bis Monet) im Dutzend billiger in „Biopics“ über die Kinoleinwand marschiert. Dass man sich Vincent van Gogh vorgenommen hat, ist schon lange her (1956, sehr eindrucksvoll mit Kirk Douglas als van Gogh und Anthony Quinn als Gauguin). Nun ist er erneut an der Reihe, aber in einem Film, der so gar nichts mit den üblichen Lebensgeschichten dieser Art zu tun hat. Inhaltlich nicht – und schon gar nicht formal. Imd darauf kommt es an.

Die beiden Filmemacher Dorota Kobiela und Hugh Welchman hatten für die polnisch / britische Co-Produktion „Loving Vincent“ eine noch nie da gewesene Idee: Es ist, auf der Basis eines mit Menschen gedrehten Spielfilms, dann am Ende doch ein „animiertes“ Kunstwerk geworden. Jedes Bild wurde – in der Arbeit von mehr als 100 Künstlern, die mit der Hand, nicht mit dem Computer unterwegs waren – im Sinne van Goghs „übermalt“, wobei man oft von berühmten Gemälden ausging, die jeder kennt. Und die dann zu „leben“ beginnen. Der Effekt ist verblüffend, auch wenn dem Zuschauer gelegentlich die Augen weh tun, weil van Goghs Farben in der Bewegung dann arg „flimmern“…

Was kann man auf diese Art erzählen? Nun, wann immer eine Berühmtheit unter nicht ganz geklärten Umständen gestorben ist, halten sich Gerüchte und Spekulationen über Jahre, Jahrzehnte, Jahrhunderte. Van Gogh, der sich selbst in den Bauch schoß und daran starb, ist so ein Fall. Ob der scheinbar eindeutige Selbstmord vielleicht ein Mord oder nur ein tragischer Unfall war – wer weiß es schon?

Das machen Kobiela und Welchman zum Ausgangspunkt ihrer erfundenen Geschichte, die auf zwei Ebenen läuft: Die scheinbare „Gegenwart“ spielt etwa ein Jahr nach van Goghs Tod und schickt einen jungen Postboten, dessen Vater mit van Gogh befreundet war, quasi aus, um die Frage nach dessen Tod zu stellen. Was man ihm im Lauf der Handlung erzählt, die Rückblenden also, erfolgen Grau in Grau (Schwarz/Weiß), was diesem Teil des Geschehens den Charakter eines Film Noir gibt, der es auch sein will: ein Krimi. Nur, dass die Autoren natürlich auch nicht wissen, was wirklich geschehen ist…

Immerhin, wenn Postbote Armand Roulin, dessen gelbe Jacke immer unverkennbar ins Auge sticht, nach Auvers kommt, die letzte Station in van Goghs Leben, da findet er viele Leute, die ihn gekannt haben und ihm vieles erzählen können. Hier hat man ihn nicht nur als den „verrückten“, sondern auch als den großen Künstler gekannt. Er schien so glücklich, sagt der Bootsmann, der ihm beim Malen zusah. Er war doch in die Tochter von Dr. Paul Gachet verliebt, erzählt die Kellnerin in dem Wirtshaus, wo er lebte und wo Roulin sich das Sterbezimmer ansehen darf. Aber warum leugnet die Tochter diese Beziehung…?

Kurz, es ist als Krimi gemeint, aber spannend wird es nie. Tatsächlich ist es nur eine respektvolle, liebevolle Huldigung von Leuten geworden, die sich viel mit van Gogh beschäftigt haben und vor allem Wissen über ihn vermitteln wollten. Wenn es nur ein „Film mit Menschen“ wäre (man kann die Schauspieler, die die Rollen spielen, nie erkennen, weil sie à la van Gogh „übermalt“ sind), könnte einem ein wenig langweilig werden.

Und doch passiert es nicht, weil man immer wieder auf die „farbigen“ Passagen des Films wartet – wenn die Gemälde des Vincent van Gogh quasi laufen lernen, wenn sie den lebendigen Hintergrund seiner Geschichte bieten. Er hat ja alles gemalt, seine Umgebung, die Menschen – von früh bis spät, wie man in dem Film erfährt. Wie er die Welt sah, so sieht man sie hier auch.

Übrigens: „Loving Vincent“ heißt, solange man es nicht besser weiß, „Vincent lieben“, und das stimmt auch. Tatsächlich hat er aber die Briefe an seinen Bruder stets so unterschrieben…

Bilder (c) Weltkino

Renate Wagner 3.1.2018

 

 

 

Filmstart: 15. Dezember 2017

TRAILER

Deutschland /   2017

Drehbuch und Regie: Nicolas Wackerbarth

Mit: Andreas Lust, Judith Engel, Corinna Kirchhoff, Andrea Sawatzki u.a.

 

„Casting“, das tägliche Brot im Schauspielerberuf. Selbst die Großen entgehen dem nicht – „der Regisseur will Dich sehen, will ein bisschen was hören.“ Man muss doch auch schauen, ob die Chemie stimmt, nicht wahr? Und alle kommen, die Jobs liegen schließlich nicht auf der Straße, am allerwenigsten für Frauen über 50. Eine solche wird gesucht für ein Fernseh-Remake von Fassbinders „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“.

Die Regisseurin ist offenbar schon tagelang dabei, ein Gesicht nach dem anderen zu verschleißen, ohne sich entscheiden zu können. Für den verantwortlichen Redakteur wird die Zeit knapp, zumal der Sender ohnedies schon einer „Promi“-Lady die Rolle so gut wie versprochen hat. Aber die Regisseurin will ihren Status als Entscheiderin behaupten…

Regisseur Nicolas Wackerbarth hat in seiner Eigenschaft als Drehbuchautor meisterliche eineinhalb Stunden geschrieben und dann auch inszeniert. Über Hoffnungen und Ängste, über Machtmißbrauch und Demütigung, über das „Spielen“ nicht nur vor der Kamera, sondern auch im Leben. Über das Sich-Verkaufen-Müssen, als Person, mit Haut und Haar. Keine Distanz, an die Haut, unter die Haut, meisterlich.

