DER OPERNFREUND - 51.Jahrgang
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Finnish National Opera

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DAS RHEINGOLD

am 14. September 2019

Fulminanter Start in einen neuen “Ring”

Nachdem der Altmeister Götz Friedrich auf Einladung des damaligen Generalintendanten Walton Groenroos der Finnischen Nationaloper (FNO) von 1996-99 als deren Auftragswerk seinen dritten und sehr sehenswerten „Ring“ inszeniert hatte, den ich auch erleben und rezensieren konnte und in dem die große finnische Wotan-Hoffnung Juha Uusitalo bekannt wurde, begann man nun mit einer Neuinszenierung der Tetralogie von Richard Wagner. Mit dem „Rheingold“ legte man am Töölönlahti-See einen fulminanten Start hin. Dieser neue „Ring“ wird diesmal von einem rein finnischen leading team erarbeitet. Anna Kelo übernimmt die Regie, Mikki Kunttu das Bühnenbild und die Video-Regie sowie Erika Turunen die Kostüme. Am Pult des erstklassigen Orchesters der Finnischen Nationaloper steht der international bekannte Dirigent Esa-Pekka Salonen, der schon längst einmal nach Bayreuth gehört hätte. Anna Kelo arbeitet seit 1994 an der FNO als assistant director und seit 1998 als chief assistant director. Sie graduierte am Moscow GITIS (Russian State Institute of Scenic Art) in den frühen 1990er Jahren. Mikki Kunttu darf als der berühmteste Lichtdesigner in Finnland bezeichnet werden und bestätigte diesen offenbar völlig berechtigen Ruf in dieser „Rheingold“-Produktion auf eindrucksvolle und nachhaltige Weise.

In einem Programm-Artikel schreibt Anna Kelo, die damals die Assistentin von Friedrich bei seiner Produktion war, dass sie vom „Ring“ Patrice Chéreaus 1976 in Bayreuth, den sie im Fernsehen sah, inspiriert wurde und jener „Ring“ für sie zu einer life-changing experience wurde. Sie findet die Geschichte außerordentlich interessant und fesselnd – wie wahr! Bei ihr finden die Götter in der Antike statt, in der die Herrschenden sich ja bekanntlich durch ausufernden Hedonismus, Völlerei und ein Desinteresse am Wohlergehen des ihnen untergebenen Volkes „auszeichneten“. Selten habe ich ein solch opulentes 2. Bild im „Rheingold“ erlebt wie dieses. Wir sehen die Götter in schweren Marmor-Sesseln in einem schon während der Verwandlungsmusik von Mikki Kunttu angedeuteten römischen Palast mit dorischen und korinthischen Kapitelen vor dunkel dräuenden Wolkenbergen bräsig ihren Morgen verbringen. Sklavinnen servieren standesgemäß frisches Obst zum Frühstück. Die Kostüme von Erika Turunen passen bestens dazu. Das mag zunächst als Bild sehr konventionell wirken, gewinnt aber eine tiefere Bedeutung, wenn man an Wagners Vorliebe für das Antike Theater denkt. Aber diese Ästhetik erscheint auch einen erschreckend aktuellen Bezug zu unserer Gegenwart zu haben. Vergleiche zu heutigen Staatenlenkern möge jeder selbst anstellen…

Als auf einmal Freia mit schlechten Nachrichten auf die Bühne kommt und die Riesen als wahrlich riesige Lichtproduktion im Hintergrund die ganze Szene beherrschen, kommt diese schale Ruhe im Nu durcheinander. Größte Nervosität tritt bei Wotan ein, wie mit den berechtigten Ansprüchen der Riesen nun umzugehen sei. Dann beginnt das ganze Drama mit von der fortschreitenden Realität erzwungenem Goldraub und grenzenloser Gier nach Macht. Ein großartiger und ideenvoller Einstieg in Wagners Tetralogie!

