DER OPERNFREUND - 51.Jahrgang
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Konzert zu Ehren von „Storyarchitekt“
Michael Kunze

Kaum ein anderer Name in der deutschsprachigen Musicalwelt ist seit Jahrzehnten derart bekannt wie Michael Kunze. Der inzwischen 78jährige Liedtexter und Librettist schuf in seiner bisherigen Wirkungszeit unzählige Hits, von denen zwei in diesem Jahr ihr rundes Jubiläum feiern. Im September 1992 feierte das Musical „Elisabeth“ über die Lebensgeschichte der österreichischen Kaiserin seine Premiere in Wien und zählt bis heute zu einer der größten deutschsprachigen Musicalschöpfungen. Zusammen mit dem Komponisten Sylvester Levay, mit dem er übrigens diverse Musicals schuf, entwickelte Michael Kunze eine Art Totentanz der Kaiserin, der bis heute die Zuschauer begeistert. Ein weiteres Werk mit Texten des Librettisten ist der „Tanz der Vampire“ der in diesem Jahr sein 25jähriges Jubiläum feiert. Die Premiere fand im Oktober 1997 ebenfalls in Wien statt und wird seither mehr oder weniger ununterbrochen irgendwo im deutschsprachigen Raum aufgeführt. Kaum ein Musical dürfte in den letzten 25 Jahren mehr Zuschauer begeistert haben, als das Stück welches auf Roman Polanskis gleichnamigen Film aus dem Jahr 1967 basiert. Am Sonntag, den 10. Juli 2022 erwies „Sound of Music“-Concerts dem Komponisten eine besondere Ehre, indem ihm ein gesamtes Konzert gewidmet wurde.

Im Oberhausener Stadion (von dem nur ein kleiner Teil der Tribüne genutzt wurde) herrschte von Beginn an eine schöne Openair-Atmosphäre, auch wenn man durch die Tribüne sehr geschützt dem Konzert lauschen konnte. Zum Glück blieb das Wetter aber stabil, so dass man für rund 2 ½ Stunden bei einem schönen Sonnenuntergang in die Texte von Michael Kunze eintauchen konnte. Zu Beginn des Abends begrüßte er die Zuschauer in Form einer Bandeinspielung persönlich zu diesem Konzertabend. Mit einem rund 20minütigen Block zum Musical „Rebecca“ stand ein Highlight gleich zu Beginn auf dem Programm. Jan Ammann sang in der Rolle des Maxim de Winter, die er bereits 2017 in Tecklenburg verkörperte „Zauberhaft, natürlich“ ganz zauberhaft natürlich. Gelungen an diesem Abend, dass je Programmblock die einzelnen Rollen fest verteilt wurden. So verkörperten Lisa Habermann die Rolle der Ich (u. a. „Zeit in einer Flasche“) und Karolin Konert die Rolle der Mrs. Danvers (u. a. „Sie ergibt sich nicht“ und „Rebecca“) stimmlich auf höchstem Niveau. Mit dem Duett „Jenseits der Nacht“ durfte das Paar Ammann / Habermann zum Ende dieses Programmblockes ein wunderbares Liebeslied vortragen. Aus dem recht neuen Musical „Lady Beth“ präsentierte Michaela Schober ein kleines Medley, bevor der Bogen zu „Marie Antoinette“ gespannt wurde. Mit „Blind vom Licht der vielen Kerzen“ erklang hier ein weiteres Highlight des Abends, dargeboten von Karolin Konert. Ein Lied mit einem der vielleicht schönsten Texte die Michael Kunze in seiner Karriere geschrieben hat. Allgemein waren die Songs des Abends gut ausgewählt, da sich in vielen Texten auch heute noch gültige Botschaften wiederfinden lassen.

Ein großer Block zu „Mozart!“ rundete den ersten Teil des Abends ab. Hier durfte auch Andreas Bieber als Wolfgang Amadeus Mozart erstmals gesanglich in Erscheinung treten, nachdem er zuvor nur einen Teil der Moderation übernommen hatte. Seine nach wie vor jung klingende Stimme passte gut zu „Warum kannst du mich nicht lieben, wie ich bin.“ und „Irgendwo wird immer getanzt“. Auch „Gold von den Sternen“ darf an einem solchen Abend selbstverständlich nicht fehlen, in diesem Fall als wunderbares Damen-Duett. Zu „Wie wird man seinen Schatten los“ lief Marina Komissartchik am Flügel zur Höchstform auf, wofür Sie im Verlauf des Abends immer wieder mit großem Beifall der Zuschauer bedacht wurde. Nach der Pause folgten zwei Programmblöcke zu den beiden eingangs erwähnten Jubiläumsmusicals „Elisabeth“ und „Tanz der Vampire“ mit allen zu erwartende Highlights. Jan Ammann verkörperte den Tod und (selbstverständlich) den Grafen von Krolock. Andreas Bieber glänzte als Kronprinz Rudolf und Alfred. Karolin Konert übernahm die Rolle der Elisabeth während Michaela Schober als Erzherzogin Sophie und Sarah zu erleben war. Zwischen diesen beiden Musicals wurde aber noch ein Programmblock platziert, der sich den Schlagertexten von Michael Kunze widmete, schließlich schuf er unzählige erinnerungswürdige Texte, u. a. für Caterina Valente, Mary Roos, Juliane Werding, Gitte Haenning, Peter Alexander und Udo Jürgens. Mit dem deutschen Beitrag zum Eurovision Song Contest 1984 „Aufrecht geh´n“ steuerte Lisa Habermann ein wunderbares Lied bei. Es folgte „Die kleine Kneipe in unserer Straße“ (Bieber/Schober), hier zeigte sich auch das Oberhausener Publikum sehr textsicher. „Was wichtig ist“ (Schober) und „Freu dich bloß nicht zu früh“ (Bieber) rundeten diesen Teil des Abends ab. Als Zugabe erklang später noch „Ohne Dich (schlaf ich heut Nacht nicht ein)“ von der Münchner Freiheit. Dieses Konzert lieferte in rund 150 Minuten fünf hervorragende Stimmen und viele schöne Texte, so dass die Zuschauer sichtlich zufrieden gegen 22 Uhr das Stadion verließen.