Besonders meisterlich, weil er jeder einzelnen Figur ein ganzes Schicksal gibt – und weil jeder einzelne Darsteller brillant genug ist, um das auszuschöpfen. Wobei einerseits die Regisseurin, andererseits der arme Nobody, der nur als „Anspielpartner“ der gecasteten Damen engagiert ist, im Mittelpunkt stehen.

Judith Engel ist die Regisseurin Vera. Nicht mehr jung, in jeder Hinsicht ein Spätzünder – mit ihren schätzungsweise gut 50 ist es erst ihre dritte Regie, und ein Baby hat sie auch. Dabei hält sie sich zurück, die anderen die Doppelbelastung merken zu lassen – das Kind wird erst am Ende einmal mitgebracht, wenn offenbar gar kein Babysitter zur Verfügung steht. In der Arbeit ist sie fordernd, es macht ihr Spaß, die Schauspielerinnen zu reizen, ihnen emotional zu begegnen, um ihnen in den Szenen dann auch emotional etwas abzuverlangen. Das verträgt nicht jede, die Situation rund um sie ist immer spannungsgeladen, eigentlich negativ geprägt.

Sie manipuliert auch – ihre zunehmend nervöser werdende Assistentin, von der sie so viel Loyalität verlangt, bis der Sender sie hinauswirft (eine glänzende Studie des Versuchs, sich mit sprudelnder Präsenz auch in der zweiten Reihe der Hack-Ordnung zu behaupten: Milena Dreissig), vor allem aber Gerwin, den armen Ex-Schauspieler, der es zwar leugnet, aber dessen Sehnsucht, wieder einmal zu spielen, geradezu mit den Händen zu greifen ist. Es gibt eine Szene, wo die Frauen (Regisseurin, Assistentin, Maskenbildnerin) ihn unter dem Vorwand, er spräche nun als er selbst für die Rolle des jungen Liebhabers vor, lustvoll und sadistisch demütigen: Das schmerzt geradezu. #metoo andersrum: Wahrscheinlich würde er, der Schwule, sich die Rolle auch erschlafen, so begierig ist er danach.

Aber diese Vera hat ja selbst ihre Ängste, vor allem hat sie einen ungeduldigen Redakteur im Nacken (mehr als überzeugend: Stephan Grossmann), der zwar ein Künstler darin ist, letztendlich nichts ernst zu nehmen, was diese Verrückten da treiben (und zu entscheiden meinen), der aber einen Film auf die Beine stellen muss – jenseits des Gezickes, das hier ausbricht…

Auf der anderen Seite, machtlos, aber doch selbstbewusst, agiert auch noch die Maskenbildnerin (Nicole Marischka): Sie muss nicht schön sein, sie kann sie selbst sein, aber sie hat auch ein paar Wörtchen mit zu reden, sie steckt in all dem Schlamassel der anderen, ohne selbst betroffen zu sein, und sie genießt es – samt eigener großer Szene, wenn sie angeblich alles hinwirft, um am nächsten Tag natürlich wieder da zu sein.

Und da kommen sie nun, die Damen „entre deux ages“, die für die Petra von Kant vorsprechen. Keine Frage, alle wollen die Rolle, viele von ihnen brauchen sie dringend, aber es gilt, Souveränität, Selbstbewusstsein, Überlegenheit vorzuspielen.

Die erste Kandidatin (Ursina Lardi) tut es, indem sie schlechte Laune als Machtmittel einsetzen möchte – sie habe doch schon viermal vorgesprochen, wie oft noch? Und warum darf sie nicht blond sein, sondern soll eine dunkle Perücke nehmen? Und warum soll sie noch einmal geschminkt werden? Sie gebärdet sich, als hätte sie die Freiheit, die Sache hinzuwerfen – und als sie dann beim Vorspielen nicht in den Tritt kommt, macht sie den Partner dafür verantwortlich. Nein, danke.

Dass es mit der nächsten Kandidatin (Marie-Lou Sellem) nichts wird, ist schnell klar, die Regisseurin tut ihre Antipathie fast kund, provoziert private Tränen, klar, dass man nicht miteinander kann.

Die dritte ist offenbar ein großer Star: Corinna Kirchhoff versteckt weder ihre grauen Haare noch ihr Alter, sie ist souverän, herablassend, Komplimente wischt sie geradezu beleidigend weg. Beim Vorsprechen macht sie klar, wer sie ist, wie groß ihre Erfahrung, ihr muss man nichts sagen. Dann aber… als die Regisseurin nichts zusagen will und auch gar nicht kann (weil ihr der Redakteur geflüstert hat, der Sender habe sich schon entschieden), da wird es dann wirklich tragisch. Da bettelt die große Schauspielerin, die in ihrem Alter sich gar nichts mehr aussuchen kann, geradezu um die Rolle, setzt ihre ganze Kraft und Persönlichkeit ein, um die Regisseurin zu beschwören und zu einer Zusage zu bewegen… da läuft es einem als Zuschauer kalt über den Rücken.

Aber der Star ist schon da, die Nr.5: Andrea Sawatzki schwebt strahlend herein, man hat ihr die Rolle ja schon zugesagt, sie meint, es ginge nur darum, die Crew kennen zu lernen. Zu der ältlichen Regisseurin, die noch nicht so viel Erfahrung hat, ist sie geradezu gönnerhaft: Das machen wir schon! Dass sie jetzt ein Casting machen soll, erwischt sie kalt und fassungslos – und als die Regisseurin nein sagt, versteht sie die Welt nicht mehr. Und auch sie kommt, nach Abzug hoch erhobenen Hauptes, zurück, um ein paar Sätze aus dem Drehbuch zu sagen und zu zeigen, wie gut sie ist… Aber nein, die Regisseurin will nicht.