Aber schon im 1. Bild ist die Gier nach Macht auf der Seite des Schwarzalben, Wotans dunklem Gegenpart, zu erleben. In einem düsteren Bild sehen wir, wie sich die Rheintöchter anmutig auf einem Felsenriff tummeln, bis der selten hässliche Alberich aus einem faulen schwarzen Ei hervorbricht und ihre Ruhe zu stören beginnt. Da ein Ei metaphorisch immer für ein neues und damit junges Leben steht, scheint es hier mit dem alten Alberich nicht ganz schlüssig zu sein. Man könnte aber argumentieren, dass mit seinem Ausbruch aus dem Ei ein Neubeginn, ja ein neues Zeitalter in der Entwicklung beginnt. Dieser Neubeginn findet ja wirklich statt, wenn auch negativ konnotiert, und immerhin aus einem faulen schwarzen Ei heraus. Also einverstanden! Etwas befremdlich erschien mir aber, dass Wotan im Dialog mit Fricka im „Rheingold“ auf sein erblindetes Auge deutet, wenn er zu ihr sagt: „Um dich zum Weib zu gewinnen, mein eines Auge setzt‘ ich werbend daran..“, obwohl es doch gar nicht dieses war!

Sehr schön zeigt sich das Gold im entsprechenden Moment als eine goldleuchtende Ader im Riff, endlich mal wieder eine gute und realistische Idee zu diesem Thema. Phänomenal dann die Goldgewinnung durch Alberich: Auf seiner Hand treffen sich grelle goldene Strahlen punktgenau wie die Hälfte eines Sternes - das Gold hat sich virtuell in seiner Hand eingefunden! Auch im 3. Bild gelingt eine überaus eindrucksvolle chiffrenartige Goldprojektion. Die meisten Bilder, besonders jene in den Zwischenspielen, werden durch Kunttu schemenhaft verfremdet, was Assoziationen zwar ermöglicht, aber niemals zu eng werden lässt. Das nenne ich eine gelungene Video-Regie!

So noch nie gesehen war auch der Erda-Auftritt. Sie steigt in einem immer länger und weiter werdenden Kleid aus dem Boden auf. Auf dieses Kleid projiziert Kunttu bereits den kommenden Weltenbrand mit hoch lodernden Flammen – eine tolle Idee des leading teams! Denn was sagt Erda: „Alles was ist, endet, ein düstrer Tag dämmert den Göttern…“ Und dessen scheint sich Wotan im Finale zu erinnern. Die anderen Götter sind bei den hohl-bombastischen Klängen des Einzugs nach Walhall bereits zwischen vier riesigen weißen vertikalen Platten verschwunden, auf denen statt altrömischer Opulenz nun triste schwarze Bauhaus-Strukturen zu sehen sind, die lange und immer länger werdende schwarze Schatten werfen. Wotan taucht in ihrer Mitte auf, sieht die Entwicklung mit Schecken und versucht noch einmal krampfhaft nach unten, also wohl in die alte schöne Zeit hinunterzugreifen, wie um sie festzuhalten – allein es ist zu spät! Die Tafeln schwärzen sich von oben langsam ein und werden so zum sichtbaren Zeichen des baldigen Endes der Götter.

Bis auf Sari Nordqvist waren alle Stimmen, in einer rein finnischen Besetzung, gut bis sehr gut. Tommi Hakala, der im Friedrich-„Ring“ noch der Gunther war, sang nun einen ausdrucksstarken und agilen Wotan mit kräftiger Stimme, bester Diktion und guter Höhe bei darstellerisch starker Präsenz. Die als Fricka international, auch aus dem Braunschweig-„Ring“ bei den Salzburger Osterfestspielen bekannte Lilli Paasikivi, gleichzeitig auch Generalintendantin der FNO, sang eine starke Göttergattin mit ihrem vollen und wohlklingen Mezzo sowie souveräner Darstellung. Der junge Tuomas Katajala war ein überaus präsenter Loge mit roten Haaren und einem facettenreichen Tenor, mit dem er gerade für diese so spezielle Rolle ideal besetzt war. Dem noch jungen Sänger traue ich eine weiterhin interessante Entwicklung im Wagner-Fach und nicht nur hier zu, zumal er auch exzellente darstellerische Qualitäten unter Beweis stellte. Der international bewährte Jukka Rasilainen, mit mittlerweile über 100 Alberich-Darstellungen, gab auch hier wieder ein interessantes Rollenpotrait zum Besten mit einem spastischen Nicken, welches er nach einer zufälligen Begegnung mit einem Spastiker auf der Straße übernommen hatte. Mit seinem Heldenbariton war Rasilainen wieder ein eindrücklicher Albe, eine seiner Glanzrollen! (Ein Interview, das ich in Helsinki mit ihm bei dieser Gelegenheit machte, befindet sich im vorigen Heft 10/2019).