Markus Lamers, 11.07.2022
Foto: © Markus Lamers

 

Stephen Sondheim - Ein Nachruf

Im ehrenwerten Alter von 91 Jahren verstarb am vergangenen Freitag der amerikanische Autor und Musical-Komponist Stephen Sondheim. Wie kaum ein anderer hat er das Musicalgeschehen am Broadway beeinflusst und sich hierbei in all den Jahren seines kreativen Werkens immer wieder neu erfunden. In einem Punkt blieb er sich aber stets treu, seine Werke waren selten leichte Kost.

Erste Erfolge feierte Sondheim Ende der 50er-Jahre mit den Songtexten die er für die Musicals „West Side Story“ und „Gypsy“ beisteuerte. Später brillierte er vor allem auch als Komponist und Werke wie „Company“ (1970), „Follies“ (1971), „Sweeny Todd“ (1979), „Sunday in the Park with George“ (1984) oder „Into the Woods“ (1987) sind nur einige seiner Stücke, die als Meilensteine des Genre in die Geschichte eingegangen sind. In seiner Karriere gewann er unter anderem einen Oscar, neun Tony Awards, acht Grammys und den Pulitzer-Preis.

Bei vielen seiner Werke verschmelzen Worte und Melodien zu einer Einheit, wobei er weitestgehend auf einprägsame Kompositionen verzichtete und die Lyrik in den Mittelpunkt rückte. Harmonie war ihm stehts wichtiger als Rhythmus. Daher galten Sondheim-Werke an vielen Theaterhäusern lange als „Kassengift“, da sie von vielen Zuschauern als zu schwer empfunden wurden. In den letzten Jahren konnte man hier allerdings eine Wendung feststellen. „Sweeny Todd“ gehört längst zum Stammrepertoire und auch seine anderen großen Erfolge fanden zunehmend den Weg in die Theater. Insbesondere seine weniger bekannten Stücke erlebten in den letzten Monaten eine kleine Wiederauferstehung. Erst im September des letzten Jahres konnten die Landesbühnen Sachsen mit „Sunday in the Park with George“ eine wunderbare Premiere feiern. Im April 2022 ist in Radebeul die Wiederaufnahme für wenige Termine angesetzt. Für Januar 2022 hat das Mecklenburgische Staatstheater in Schwerin die Deutschsprachige Erstaufführung von „Anyone can Whistle“ (hier dann „Pfeifen kann doch jeder“) in einer Inszenierung von Martin G. Berger auf dem Spielplan stehen.

Einem größeren Publikum wurde Stephen Sondheim auch durch die erfolgreiche Verfilmung von „Sweeny Todd“ im Jahr 2007 bekannt, eine Regiearbeit von Tim Burton mit Johnny Depp in der Hauptrolle. Auch die Disney-Version von „Into the Woods“ aus dem Jahr 2014 konnte die Kritiker überzeugen, beim Publikum bekam die Verfilmung allerdings nur gemischte Kritiken. Wenn in weniger als zwei Wochen Stephen Spielbergs Neuverfilmung der Westside-Story in die Kinos kommen wird, spätestens dann wird man sich bei „There is a place for us“ in Gedanken erneut vor einem der größten Komponisten und Texter der Neuzeit verneigen können.

Danke an dieser Stelle für viele unvergessliche Werke, die hoffentlich auch in vielen Jahren noch auf vielen Theaterbühnen zu erleben sein werden.

Markus Lamers, 21.11.2021

 

Interview mit dem gefragten Musicalregisseur
Gil Mehmert

Am 24. November 2021 findet im Theater und Konzerthaus Solingen die Premiere des selten gespielten Musicals „She loves me“ statt. Jerry Bock und Sheldon Harnick, die u. a. durch ihren Welterfolg „Anatevka“ Bekanntheit erlangten, schufen mit Joe Masteroff, Buchautor des Welterfolgs „Cabaret“, dieses romantisch-nostalgische Musical mit zündenden Melodien und wunderbar komischen Momenten. Seine Uraufführung erlebte das Werk bereits 1964 am New Yorker Broadway. Es handelt von Georg Nowack, der in der Parfümerie von Herrn Mazek arbeitet. Da er allerdings in Beziehungsfragen bislang nicht so viel Glück hatte, verliebt er sich Hals über Kopf in die anonyme Brieffreundin. Er ahnt nicht, dass es sich hierbei um Amalia Balash handelt, eine Kollegin aus der Parfümerie. Mit Gil Mehmert konnte für die Regie einer der gefragtesten Musicalregisseure unserer Zeit gewonnen werden, der sich für den Opernfreund Zeit für ein ausführliches Interview nahm.
 