Und nun scheint die ganz Sache zu platzen, die Entscheidung muss her, jetzt, eine Schauspielerin von Format, oder wir vergessen das ganze Projekt. Gerwin, der herumgestupste Anspielpartner, erinnert sich an eine Kollegin, mit der er Theater gespielt hat (und wenn man seine bedeutungsvolle Miene richtig deutet, dann auch etwas mehr) – und tatsächlich ist, als letzte Chance für alle und letzte Möglichkeit für die Regisseurin, dann diese am Set (Victoria Trauttmansdorff ). Wie tpyisch und wie zu erwarten, dass sie sich an Gerwin überhaupt nicht erinnert… (oder wenn sie es nicht will, dann verbirgt sie das glorios). Aber man kann endlich mit den Dreharbeiten beginnen…

Und in diesem ganzen Frauenreigen war Gerwin, besetzt mit dem Österreicher Andreas Lust (der wahrlich mehr sein kann als nur der gequälte TV-Gatte von Ursula Strauss), immer im Zentrum des Geschehens. Immer da, die Luft des Studios atmend. Die Lüge verbreitend, er wolle das alles nicht mehr. Und wie er erwacht, aufblüht, als die Regisseurin ihm die männliche Hauptrolle anbietet! Sie spielt nur mit ihm, er merkt es nicht. Merkt nur, dass ihre Zusage keinen Cent wert ist, wenn der Redakteur die andere Besetzung für die Rolle bringt (Tim Kalkhof), primitiv, aber natürlich ideal für den Strichjungen in Fassbinders Geschichte. Nun darf Gerwin nicht zeigen, dass eine Welt zusammenbricht, dass er geglaubt hat, was man ihm sagt, dass er eine Sekunde für möglich hielt, er bekäme noch eine Chance…

Eine kurze Szene lang erlaubt sich Nicolas Wackerbarth eine Anleihe bei Hollywood (oder deutschen Fernsehschmarrn) – wenn der enttäuschte Gerwin in ein einsames Zimmer läuft, dort das einsam abgelegte Baby der Regisseurin findet und in den Arm nimmt. Wenn sie kommt und (sie hat ja genügend Filme gesehen) das Schlimmste befürchtet (wir tun es ja auch), Erpressung, das Baby an die Wand geschmettert, wenn nicht… nein, Gerwin gibt das Kind zurück. Er ist das, was unsere gnadenlose Gesellschaft einen „Loser“ nennt. Aber auch Loser haben Träume.

Die letzte Szene zeigt, wie man sich bei ihm bedankt: Er darf einen Postboten spielen. Liefert der Petra von Kant in Gestalt der Kollegin, die sich nicht an ihn erinnert, ein Päckchen. Er macht das gut, danke, die Szene ist abgedreht, wir können uns von Gerwin verabschieden. Kann er sich von seinem Traum verabschieden? Bitte, machen wir die Szene noch einmal. Bitte. Man tut ihm den Gefallen. Er stellt sich in Positur… Aber da wird nun bekanntlich „beim Happy End im Kino immer abgeblend’t.“

Wer ein bisschen Ahnung von der Branche hat, weiß, dass Nicolas Wackerbarth hier unendlich viel Wahres hineingepackt hat. Und wer die Schauspieler am Bildschirm auf der Leinwand nicht nur bewundert, sondern auch beneidet, bekommt eine Ahnung davon, wie schwer sie für ihren Ruhm arbeiten müssen – nicht nur als Darsteller, sondern auch als Menschen.

Bilder (c) Piffl Medien GmbH

Renate Wagner 14.12.2017

 

 

 

Filmstart: 1. Dezember 2017

GB / 2016

TRAILER

Regie: William Oldroyd

Mit: Florence Pugh. Cosmo Jarvis, Naomi Ackie u.a.

Zuerst gesagt: Es ist nicht die Lady Macbeth von William Shakespeare, vielmehr die in der Literatur- und auch Opernwelt bekannte russische Ausgabe von Nikolai Leskow, dessen Novelle wir auch komponiert als die Katerina Ismailowa von Dmitri Schostakowitsch kennen. Und sie spielt, da wir einen britischen Film vor uns haben, auch nicht im Russland des 19. Jahrhunderts, sondern 1856 in England. Die Voraussetzung bleibt dieselbe – dass eine Frau, um sich aus den Ketten zu befreien, die die Gesellschaft ihr anlegt, auch vor Mord nicht zurückschreckt. Und dass sie sich als stärker erweist als alle Männer…

Dazu pinselt der Film von Regisseur William Oldroyd (meist am Theater tätig und folglich besonders für Schauspielerführung zuständig) zuerst das beengende Milieu, das für die Frauen der „besseren Kreise“ noch drückender war als für die armen Leute (die dafür weniger Zeit hatten). Man sieht von Anfang an, was die der Katherine der Florence Pugh von ihrem Ehemann hält: Die 20jährige britische Schauspielerin, ein unbeschriebenes Blatt davor, hoch gerühmt seit diesem Film, ist Angelpunkt des Geschehens. Ihr muss man glauben, wozu sie imstande ist, und ihre düstere Verhaltenheit bestimmt das Geschehen.