Reetta Haavisto sang eine mädchenhafte Freia mit einem schönen Sopran. Tuomas Pursio, im Leipziger „Ring“ der „Rheingold“-Wotan und Alberich, war hier ein stimmlich und spielerisch auftrumpfender Donner. Jyrki Korhonen als Fafner und Koit Soasepp als Fasolt mit einem kantablen Bass bei guter Höhe waren ihre Angelegenheit stimmlich eindrucksvoll vortragende Riesen, obwohl Fafner bei Loges Monolog einschlief… Markus Nykänen gab einen kraftvollen Froh und Dan Karlström einen guten und aufgeregten Mime. Unter den Rheintöchtern, die alle sehr gut sangen, stach Marjukka Teppponen als Woglinde mit ihrem vollen und klaren Sopran hervor. Mari Palo war Wellgunde und Jeni Packelen, zeitweise mit etwas verquollener Tongebung, Flosshilde. Ja, und Sari Nordqvist klang als so imposant auftretende Erda leider recht abgesungen und enttäuschte damit in dieser so zentralen Szene. 

Esa-Pekka Salonen setzte bei diesem hedonistischen Treiben der Götter ganz auf Pathos. Selten habe ich auch ein so mystisch verklärtes Vorspiel gehört. Die Musiker des Finlands nationaloperas orkester zeigten sich von ihrer besten Seite und ließen auch ihre Erfahrung mit dem „Ring“ vor 20 bis 10 Jahren erkennen. Musikalisch passte die Interpretation Salonens optimal zum Geschehen auf der Bühne, sodass dieses „Rheingold“ ein erster großer Wurf in die neue finnische Tetralogie wurde. Ich bin gespannt auf die „Walküre“ im Mai 2020. 

                                                                                                                 

Klaus Billand 12.10.2019

(c) Ralph Larmann      

                                    

 

LADY MACBETH VON MZENSK

9.Februar 2017

 

TRAILER

”Chaos anstelle von Musik”…

… Mit diesem Titel eines Leitartikels aus der russischen Prawda wird man unweigerlich konfrontiert, wenn man sich mit diesem Werk Schostakowitschs beschäftigt. Erschienen ist dieser wenige Tage nach der äußerst erfolgreichen Uraufführung im Jahre 1934 in Leningrad. Kurz darauf war der junge Komponist unter stalinistischer Zensur zu einer Milderung und Glättung seiner Oper gezwungen. Heutzutage wird die Urform aufgeführt. Natürlich ist man als begeisterter Opernbesucher stets mit den Themen Liebe, Verrat, Hoffnung, Mord und Tod konfrontiert, wobei diese Themen in Lady Macbeth an die Spitze getrieben werden und einem in verzerrter, brutalisierter Form wieder begegnen.