OF: Erstmal vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview genommen haben. Im Oktober haben Sie ja einen regelrechten Premierenmarathon hinter sich gebracht. „Evita“ in Saarbrücken, „Knockin´on Heaven´s Door“ in Fürth, „Berlin Skandalös“ in Dortmund und erst am vergangenen Wochenende die deutschsprachige Erstaufführung von „Once“ in Hamburg. Schlafen Sie zwischendurch auch mal oder wie schaffen Sie das alles?

GM: Ich schaffe das alles nur wohl nur, weil ich zwischendurch sehr gut und gerne schlafe. Am liebsten natürlich im eigenen Bett, was zumindest bei meinen Produktionen an der Oper Dortmund möglich ist. Zudem schlafe ich noch besser, wenn alles gut läuft und jedes Zahnrad im Getriebe seinen Dienst tut. Da so viele tolle Künstler und vor allem enge Mitarbeiter beteiligt sind / waren, konnte ich diesen Marathon, um bei dem schönen Bild zu bleiben, tatsächlich ins Ziel bringen.

OF: Dazu kommt ja auch noch Ihre Tätigkeit an der Folkwang Universität der Künste, an der Sie unterrichten. Hier war das Studium in den letzten Corona-Monaten sicher auch komplett anders als gewohnt, zumal sich der Unterricht im künstlerischen Bereich wohl nicht so einfach online umsetzen lässt wie zum Beispiel in der Betriebswirtschaftslehre. Können Sie uns hier etwas aus dem Studienalltag der letzten Monate erzählen?

GM: Das waren für die Studenten in der Tat sehr unruhige und oft auch unbefriedigende Zeiten. Wir haben, sobald die Regeln es zuließen, unter den entsprechenden Auflagen versucht, Kontaktunterricht zu ermöglichen, was gerade bei meiner Arbeit eigentlich die Grundlage ist. Vorbesprechungen zu Konzepten oder das Einkreisen von Repertoire-Zusammenstellungen gingen aber auch online. Der Unterricht, der darüber hinaus als Bildschirm-Meetings möglich war, wurde in der erforderlichen Regelmäßigkeit bei allen Einschränkungen mühsam aufrechterhalten.

OF: Ende diesen Monats steht mit „She loves me“ im Bereich Musical nun endlich die erste größere Zusammenarbeit der Folkwang Universität der Künste mit dem Theater und Konzerthaus Solingen auf dem Spielplan. Auch diese Inszenierung von Ihnen musste im letzten Jahr aus den bekannten Gründen verschoben werden. Auf was dürfen sich die Zuschauer hier freuen?

GM: Sicher auf ein insofern ungewöhnlich schönes nostalgisches Musical, das im Schatten von ähnlich operettenhaften Shows wie „My Fair Lady“ oder „Hello Dolly“ stehen mag, da es im übersichtlichen Kosmos eines Parfumgeschäfts eine extrem hohe Dichte an liebenswerten Figuren, deren zum Teil amourösen Verstrickungen und die pointierte Verdichtung ihrer Themen parat hält.

OF: In Ihren verschiedenen Inszenierungen trifft man ja oftmals auf ehemalige Folkwang-Absolventen. Inwieweit hat man als Regisseur eigentlich ein Mitspracherecht bei der Besetzung oder ist das von Inszenierung zu Inszenierung komplett unterschiedlich?

GM: Natürlich habe ich da ein Mitspracherecht, aber ich würde nie jemand nach vorne pushen, nur weil er Folkwang-Student ist. Der Vorteil aber ist, dass ich von unseren Folkwänglern über die Jahre ihrer Ausbildung ein sehr viel genaueres Bild über ihre Stärken und evtl. auch Schwächen habe und ihren Arbeitscharakter gut einschätzen kann, eben viel besser als es eine reine Audition zu vermitteln vermag. Aber ich freue mich immer, wenn ich „meine“ Theaterfamilie um neue großartige Darsteller erweitern kann, mit denen ich dann endlich zusammenarbeiten darf.

OF: Nochmal zum Stichwort „unterschiedlich“ oder vielleicht auch gar nicht unterschiedlich. Haben Sie einen groben Ablaufplan, wenn Sie sich einer neuen Produktion widmen und können Sie unseren Lesern vielleicht grob verraten, wie man sich als Regisseur einem Stück annähert, nachdem der Inszenierungsauftrag angenommen wurde?