Gut, der Gatte (Paul Hilton als Alexander Lester) ist alt und benimmt sich mit Absicht (oder einfach ganz selbstverständlich) widerlich, wie Männer es so lange in der Welt ungestraft tun durften – sowieso kein Interesse an Sex mit ihr, höchstens an aufreizenden Machtspielchen, aber Kontrollzwang, also sperrt man die junge Frau am besten ins Haus ein. Erstickend, demütigend, unerträglich. Dazu kommt der Druck des Schwiegervaters (Christopher Fairbank als Boris Lester), der Nachwuchs verlangt. Dafür wurde sie schließlich „gekauft“ (ihr Vater hat sie tatsächlich für ein Stück Land an den alten Lester „verhandelt“).

Viele, zu viele Frauen sind unter solchem Druck einfach still leidend oder sich selbst den Tod gebend zugrunde gegangen. Diese Katherine wehrt sich, und da man für Mord Hilfe braucht, holt sie sich den jungen Arbeiter am Gut des Gatten, als sie einmal unbeobachtet ist: Cosmo Jarvis als Sebastian muss die naive Brutalität des einfachen Mannes ausstrahlen (was dem Ganzen auch einen Hauch von „Lady Chatterley“ verleiht und die Macht zügelloser Sexualität aufzeigt), aber dann auch wie ein wimmerndes Bündel zusammen brechen – denn seine Mithilfe an Morden steckt er gar nicht so leicht weg. Dabei ist es doch Katherine selbst, die den widerlichen Schwiegervater vergiftet – und an den Gatten legt sie auch selbst Hand. Da bietet der Film wirklich harte Szenen, die die Entschlossenheit und Skrupellosigkeit einer Frau zeigen, die sich – wehrt. In der Folge kommt sie nur mit ihren Verbrechen durch, wenn es Sebastian, der seine Mittäterschaft nicht ertragen kann, auch opfert…

Die Gefahr bestünde grundsätzlich darin, dass man der „armen, unterdrückten“ Katherine ihre Gewalttaten verzeiht, aber das kann angesichts der coolen Verbrecherin, zu der sich Florence Pugh so überzeugend wandelt, nicht wirklich geschehen: Schritt für Schritt testet sie aus, was möglich ist, und erweitert skrupellos ihre Macht. Dennoch wird die „Verbrecherin“ nicht entschuldigt, bloß wenn man weiß, wie es dazu kam – aber ein Quentchen Verständnis dafür, dass man sich nicht alles bieten lässt, wird jede Frau im Zuschauerraum des Kinos aufbringen…

Der Film zeichnet – wobei Drehbuchautorin Alice Birch (auch in Deutschland, etwa an der Schaubühne, bekannt) einiges über Leskov hinausgeht – Milieu, Charaktere und Tat schlicht im historischen Gewand, und fügt auch noch Figuren ein, die besondere Akzente setzen, etwa die farbige Dienstmagd Anna (stark: Naomi Ackie), die alles ahnt und nicht weiß, was sie tun soll und schließlich an dem Geschehen zerbricht. Auch ist die Geschichte mit den Morden und dem Einzug Sebastians ins Herrenhaus noch nicht zu Ende – Katherine stellen sich weitere Probleme in den Weg, und es ist klar, dass sie den Weg des Mordes weitergehen kann. Und dass sie alles und alle opfert, um selbst zu überleben… so wird’s zum schaurigen Psychothriller. Und was bedeutet am Ende schon Katherines Überleben, wenn rings um sie grauenvoll tabula rasa herrscht?

Bilder (c) Koch Media

Renate Wagner 8.12.2017

 

 

 

 Filmstart 10. November 2017

Deutschland, Österreich / 2017

TRAILER

Regie: Barbara Albert

Mit: Maria Dragus, Devid Striesow, Maresi Riegner, Stefanie Reinsperger u.a.

 

In Wien hat man sie nicht vergessen – nicht nur der Paradisgasse in Döbling wegen (Betonung auf dem zweiten A). Aber man denkt an Maria Theresia Paradis ((1759-1824), die damals so berühmte blinde Pianistin der Mozart-Zeit, doch vor allem im Zusammenhang mit Franz Anton Mesmer (1734-1815), dem Zauberer und Scharlatan der Epoche (dessen „magnetische“ Behandlungsmethode Mozart bekanntlich in „Cosi fan tutte“ parodiert hat, wenn Despina sich als Arzt verkleidet). Um die Geschichte der versuchten „Heilung“ der jungen Frau durch Mesner ranken sich die bösen Gerüchte, dass er sie auch missbraucht haben soll – eine seltsame Geschichte voll Ungewissheit.

Der romantische Plüsch des 18. Jahrhunderts, der diese real-historische Episode in konventioneller Weise einrahmen würde, wird in dem Film „Licht“ von Barbara Albert höchst kritisch eingesetzt: Es ist keine reizvolle Welt, die sie pinselt, so üppig Rokoko-Kostüme und Perücken auch wogen. In dieser Umgebung wird die junge, fast grotesk hässliche blinde Pianistin vorführt, die von ihren unangenehmen Eltern herumgeschleppt und wie ein Ausstellungsstück vorgeführt wird und an der nur fasziniert, wie sie das Klavier beherrscht. Da wird das unsichere halbe Kind zur bewunderten Meisterin. Von Anfang an stellt die Regisseurin klar, was hier vorgeht: ein junges Mädchen als hilflose Marionette, als Opfer ihrer Umwelt, von gierigen Eltern, die sie vermarkten, und einer gierigen Gesellschaft, die sich an ihr wie an einer Jahrmarktskuriosität weidet…

Und da ist Franz Anton Mesmer, den man heute wohl als Guru oder Alternativheiler betrachten würde, der behauptet, er könne dieses Mädchen von seiner Blindheit befreien. Also wird die 18jährige 1777 in das Schloß gebracht, wo er residiert und wohin man ihm schon andere Kranke (vor allem Nervenkranke) hin- und abgeschoben hat. Eine Heilanstalt, die kläglich und armselig anmutet, nichts von dem Glanz vermittelt, den Mesners Name damals umstrahlt haben muss.