 

Die unglückliche Katerina Izmailova wünscht sich nichts sehnlicher, als aus ihrem langweiligen, trost- und lieblosen Leben auszubrechen. Schwiegervater Boris überwacht die junge Frau mit strenger Hand und empfindet ihr gegenüber zugleich auch erotische Gefühle. Als er zu ihr will, während sein Sohn Zinovij auf Geschäftsreise ist, entdeckt er ihren Liebhaber Sergeij, ein neuer Arbeiter im – in dieser Inszenierung zumindest – Fischhandel der Familie Izmailov. Wütend peitscht er auf den Liebhaber ein und sperrt ihn in den Keller ein. Daraufhin vergiftet Katerina Boris. Als Zinovij zurückkommt, weiß er schon um die Treulosigkeit seiner Frau, woraufhin Katerina und Sergeij auch ihn umbringen. Bei der Hochzeitsfeier von Katerina und Sergeij findet aber ein betrunkener Gast auf der Suche nach Wodka die Leiche. Die Polizei nimmt sobald das Brautpaar fest. Beide werden ins Arbeitslager nach Sibirien verfrachtet. Sergeij findet aber schon eine neue Liebe auf dem Weg dorthin. Katerina stürzt sich gemeinsam mit Sergeijs neuer Flamme in einen eiskalten, reißenden Fluss und beide sterben.

 

Svetlana Sozdateleva glänzt in der Rolle der Katerina: schon am Anfang des ersten Aktes gelingt es ihr die Abscheu, welche Katerina gegen ihren Schwiegervater hegt, so überzeugend darzustellen, dass man selbst beginnt, Boris starke Antipathie entgegen zu bringen. Ihre Höhen sind sehr metallisch, ihre Stimme führt sie in den hohen Lagen recht hart, was aber bestens zur Portraitierung der Rolle passt, ist doch diese voller ”Schreie” und nicht auf lange, fließende Belcantopassagen ausgerichtet. Besonders schön ist ihre mittlere und tiefe Lage und hat in diesen viel Kraft. Sie schafft es, die vielschichtigen Emotionen der Katerina auf das Publikum zu übertragen und beeindruckt noch dazu mit einem unglaublichen Durchhaltevermögen.

 

Auch Alexey Korsarev ist eine ausgezeichnete Wahl für die Rolle des Sergeij und das passende Gegenstück zu der zweiten Tenorrolle des Zinovij Ismailov. Er singt weich und verführerisch, umwirbt seine Katerina schmeichlerisch und harmoniert auf der Bühne sehr gut mit Sozdateleva, was sehr wichtig ist, müssen beide Sänger doch sehr eng miteinander auf Tuchfühlung gehen. Mika Pohjonen hat seinen Glanzmoment im Streit zwischen Zinovij und Katerina; stimmlich wird hier der Unterschied zu Korsarev besonders deutlich. Pohjonens Stimmfarbe ist merklich kühler, was aber auch in diesem Falle die Aufgabe ist.

 

Es war schade, dass im Laufe des Abends Boris Izmailov auf der Bühne sterben muss, was doch bedeutete, dass man im weiteren Verlauf auf die eindringliche und schön gefärbte Bassstimme von Alexander Teliga verzichten musste. Teliga stellt hervorragend einen widerlichen, alten Mann dar und so kann man die Beweggründe der Katerina für den Mord noch leichter nachvollziehen und sich in ihre prekäre Situation hinein versetzen.

Die Darsteller der vielen kleineren Rollen in Lady Macbeth waren auch sorgsam besetzt. Besonders hervorzuheben ist hier wohl Esa Ruuttunen, Publikumsliebling an sämtlichen finnischen Opernbühnen, als alter Gefangener. Bei solch einer noch immer kraftvollen Stimme ist es schwer zu glauben, dass er schon 66 Jahre alt ist. Koit Soasepp begeistert mit einem beeindruckenden, tiefen Bass als betrunkener Pfarrer und portraitiert diesen mit großem komischen Talent. Erwähnenswert sind auch Heikki Aalto als Polizeikommandant, Niina Keitel als Sonjetka und Jussi Merikanto, der gleich vier Rollen Leben einhauchen durfte.

 

Ebenso präsentierte sich der Chor der finnischen Nationaloper unter der Leitung von Marge Mehilane und Marco Osbic in bestem Licht mit seinem klaren Klang.