GM: Der Vorlauf bis zum Probenbeginn erstreckt sich zumeist über etwa 2 Jahre. Zunächst gilt es ein künstlerisches Erzähl-Konzept zu entwickeln und dieses dann logistisch durch zu deklinieren für alle Szenen. In diesem Stadium komme ich natürlich schon mit meinem Ausstatterteam, also Bühnen- und Kostümbildnern zusammen. Dann wird die Bauprobe vorbereitet, die etwa 9 Monate vor der Premiere stattfindet. Dort werden mit markiertem Bühnenbild alle Anforderungen für den Bau in den Werkstätten festgelegt. Gleichzeitig erstelle ich gegebenenfalls meine Fassung, das kann bedeuten, dass man die Übersetzung überprüft, Kürzungen oder vielleicht auch mal eine Umstellung im Libretto vornimmt. Kurz vor Probenbeginn bespreche ich mich mit dem Choreographen, wo und wie wir in der Inszenierung choreographisch arbeiten möchten. Bei einem neuen Stück, also einer Uraufführung können alle diese Schritte auch noch mal erhebliche Veränderungen an dem Stück nach sich ziehen. Die etwa 7-wöchige Probenzeit beginnt mit einer Vorstellung des Konzeptes für alle Darsteller und beteiligten Gewerke und dann eben mit der konkreten Umsetzung der theoretischen Vorarbeit in die Praxis. Dabei ändert sich auch noch mal viel, etwa durch neue Inspirationen oder auch neue technische oder logistische Aspekte, die sich in der Probenarbeit ergeben können. Nachdem man in etwa 4 Wochen auf der Probebühne die Inszenierung entwickelt hat, geht es nun darum, diese in den Endproben auf der Bühne mit dem richtigen Bühnenbild, Kostümen, Maske und Licht zusammenzubringen bis es schließlich zu den ersten Durchläufen kommt, an denen dann auch Tonverstärkung und volle Orchesterbesetzung das Gesamtbild entstehen lassen.

OF: Nochmal kurz zurück zur Premiere in Solingen am 24. November 2021 oder besser gesagt zu einem Premierenabend im Allgemeinen. Wie erlebt man als Regisseur einen solchen Abend?

GM: Im besten Falle entspannt, weil man angenehme und effektive Endproben hatte, in denen alles gut zusammengeführt werden konnte. Dann muss man auch loslassen können und denen vertrauen, die den Abend aktiv in die Hand nehmen. Diesen Kontrollverlust kann man natürlich am besten ertragen, wenn man seinem Umfeld wirklich gut vertrauen kann. Je länger ich dabei bin, desto mehr habe ich Strategien entwickelt, die zu entspannten Endproben führen. Es gibt Kollegen, die sich ihre eigenen Premieren nicht anschauen, weil sie es nicht aushalten vor Stress und Nervosität. Deswegen kommt es immer vorher zur Frage. „Und, gehst du rein?“. Natürlich gehe ich rein, dafür habe ich ja lange gearbeitet, jetzt will diesen Theaterabend auch mit Publikumsreaktionen genießen. Bei einer Premiere im Zusammenhang mit der Universität wie hier bei „She loves me“ geht es zudem ja noch weniger um mich, als darum, dass die Studenten optimal präsentiert werden. Da bin ich mehr Pädagoge als selbst Künstler.


OF: Ich erinnere mich auch heute noch gut an die Premiere von „Die Hexen von Eastwick“ vor inzwischen über neun Jahren in Gelsenkirchen, bei der Sie nach wenigen Minuten eingeschritten sind, weil die Technik nicht wie geplant mitspielen wollte. Bei all den vielen Premieren, die ich bislang erleben durfte, ist das doch recht einmalig und auch heute würde mich noch immer interessieren, was hier damals in Ihnen vorgegangen ist?

GM: Das war natürlich eine theatrale Katstrophe, weil ich schnell eine Entscheidung herbeiführen musste. Der ganze Abend war darauf angelegt, dass Animationsfilme zu den Szenen laufen. Aber schon der große Film zur Ouvertüre startete nicht, so dass klar war, dass es hier einen technischen Fehler gibt, der das mediale Erzählprinzip des Abends ausfallen lassen würde. Alle Szenen hätten sich nicht erzählt, das Licht hätte nicht gepasst, man hätte das Stück ohne die Videos gar nicht verstanden. Tatsächlich war bei einer letzten Videokorrektur das Verbindungskabel ausgesteckt worden. So mussten wir dies korrigieren und einen Re-Start vornehmen. Ein Alptraum.

OF: Kommen wir zurück zum aktuellen Geschehen. Im nächsten Jahr stehen mit den beiden europäischen Erstaufführungen von „Tootsie“ am Gärtnerplatztheater in München und „Lady Bess“ in St. Gallen zwei weitere große Produktionen auf Ihrem Arbeitsplan. Für „Lady Bess“ haben Michael Kunze und Sylvester Levay soweit ich informiert bin sogar eine Neufassung geschrieben. Können Sie uns hier schon einen kleinen Vorgeschmack auf Ihre jeweiligen Inszenierungen geben?

GM: Beides sind sehr spannende und sehr unterschiedliche Projekte. Wenn man einen Kultfilm wie „Tootsie“ als Musical erzählt, muss es natürlich einen Mehrwert haben, hier noch eine gesangliche und choreographische Erzählebene einzusetzen. Aber schon das Libretto hat ein entsprechendes Upgrade und auch eine gewisse Aktualisierung vorgenommen. Der wichtigste Ansatz in unserer Produktion ist sicher die besondere Art, in der wir New York auf die Bühne bringen möchten. Das Bühnenbild ist noch in Vorbereitung, aber die Lösung der vielen Musical-typischen Ortswechsel gefällt mir hier besonders gut. Bei „Lady Bess“ steht hingegen keine bürgerliche Figur von heute, sondern – auch im Musical sehr beliebt – eine außergewöhnliche historische Figur im Mittelpunkt. Diese Geschichte als Musiktheater zu erzählen, ist schon allein durch das Eindringen in den historischen Kontext höchst spannend.