Barbara Albert zeigt nach dem Drehbuch, das Kathrin Resetarits nach Alissa Walsers Roman „Am Anfang war die Nacht Musik“ geschrieben hat, nicht wirklich, was Mesner nun mit dem armen Geschöpf angestellt hat, außer hypnotisch beschwörend auf sie einzureden und seine Idee vom magnetischen Fluidum zu beschwören, und man erfährt auch nicht, ob ihre Bestätigung, nach und nach etwas zu „sehen“, einfach nur eine Schutzbehauptung war. Es spielt sich auch nichts besonders Spannendes zwischen den beiden ab. Wenn die Regisseurin etwas darstellt, dann die Glanzlosigkeit des ganzen Unternehmens und die Armseligkeit des Schicksals dieser jungen Frau. Die dann, als sie vielleicht tatsächlich Schatten sieht, die atemberaubende Sicherheit verliert, mit der sie früher die Klaviertasten bearbeitete…

So, wie Maria Dragus (einst in Hanekes „Das weiße Band“ als eines der Kinder dabei) diese „Resi“ spielt, gelegentlich fast ein wenig debil wirkend, in hohem Maße hilflos jedenfalls, sich durch die Welt tastend, entfaltet sich kaum eine Ahnung ihrer Genialität, selbst wenn sie sich ans Klavier setzt – und wenigstens das hätte man ihr nicht schuldig bleiben sollen. Und auch Devid Striesow als Franz Anton Mesmer hat nicht die geringste Ausstrahlung eines Wunderdoktors, ja, nichts Besonderes haftet ihm an. Und das scheint dann doch etwas wenig für die Geschichte, sie ist irgendwie rund um die berühmten Protagonisten zu klein geraten.

Interessant, wie weit eher Nebenfiguren zu genuinem Leben erwachsen, vor allem Maresi Riegner als die Magd Agnes, neugierig um die Blinde herumstreichend, später – auch sie ein klassisches Opfer – weggeschickt, weil sie sich von einem Patienten verführen ließ und schwanger geworden ist. Oder Stefanie Reinsperger als die Köchin Johanna, Mutter eines debilen Kindes, die demütig hinnehmen muss, als es ums Leben kommt.

 Doch nicht alle Frauen sind Opfer – sowohl die stets betriebsame, die Tochter gnadenlos vorschiebende, an ihr herumzupfende und herumbessernde Mutter von Resi (Katja Kolm) wie auch die Gattin von Mesmer (Johanna Orsini-Rosenberg) behaupten ihren Platz, ebenso wie einzelne Männer (Lukas Miko als Resis angeberischer Vater, der auf einen Adelstitel besteht, den er nicht besitzt) oder Hermann Scheidleder als der Professor, der Mesner nach Möglichkeit erniedrigt und Resis Heilung anzweifelt – sie alle auf Kosten der Schwachen.

Man will nicht denken, was ein konventioneller Fernsehfilm aus dieser Geschichte Spektakuläres gemacht hätte, die Barbara Albert hier so gnadenlos und zweifellos absichtsvoll trocken anpackt. Aber etwas mehr dramatischer Grip hätte dem Film nicht geschadet, der sich allerdings auf seinen ehrlichen Zugang zum Geschehen berufen kann. Dass diese Maria Theresia Paradis nach dieser Behandlung noch zu einer Weltberühmtheit ihrer Zeit wurde und an Fürstenhöfen konzertierte – man würde es diesem Geschöpf, das dieser Film zeichnet, nicht zutrauen…

Bilder (c) Farbfilm

Renate Wagner 21.11.2017

 

 

Filmstart: 10. November 2017

USA / 2017

Drehbuch: Ethan Coen, Joel Coen

TRAILER

Regie: George Clooney

Mit: Matt Damon, Julianne Moore, Noah Jupe, Karimah Westbrook, Leith M. Burk, Oscar Isaac u.a.

 

Es gibt sie nicht oft, aber doch: Jene Filme, die ihre „Macher“ geradezu herausschreien. Man sieht „Suburbicon“ und weiß – Coen Brothers, Coen Brothers! George Clooney, der sicher ein ambitionierter Mann ist und diesen Film inszeniert hat, hat sich ein altes, bis dahin unverfilmtes Drehbuch der beiden hergenommen und teils daran mitgeschrieben. Aber die Handschrift des Ganzen zeugt vor allem von der Lust der Coens, ein scheinbar ganz durchschnittliches Amerika in seinem Wahnsinn mit allerschwärzestem Humor zu durchleuchten.

Freilich, grundsätzlich Neues ist ihnen dazu nicht eingefallen, wenn sie eine Muster-Kleinstadt namens Suburbicon erschaffen, ganz USA der fünfziger Jahre (der gewisse Doris-Day-Look in allem), eine selbstzufriedene weiße Gesellschaft, die sich unheimlich gut vorkommt – und empört rebelliert, als die „schwarze“ Familie Myers (Karimah Westbrook und Leith M. Burke) es wagt, hier einzuziehen. Die will man nun einmal gar nicht hier haben, und ein starkes (und allzu zeigefingerhaft deutliches) Segment des Films besteht darin, was die guten Bürger alles tun, um die tapfere kleine Familie samt Sohn Andy (Tony Espinosa), die standhaft durchhalten, zu terrorisieren… Das hat voll grausame, starke Momente – ist aber in jedem Detail so schrecklich auf der Hand liegend.

Aber das ist eigentlich nur die Nebenhandlung. Diese Myers sind die Nachbarn der Familie Lodge, um die es eigentlich geht und die auf den ersten Blick so verlogen perfekt scheint. Ein starr braver Papa, wie es scheint (Matt Damon, in anderen Filmen durchaus smart, ist hier dicklich und stockig), mit einer Gattin im Rollstuhl und ihrer Schwester im Haushalt (beide – die eine blond, die andere braunhaarig – gespielt in ironischer Meisterschaft von Julianne Moore). Und der kleine Sohn Nicky (meisterlich, wie er kritisch in die Welt schaut: Noah Jupe), der mehr begreift, als den Eltern lieb ist – und mit dem schwarzen Nachbarjungen die selbstverständliche Freundschaft von Gleichaltrigen pflegt.

Nun, die Rollstuhl-Mama gibt es bald nicht mehr: Auch in einer idealen Welt werden brave Familien überfallen (Glenn Fleshler und Alex Hassell sind beängstigend wie aus dem Bilderbuch), und dabei stirbt die Mutter. Die Schwester muss sich natürlich um Schwager und Neffen kümmern – sie erblondet, und Nicky merkt bald, dass das Interesse der Erwachsenen verdächtig einander gilt.

Ja, es ist kein Spoiler, es zu verraten, denn es wird ohnedies klar – in dieser scheinbar ach so braven Welt werden auch Morde bestellt, wird nach Kräften gelogen, um alles zu verschleiern, und Kinder, die das durchschauen, geraten in Lebensgefahr. Papa sieht sich unter Erpresserdruck genötigt, selbst mörderisch Hand anzulegen. Ein Onkel (Gary Basaraba), der den Neffen retten will, bezahlt das teuer. Desgleichen ein Versicherungsbeamter (Oscar Isaac), der wittert, was der Zuschauer längst weiß: Die Sache mit der kürzlich aufgestockten Lebensversicherung für die Ermordete stinkt zum Himmel…

Freilich, wie die Coens dann den Lauf der Handlung drehen, dass sich die Bösen in ihren eigenen Netzen fangen – das ist die Hohe Schule dieser Art von Filmen. Gar nicht Hohe Schule ist es, dass hier eigentlich die tausendfach repetierte Geschichte über die Abgründe der braven Bürger wieder einmal mehr oder minder nach Schema F erzählt wird – auch wenn es schwer sein mag, dem Thema noch eine neue Facette abzuringen, denn es ist in seiner Wohlfeilheit oft genug gedreht und gewendet worden.

Jedenfalls kommt hier eigentlich nichts wirklich Bemerkenswertes heraus, so stylish Regisseur George Clooney das Milieu zu pinseln vermag – auch wenn man es als Attacke auf speziell die Selbstgefälligkeit (und notabene Verlogenheit) des Trump-Amerika nehmen kann. Was auch abgegriffen genug und absolut keine Neuigkeit ist.

Bilder (c) Concordia

Renate Wagner 11.11.2017

 

 

 

 

Filmstart: 10. November 2017

 

TRAILER

Regie: Kenneth Branagh

Mit: Kenneth Branagh, Michelle Pfeiffer, Penelope Cruz, Johnny Depp, Willem Dafoe, Judi Dench, Derek Jacobi u.a.

 

Wahrscheinlich wurde kaum ein Agatha-Christie-Roman so oft verfilmt wie „Mord im Orient Express“ – bisher dreimal, davon 1974 so exemplarisch und glanzbesetzt unter Regisseur Sidney Lumet, dass man jedem neuen Versuch nur skeptisch entgegen sehen musste. Nun, alle Befürchtungen sind unbegründet – der neue „Orient Express“ von 2017 ist ein Gustostück für sich, und das verdankt man dem Hercule Poirot des Kenneth Branagh, der auch Regie führte. Und dabei hat er seine Figur sehr, sehr gut bedacht und ganz gezielt in den Mittelpunkt gestellt. Aber wer ein so großartiger, witzig-ironischer Schauspieler (und ein so geschickter Regisseur) ist wie er, der darf das…

Alle bisherigen Verfilmungen sind recht frei mit dem Original umgegangen, haben einzelne Figuren verändert und umgetauft, aber das grundlegende Konzept bleibt dasselbe: Edward Ratchett, ein wahrer Schurke, wird ermordet, und 12 Passagiere des Orient Express, der irgendwann in den dreißiger Jahren in einer Schneekatastrophe im Balkan stecken geblieben ist, sind tatverdächtig. Ein Fall für Poirot…

Bis es dazu kommt, wird die Handlung noch ein wenig ausgebaut: Sie beginnt an der Klagemauer in Jerusalem, lässt einen kleinen Jungen mit Eiern zweimal durch die Stadt in ein Luxushotel laufen – warum? Weil Monsieur Poirot seine Frühstückseier auf ganz bestimmte Weise wünscht und sie zurückschickt, wenn sie nicht passen… Der ganze Mann wird in seinem exzentrischen Charme und seiner reizvollen Zickigkeit umrissen, „schlanker“ als Peter Ustinov (der übrigens nicht im „Orient Express“ spielte, aber in seiner Epoche „der“ Poirot schlechthin war) und so anders, dass Branagh keinen Vergleich scheuen muss, weil es keinen gibt: Er ist so unikat, wie es sein Vorgänger war…

Wenn er sich auf den Orient Express begibt, blättert der Film nach und nach seine Mitreisenden auf, die man alle in Konfrontation mit ihm erlebt. Vielleicht war die Besetzung 1974 um einiges stärker, etwa wenn das junge Grafenpaar Andrenyi damals mit Jacqueline Bisset und Michael York besetzt war, während es diesmal mit Lucy Boynton und Sergei Polunin so gut wie unter den Tisch fällt. Aber es gibt auch hier genügend starke Besetzungen. Schön, dass sich für die unverändert attraktive Michelle Pfeiffer doch noch Rollen finden, auch wenn sie (eine unverzeihliche Sünde in Hollywood) auf die 60 zugeht: Sie kann immer noch sexy, süffisant und leinwandfüllend sein (so wie einst Lauren Bacall in dieser Rolle). Und wenn Johnny Depp auch nicht kraftvolle Ausstrahlung eines Richard Widmark hat – dass er ein Bösewicht ist, glaubt man dieser halbseidenen Erscheinung ohne weiteres – und verurteilt ihn glatt zum Tode. Passiert auch. Erstochen. Oftmals.