OF: Die Bad Hersfelder Festspiele haben bereits verlauten lassen, dass auch das Musical „Goethe!“ im Jahr 2022 wieder aufgenommen werden soll, bei dem Sie neben der Inszenierung ja auch das Buch beigetragen haben und welches vor kurzem dreimal mit dem Deutschen Musical Theater Preis 2020/21 ausgezeichnet wurde. Gibt es für 2022 noch weitere Pläne von Ihnen über die Sie heute schon sprechen dürfen?

GM: An der Dortmunder Oper wird im Herbst nun endlich meine Inszenierung von „Cabaret“ zu sehen sein, die wir Pandemie-bedingt schon zum zweiten Mal verschoben haben. Zudem gibt es auch eine Wiederaufnahme des „Elisabeth“-Open-Airs vor dem Schloss Schönbrunn in Wien, das wir schon 2019 zweimal vor jeweils 11.000 Zuschauern spielen durften. Nun ist es endlich wieder soweit und wir werden die Show sogar dreimal spielen. Es ist eine besondere Umsetzung dieses Musicals vor einer gigantischen und natürlich zwingenden Kulisse.

OF: Vielleicht nochmal ein kurzer Blick auf die Situation des Musicals im deutschsprachigen Raum ganz allgemein, wie sehen Sie hier die Entwicklung der letzten Jahre?

GM: Allein durch die Förderung deutschsprachiger Uraufführungen durch den deutschen Musicalpreis, ist eine gewisse Welle losgetreten worden, die über die Quantität an neuen Stücken auch immer mehr zur gesteigerten Qualität führt. Weiterhin teilt sich der Markt in Stadttheaterproduktionen, in denen immer ambitionierter Musicals produziert werden, in Sommerfestspiele, auf die das gleiche zutrifft, weil ja nur mit spezifizierten Gästen gearbeitet wird, in Tourproduktionen mit unterschiedlichen Niveaus und eben die Ensuite-Häuser beispielweise von Stage Entertainment, BB-Promotion und den Vereinigten Bühnen Wien. Einerseits war „Das Wunder von Bern“ ein vorläufiger Höhepunkt an deutschsprachigen Neu-Produktionen, der jäh abgebrochen wurde durch den Weiterverkauf von Stage Entertainment, andererseits hat diese Krise des Konzerns und auch die Pandemie dazu geführt, dass sich der Markt weiter neu sortieren. Es ist zumindest ein lebhafter Prozess im Gange, der aktuell zu einigen interessanten neuen Anbietern geführt hat.


OF: Zum Schluss noch eine kurze persönliche Frage. Wenn Sie die freie Auswahl hätten, welches Musical Sie gerne einmal inszenieren würden, gibt es hier einen ganz persönlichen Wunsch, den Sie vielleicht auch schon länger gerne auf die Bühne bringen möchten?

GM: Bei den Klassikern stehen noch „Sweet Charity“ und „Kuss der Spinnenfrau“ auf der Liste, andere schöne Projekte, wie etwa „Rent“, „Next to Normal“, „Sweeney Todd“ oder auch „Anatevka“ sind schon in konkreter Planung. Und Ideen für ganz neue Projekte, bei denen ich dann wieder als Librettist beteiligt bin, gibt es natürlich auch.
 

OF: Na, dann dürfen wir uns ja auch in Zukunft auf einige spannende Produktionen von Ihnen freuen. Vielen Dank, für das Gespräch und alles gute für die anstehenden Premieren.


Markus Lamers, 10.11.2021


Freilichtbühne Coesfeld

Ewig Jung

Premiere: 28.05.2021

Vergnüglicher Spaß an einem lauen Sommerabend

Der Sommer ist da und pünktlich hierzu beginnt die diesjährige Spielzeit auf der Freilichtbühne Coesfeld im Rahmen des „Projekt Modellregion“. Den Auftakt machte am vergangenen Freitag das Gastspiel „Ewig Jung“ des KatiElli Theater aus Datteln. Zu sehen ist diese Produktion dort noch bis zum 12. Mai 2021 an weiteren fünf Terminen, bevor das KatiElli Theater ein weiteres Musical auf die sehr nette Freilichtbühne bringt. Im Laufe des Sommers folgen das Familienstück „Wilde Hühner“ und das Abendstück „Acht Frauen“ der Freilichtbühne Coesfeld e.V.. Und seien wir ehrlich, besser als mit strahlendem Sonnenschein kann so eine Freiluft-Premiere nicht stattfinden, offenbar steht der „Neustart Kultur“ nach einer langen Corona-Zwangspause zumindest unter diesem Aspekt unter einem guten Stern. Allerdings sitzen die Zuschauer auch bei schlechterem Wetter auf (für Open-Air-Bühnen recht bequemen) überdachten Plätzen, für die Darsteller wird es dann natürlich deutlich ungemütlicher.