Ungemein witzig ist Willem Dafoe in der Rolle eines Detektivs diesmal in der deutschen Fassung, weil er sich als Wiener ausgibt und einen hinreißenden Kunstdialekt hinlegt (muss auf Englisch auch ganz lustig sein, aber nicht so wie diesmal in der Synchronisation). Der gute Mr. Arbuthnot, einst als Sean Connery ein grundsolider Colonel, ist hier (politische Korrektheit) ein farbiger Arzt (Leslie Odom junior) geworden, wieder in Mary Debenham verliebt. Einst war das eine junge Vanessa Redgrave, nun erlebt man die junge, frische Daisy Ridley, die man bisher nur aus der letzten „Star Wars“-Verfilmung kannte. Ein zwielichtiger Sekretär konnte einst nicht besser besetzt werden als mit Anthony Perkins – nun gibt sich der Sonst-Komiker Josh Gad ernsthaft.

Branagh hat ein paar der kostbarsten englischen Schauspieler mitgebracht – Judi Dench überstrahlt in ihrer trockenen Art als alte Prinzessin Natalia Dragomiroff sämtliche (auch berühmte) Vorgängerinnen, und Derek Jacobi liefert als todkranker Kammerdiener des (bald) Toten eine wunderbare Leistung.

Nicht zu vergessen ist die Rolle, die Ingrid Bergman (für eine Charge, wie man offen sagen muss) einst den Nebenrollen-„Oscar“ einbrachte: Die gibt es hier nicht. Sie ist zu einer Latina namens Pilar Estravados geworden, gespielt von der köstlichen Penélope Cruz, die sich allerdings darstellerisch nicht ganz so weit aus dem Fenster hängen darf wie die Vorgängerin in derselben Rolle (mit anderem Akzent…).

Branagh begnügt sich als Regisseur nicht damit, diese Figuren (und Darsteller) lustvoll aufzubereiten, er hat auch Sinn für das Ambiente und das Flair der dreißiger Jahre, dann erst für den Orient, später für den Luxuszug und für die zunehmend verschneiten Umwelt (bald ist man ja von Istanbul kommend im Balkan), und er lässt Kameramann Haris Zambarloukos die köstlichsten Kunststücke vollbringen, etwa dem Geschehen immer wieder auf den Kopf sehen, was durchaus als zynische inszenatorische Schräglage zu begreifen ist. Und er führt die Handlung immer wieder auf Poirot zurück. Logisch. Bei ihm laufen ja alle Fäden zusammen…

Dieser wird übrigens, nachdem er den Fall gelöst hat, schnell abberufen: Er müsse sich sofort nach Ägypten begeben, dort hätte es einen rätselhaften Mord auf dem Nil gegeben. Ja, wir freuen uns auf „Tod auf dem Nil“ und andere weitere Poirot-Filme, wenn das schöne Niveau dieser hier so hoch vergnüglichen Unterhaltung auch sicher gehalten werden kann…

 

Renate Wagner 9.11.2017

Bilder (c) FOX

 

 

 

Filmstart 6. Oktober 2017

USA / 2017

Regie: Denis Villeneuve, Ausführender Produzent: Ridley Scott, Mit: Ryan Gosling, Harrison Ford, Ana de Armas, Robin Wright, Jared Leto, Sylvia Hoeks u.a.

TRAILER 1

TRAILER 2

Als der erste „Blade Runner“ 1982 in die Kinos kam, spielte er in scheinbar ganz ferner Zukunft – im Jahre 2019. Das ist uns ja nun schon sehr nahe gerückt, und ungeachtet der Digitalisierung stellen wir fest, dass wir doch noch nicht von „Replikanten“ (künstlichen Menschen, von uns kaum zu unterscheiden) überschwemmt sind. (Oder erkennen wir sie bloß nicht?)

Das war die Grundidee des Klassikers von Ridley Scott, nach einer Geschichte von Philip K. Dick, und er zeigt uns die seit langem schwelende, nun viel näher gekommene Sorge der Menschen, dass sie eines Tages von den „Maschinen“, in welcher Form auch immer, abgelöst, verdrängt, ausgerottet werden…

Der neue Blade Runner, der nun 35 Jahre nach dem ersten in die Kinos kommt (in dem gelungenen Bestreben, „die Geschichte weiter zu erzählen“), spielt 30 Jahre nach dem ersten, basiert wieder auf den Ideen von Dick, hat sich der Beratung von Ridley Scott versichert. Denis Villeneuve ist dem neuen „Blade Runner“ ein ingeniösen Regisseur. Das Problem der Geschichte ist inetwa dasselbe geblieben, nur dass es eine neue Generation von Replikanten gibt, die „braver“ und fügsamer sind als die alten – und ausersehen, unkontrollierbare frühere Modelle, vor denen man sich fürchtet, aus dem Weg zu schaffen.

So lernt man „K“ kennen („K“ wie Kafka, kommt dem Europäer unweigerlich in den Sinn), und es hat sich gelohnt, einen Film nicht auf eines der leeren neuen Star-Gesichter, sondern auf einen Schauspieler zu bauen: Ryan Gosling trägt die zweidreiviertelstündige Handlung fast allein, in Auseinandersetzung mit einer harten (menschlichen? Jedenfalls unmenschlich coolen) Vorgesetzten (Robin Wright), begleitet von seiner digitalen Traumfrau: Diese „Joi“ kommt auf Knopfdruck aus einem Computerprogramm, ist ein Hologramm, das sich in Sekundenschnelle verwandeln kann (anderes Kleid, andere Frisur, Traumfrau auf Abruf), die aber – da liegen die Probleme – offenbar wirklich Anteil an „K“ nimmt, den sie Joe nennt, um ihn zu vermenschlichen, und die selbst so gerne wirklich leben würde… Das macht die schöne Puppe Ana de Armas zu einer faszinierenden Figur.

Eine geschätzte halbe Stunde vor dem Ende trifft „K“ auf ein Relikt von damals, sprich: Harrison Ford, der so verwittert aussehen darf, wie er ist (er ist schließlich legitim gealtert). Er lebt als der aus dem ersten Film bekannte Rick Deckard einsam in einem verfallenen Casino von Las Vegas und weiß nicht, was aus seinem Kind geworden ist.

Dieses hat „K“ die ganze Zeit auf Anordnung der „Bösen“ (Jared Leto als perverser Replikanten-Produzent Niander Wallace, Sylvia Hoeks als Luv, die wirklich beängstigende Killerin) gesucht und gejagt: Denn wenn die Kunstmenschen echte Kinder gebären – wo kommen wir da hin? Und damit sind wir wieder und jede Minute lang beim Thema des Films, bei dem Problem vom Selbstverständnis der „Maschinen“, bei der Frage, was man noch aufhalten kann – wenn wir nicht davon abgelenkt sind, einfach „Bilder“ zu schauen.

Denn Denis Villeneuve, der natürlich eine ganz andere technische bzw. digitale Möglichkeiten zur Verfügung hat als Ridley Scott vor ihm, zaubert phantastische optische Visionen, wo eine heruntergekommene, dystopische Welt zu einem eigenen Faszinosum wird, und lässt sich keine Sekunde verführen, billige Sci-Fi-Action auf die Leinwand zu bringen. Im Gegenteil: Indem der über die fließenden Grenzen zwischen maschinenkalt agierenden Mensch und vermenschlichter Maschine reflektiert, ist das ein echtes Stück Leinwand-Philosophie, ungemein poetisch, ungemein stark in der Wirkung.

Und nur die Jungen im Kinosaal werden es erleben, wenn in drei Jahrzehnten und mehr dann der nächste Blade Runner kommt? Auch das macht nachdenklich...

Bilder (c) Sony & Warner

Renate Wagner 7.10.2017

 

Ergänzung des Herausgebers

Bitte schauen Sie sich den Film UNBEDINGT (wenn verfügbar) in einem möglichst großen Kino in 3-D an. Ich habe nie einen perfekteren 3-D-Film gesehen - vor allem, weil hier diese Technik hoch-künstlerisch zur Bildgestaltung mit beiträgt. Sie ist nicht nur purer Effekt, sondern trägt und gestaltet den Film mit, der übrigens im Original sogar im hochaufwendigen IMAX gedreht wurde (dabei ist das Negativformat noch erheblich größer als bei einem alten 70 mm Film).

Wichtig erscheint mir - der ich den Film auf meiner ewigen Science Fiction Liste meiner Filmgeschichte der letzten 100 jahre unter die Top Ten setzen würde, die man als Science Fiction Fan UNBEDINGT im Leben gesehen haben muß. Wichtig noch der Hinweis auf die grandiose Filmmusik von Hans Zimmer, der hier stellenweise die Ur-Musik von Vangelis (Bladerunner 1982) mit ihren schwebenden Synthesizer Klängen perfekt mit eingebaut hat. Ich hoffe, daß man diesmal bei der Oscar Verleihung auch Zimmer mit diesem mehr als verdienten Preis honoriert.

Für mich ist dieser Film ein monumentales Kunstwerk - auch filmtechnisch das Maaß der Dinge, was heute machbar ist - welches durchaus mit einer Oper verglichen werden kann. Unglaublich phantasiereiche Bühnen/Szenebilder und optisch brillant durch-choreographiert. Fast erschlagen den Zuschauer die langen Kamerafahrten, die man so noch nie gesehen hat. Die opulenten Aufnahmen - man gerät schon fast in einen Bilderrausch - sind so gewaltig, daß man danach erst einmal eine Weile braucht um das alles zu verkraften. Ein Film, der erschlägt. Auch die Philosophischen Hintergründe sind nachdenkenswert. Man wird über diesen Film noch lange und viel reden können.

Es ist absolut kein Film fürs Popcorn-Kinovolk, daher bezweifele ich den ganz großen Kassenerfolg; aber Bladerunner 1982 war ja auch zuerst ein Flop und wurde viel später dann als erst hypergenialer Kultfilm erkannt.

Peter Bilsing 10.10.17

 

Weitere Top Kritiken

DIE ZEIT Portrait eines selbsmörderischen Rebellen

BERLINER ZEITUNG Eine düstere Zukunftsvision wird schlüssig

FRANKFURTER ALLGEMEINE Ohne Seele geht es auch

FILMSTARTS Bewertung "Meisterwerk"

HEUTE AT Ein szenisches Meisterwerk

 

OPERNFREUND FILMTIPP: BLADE RUNNER 1982

Da es mittlerweile fünf verschiedene Versionen und Bearbeitungen gibt:

  • Die Arbeitsfassung [105:27 Min.]

    10,97%
  • US-Kinoversion (1982) [112:34 Min.]

    21,94%
  • Internationale Kinoversion (1982) [112:49 Min.]

    2019,42%
  • Director's Cut (1992) [111:49 Min.]

    76,80%
  • Final Cut (2007) [112:48 Min.]

gilt diese letzte als besonders empfehlenswert:

 

 

 

 

 

DER OPERNFREUND  | opera@e.mail.de