 

Das Stück „Ewig Jung“ von Erik Gedeon feierte am 10. Januar 2001 seine Premiere im Hamburger Thalia Theater, damals noch unter dem Namen „Thalia Vista Social Club“. Seitdem ist das Stück an unzähligen Theatern aufgeführt worden und erfreut sich auch zwanzig Jahre nach der Premiere allergrößter Beliebtheit. Mit einer Besetzung von drei Damen und vier Herren lässt sich das Stück dabei auch gut unter den derzeitigen Bedingungen inszenieren. Kurz zum Inhalt, für alle Opernfreunde, die bisher noch nichts von diesem Werk gesehen oder gelesen haben: Wir schreiben das Jahr 2065. Die Coesfelder Freilichtbühne ist mittlerweile ein Seniorenheim, in dem auch einige ehemalige Darsteller der Bühne leben. Auf der alten Bühne, die inzwischen zur Sonnenterrasse umgebaut wurde, schwelgen sie in alten Erinnerungen. Es könnte alles so schön sein, wäre da nicht Schwester Jennifer, die ihre Schützlinge nicht nur mit Kinderliedern zum Mitklatschen malträtiert, sondern ihnen auch durch ihre musikalischen Vorträge über Krankheit, Alter und Tod die ganze Stimmung versaut. Doch, sobald die Altenpflegerin nicht mehr zu sehen ist, werden die Bretter, die einst die Welt bedeuteten, wieder gerockt. Ob Klassiker wie „I Will Survive“, knackiger Rock‘n‘Roll oder dramatische Ballade - die Senioren erwecken sie zu neuem Leben. Denn trotz Gebrechen wissen die junggebliebenen Alten: Sie sind „Born to be wild“ und „Forever Young“.

 

 

Das Ensemble um Bernd Julius Arends, Gerwin Kästner, Stefanie Kirsten, Markus Kloster und Rosaly Oberste-Beulmann überzeugen durch ein sehr komödiantisches Schauspiel in ihren Rollen als stark gealterte Version ihrer selbst. Hierbei bekommt der Goldfisch im Glas vielleicht etwas viel Futter oder Herr Kästner bindet sich die ein oder andere Krawatte zu viel, dennoch sind die alten Herrschaften noch voller Lebensfreude. Am Keyboard (und teilweise an der Gitarre) werden sie begleitet von Jan Wolf, dem aufgrund dieser anstrengenden Tätigkeit im hohen Alter der ein oder andere Zug aus der immer mitgeführten Sauerstoff-Flasche genehmigt sein soll. Auch wenn er sonst nicht wirklich zu verstehen ist. Abgerundet wird das Ensemble von Jennifer Kohl, die eine wunderbar bösartige Pflegerin abgibt. Wohlwissend natürlich, dass in dieser musikalischen Komödie der bissige Witz und der oftmals sehr schwarze Humor, die Realität nicht wirklich widerspiegeln wollen. Stattdessen hat Katarina Koch einen Liederabend inszeniert, der sehr unterhaltsam mit einem Spritzer Lokalkolorit daherkommt. Insbesondere wenn die alten Erinnerungen an die Proteste gegen das Atomkraft Datteln II erwachen, kommen Geschichten ans Tageslicht, bei denen man feststellen muss: „Früher war besser.“. Auch wenn Coesfeld einige Kilometer nördlich vom Sitz des KatiElli liegt, zünden diese Gags auch hier wunderbar. Unterhaltsam choreografiert ist auch eine Auseinandersetzung zwischen Herrn Kästner und Herrn Kloster, welches an alte Schwarz-Weiß-Filme erinnert. Passend dazu schaut sich Herr Arends die Auseinandersetzung Popcorn essend an, während aus den Lautsprechern das Geräusch abspielender Filmrollen erklingt.

 

Musikalisch wurde die große Bandbreite des Stückes schon angesprochen, besonders emotional wird es, wenn sich Herr Arends und seine Gattin Frau Oberste-Beulmann zu Peter Maffays „So bist du“ ihre Liebe gestehen. Schmissiger wird es mit „I love Rock’n’Roll“ oder „Sex Bomb“, auch wenn man hierbei froh ist, dass der gebotene Striptease doch noch rechtzeitig beendet wird. Der Funke zwischen Bühne und Publikum springt gleich zu Beginn des Stückes über und bleibt über die gut zwei Stunden dauerhaft erhalten. Am Ende bedanken sich die Zuschauer mit stehenden Ovationen und lassen die Darsteller nicht ohne Zugabe von der Bühne.

 

Markus Lamers, 01.06.2021
Foto: © Meike Willner

 


 

Coloseum Theater Essen

Dirty Dancing


Premiere Essen: 14.11.2017 im Coloseum Theater

(Tour-Premiere in Köln: 24.10.2017)

Happy Birthday

Vor inzwischen unglaublichen 30 Jahren kam „Dirty Dancing“ erstmals ins Kino und entwickelte sich zum Überraschungserfolg der Kinosaison 1987/88. Ein Kult entstand der bis heute anhält, Grund genug für BB Promotion und Mehr! Entertainment die erfolgreichen Livetour mit über 500.000 Zuschauern in den Jahren 2014/15 erneut auf eine Reise durchs Land zu schicken. Und Grund genug auch für den Opernfreund, die „Geburtstagsparty“ zu besuchen.

Angemerkt sei hierbei vorab, das man „das Original live on Tour“ wohl am besten als Schauspiel mit viel Tanz und Musik einstufen sollte, weniger als Musical. Denn obwohl auch (sogar sehr gut) live gesungen wird, kommt doch viel Musik vom Band. Dies im Hinterkopf macht der Abend aber doch ordentlich Spaß und lässt den Zuschauer in alten Erinnerungen schwelgen. Hauptgrund für den gelungenen Abend ist sicherlich die homogene und in allen Rollen hervorragend besetzte Cast. In den beiden Hauptrollen „Baby“ und Johnny stehen erneut die in diesen Rollen erfahrenen Anna-Louise Weihrauch und Máté Gyenei auf der Bühne und fegen ordentlich über das Parkett. Als sehr erfahrene Tänzerin kann auch Marie-Luisa Kaster einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Für die Rolle der Leadsängerin konnte Tertia Botha gewonnen werden, eine sehr gute Verpflichtung, der bei der Premiere in Essen nicht nur bei „The Time of my Life“ großer Applaus gewiss war. Im Bereich Soul, Jazz und Blues sorgt Dennis LeGree für die musikalischen Höhepunkte, die live vorgetragen werden. Eigentlich müsste man hier nun das gesamte 21köpfige Ensemble aufzählen, was etwas den Rahmen sprengen würde, aber hier zeigt BB Promotion einmal mehr, dass man sich auf deren Casting-Abteilung stets verlassen kann.

Von diesen Darstellern lässt man sich gerne ins Ferienresort „Kellermann´s“ des Jahres 1963 versetzen, jenem Sommer in dem Martin Luther King seine berühmte Rede „I have a dream“ hielt. Die Geschichte der etwas schüchternen Frances „Baby“ Houseman und dem Tanzlehrer Johnny Castle ist sicherlich vielen Lesern bekannt und hier kann durchaus festgehalten werden, wer den Film liebt wird auch diese Show lieben. Alex Balga inszeniert die deutschsprachige Tour nah am Film und setzt hierbei insbesondere auch die bekannten Szenen geschickt um. So muss der Zuschauer auch auf die bekannte Hebeübung im See keinesfalls verzichten. Wer allerdings „Dirty Dancing“ noch nie gesehen hat, wird auf Grund des hohen Tempos vielleicht die ein oder andere Szene oder Anspielung nicht ganz verstehen. Trotzdem bleibt „Dirty Dancing - Das Original live on Tour“ eine gelungene Geburtstagsparty mit viel Musik, Tanz und guter Laune.

Bis März 2018 ist das Stück noch an mehreren Orten in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Luxemburg zu sehen, alle Daten findet man www.dirty-dancing-tour.de. Außerdem wurde bereits für den Herbst 2018 eine erneute Rückkehr nach Köln angekündigt.
 

Fotos © Colloseum.de / Jens Hauer / Mehr! Entertainment

Markus Lamers, 15.11.2017

 

 

ISS DOME DÜSSELDORF

 (c) Iss Dome

LUTHER das Musical

mächtigstes Pop Oratorium aller Zeiten vor 16 000 Besuchern im DOME

Düsseldorf am Samstag, den 4.2.2017

 Betrachten wir erst einmal das Stück - ein Kuriosum: Heuer sehen wir Martin Luther im zeitgenössischen Musikrahmen durchaus gut gemachter Popmusik. Alle guten Zutaten, die ein Musical sehens- und hörenswert macht, hatte Dieter Falk eingearbeitet. Die Mischung aus Rockpop, Balladen, Soul und Gospel begeisterte das Publikum. Der musikalische Composer dazu:

"Wir sehen, Chorsingen ist wieder sexy, man glaubt es kaum; zwischen 11 und 80 Jahren (Red. Anmerkung: In Düsseldorf waren die Sänger von 7 bis 87) kommen 3.000 Leute zusammen, und im Jahr 2017 werden es sicherlich noch viel mehr. Die Leute haben Spaß zu singen, wenn es dazu auch mit peppigen Rhythmen, mit nachsingbaren Melodien und vor allen Dingen mit einer tollen Story verknüpft wird."

Michael Kunze, der dieses Stück geschrieben hat, zu seinem "Luther" und die Sichtweise seines Herangehens.

"Er ist einer derjenigen, die überhaupt diese Form, die wir heute haben, diese Vorstellung, dass man selbst als Einzelner etwas bewegen kann, dass man als Einzelner das Recht hat, sich selbst zu finden, seinen eigenen Weg zu gehen, der diese Form des Denkens überhaupt mitkreiert hat - das fasziniert mich an dem Mann."

Das Stück konzentriert sich auf den Reichstag zu Worms von 1521. Luther soll vor den Reichsfürsten und Anklägern aus Rom widerrufen, hält dem Druck aber stand.

Star der Aufführung ist der 3.000-köpfige Chor, der auf einer Hallenseite die Ränge einnimmt. Das hat schon etwas und ist so beeindruckend, wie Mahlers 8. Sinfonie der Tausend in Originalbesetzung; überhaupt klingt Vieles auch klassisch-orientiert. Die ungewöhnliche Zahl von so vielen Sängern schafft eine regelrechte Gänsehautatmosphäre. Der Chor bildet im Hintergrund (siehe Foto unten) auch das Bühnenbild. Auf der Action-Bühne davor agieren die vorzüglichen Solisten in Gewändern der Zeit in Form neugierige Bürger, Ablassprediger, dem Papst, Kaiser, Herrn Fugger oder einer Marketenderin, die aus Luthers Jugend erzählt.

Frank Winkels, er spielt und singt den Protagonisten:

"Wie war er menschlich, warum hat er das gemacht, was er gemacht hat, was hat ihn getrieben, in welchem Gefühlschaos hat er sich befunden? Dass er sehr mit sich gerungen hat, mit sich und der Welt, und nicht alles für bare Münze genommen hat... Wir machen Unterhaltung mit diesem Pop-Oratorium, aber Unterhaltung mit Tiefgang. Wenn es richtig rocken muss, dann rockt es, aber wenn es wirklich auch ganz feinfühlig ist, dann werden auch Balladen gespielt mit Geigen, dann schmelzen wir dahin, ich glaub, für jeden ist was dabei."

Der Musical-Luther ist ein durchaus heldenhafter Zweifler, der wie viele besondere Persönlichkeiten nach dem Sinn der Existenz sucht. Ralf Rathmann von der Creativen Kirche Witten, die das Projekt mitinitiierte:

"Dieser Popmusical-Luther ist von uns Heutigen gar nicht so weit entfernt. Kirchenferne soll es genauso ansprechen wie Kirchennähe."

„Luther“ als Musical spiegelt unsere Zeit wieder. Aus den Ablasshändlern vor 500 Jahren werden Manager in Nadelstreifen, die symbolisch Ablassaktien im Publikum verkaufen, oder sind es betrügerische Investmentbanker? Alles ist zeitgemäß und modern. Martin Luther in Cargohose und Kapuzenpullover. Der junge Kaiser Karl V. trägt Baseballkappe und spielt mit dem Smartphone - moderne Ingredienzien wie Handy und Co sind natürlich omnipräsent.

„Da mein Gewissen in den Worten Gottes gefangen ist, kann und will ich nichts widerrufen, weil es gefährlich und unmöglich ist, etwas gegen das Gewissen zu tun. Gott helfe mir. Amen.“

so Luther historische Worte 1521. Jetzt singt er sie. Nur zur Information: Luther bezahlte seinen Widerstand seinerzeit erstaunlicher Weise nicht mit dem Leben.  Sein Kurfürst Friedrich hatte freies Geleit ausgehandelt und versteckte ihn auf der berühmten Eisenacher Wartburg. Luther schrieb weiter und übersetzte so die Bibel für den kleinen Mann.

„Wir holen Luther vom Podest und feiern mit ihm den Sieg des individuellen Gewissens über die übermächtige Autorität einer fragwürdigen Tradition“

sagt Texter Michael Kunze.

Regisseur Andreas Gergen transferiert die 500 Jahre alte Geschichte gekonnt in den heutigen Alltag des Jahres 2017. Entstanden ist das Musical in Kooperation mit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Das Musical geht weiter nach Hamburg, Stuttgart, München und endet in Berlin; das Ensemble der Künstler bleibt, aber die Chöre werden für die verschiedenen Spielstätten jedes Mal lokal neu organisiert zusammengestellt - was für eine Heiden-Arbeit, was für ein Aufwand!

Zurück nach Düsseldorf: Viele Mitwirkend kommen aus der Landeshauptstadt und deren Umgebung - eine schöne Idee. Sogar von einigen Kölnern hört man (!) ;-). Das Motto könnte lauten "Gemeinsames Erleben im Team aller Konfessionen", denn Katholiken sind natürlich nicht ausgeschlossen, wie vor 50 Jahren noch, als in meiner Grundschulzeit ein hoher Maschendrahtzaun die Konfessionen auf dem Schulhof teilte, fast wie später die Zonengrenze die West- und Ostdeutschen.

"Singen macht glücklich, das ist wissenschaftlich bewiesen."

So begrüßt kein Geringerer als Eckart von Hirschhausen, einer der Schirmherren des Projekts, das Publikum in der Nachmittagsvorstellung. Es war das mächtigste Pop-Oratorium aller Zeiten mit über 3000 Choristen, Sängern, Chor, Orchester und Band. Wenn alle loslegen, werden erdbebengleiche Wogen entfacht und wallen durch den Düsseldorfer Dome - sonst Eishockey-Spielstätte der DEG mit oft durchaus weniger Stimmung.

Fazit: Das Stück ist gut aufgebaut und die zwei Stunden vergehen wie im Flug. Die Musik ist ein Stilmix wie einst "Jesus Christ Superstar"; zwar nicht so augefeilt, aber immer zum Mitswingen und Mitsingen. Musik, die erfreut, alle glücklich macht und die man fröhlich mit auf den Heimweg ins Wochenende nimmt.

S. & A. Bilsing 7.2.2017

Bilder (c) Creative-Kirche

 

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