Das Orchester der finnischen Nationaloper unter der Leitung von Oleg Caetani erbrachte eine solide Leistung. Manchmal hätte man sich noch mehr Mut zur Brutalität und Hässlichkeit gewünscht und auch noch etwas mehr Hingabe zum Wahnsinn dieser Musik. Man bekam etwa das Gefühl, dass Caetani öfters die sichere Variante gewählt hat. Natürlich gab das Orchester aber dadurch den Sängern und auch dem Chor einen stabilen Rahmen, wodurch diese mit Sicherheit ihre Einsätze besser finden konnten.

 

Die Produktion, welche man in Helsinki sehen kann, ist eine Gemeinschaftsproduktion der Norwegischen Nationaloper und der Deutschen Oper Berlin. Ole Anders Tandberg versetzte die Handlung in ein Fischerdorf und aus dem Kaufmann Izmailov wurde eine Art Fischgroßhändler. In sich war das Konzept der Produktion sehr stimmig und löste von Anfang an ein Gefühl der Beklemmung und Trostlosigkeit aus, welches man während der gesamten Dauer der Stückes nicht mehr verliert. Auf der Bühne gibt es ständig Fische; sie liegen herum, werden getragen, mal dazu verwendet, um eine Frau zu vergewaltigen und auch um bei der Vergewaltigungsszene im ersten Akt sexuelle Erregung recht graphisch darzustellen. Mutet hier auf dem Papier – nun ja, eher Bildschirm – wohl etwas seltsam an, aber es funktioniert sehr gut und man beginnt sich richtig vor den Geschehnissen auf der Bühne zu ekeln. Durchaus sehr passend, da diese Geschichte genau das verlangt.

 

Das Resümee: ein überwältigender Abend. Es wäre schön, wenn das Haus voller werden könnte; leider war der Zuschauerraum spärlich besetzt. Daran sollte man etwas ändern, daher mein Reisetipp: Mit Norwegian Air geht es günstig nach Helsinki, besonders von Prag aus oder mit Air Baltic ab Wien.

Copyright: Finnische Nationaloper/Stefan Bremer

Konstanze Kaas 12.2.2017

Besonderer Dank an unseren Kooperationspartner MERKER-online (Wien)

 

 

 

DER FLIEGENDE HOLLÄNDER

Premiere am 18.11.2016

„Was kann der Regisseur dafür, wenn dem Komponisten keine passende Musik zu dessen Inszenierung eingefallen ist?“ Diese zugegebenermaßen mich als Erzkonservativen decouvrierende Bemerkung kam mir in den Sinn, als ich KASPER HOLTENs Stück zu Musik und Text von Richard Wagners „Der fliegende Holländer“ sah. Zwar sah der Programmzettel eine Aufführung unter diesem Titel vor, und auch via Ûbertitel konnte man Wagners Text verfolgen (wäre es nicht konsequenter gewesen, sie fortzulassen?), doch ein Artikel im Programmheft wies aus, dass in Wirklichkeit Holtens Stück „Unser Holländer“ gegeben wurde.

Bei ihm ist der Holländer ein berühmter holländischer Maler, der an seiner Schaffenskraft leidet und nur alle sieben Jahre eine Vernissage veranstaltet. Daland ist ein Schiffsmagnat und reicher Kunstsammler, seine Tochter Senta Kunststudentin, ihr Verlobter Erik Investmentbanker. Senta und der Maler empfinden in der Kunst eine Seelenverwandtschaft und beschließen zu heiraten. In einem Anfall von Depression erschießt sich der Holländer, und Senta – so das Schlussbild – steht im Mittelpunkt einer neuen Ausstellung.

Natürlich verneint der Regisseur im Programmheft, das Stück verändert, sondern ganz im Gegensatz herausgefunden zu haben, was Wagner an der Vorlage interessiert hat, das ewige Suchen nach Liebe und Frieden. Zwar kommen die See, Stürme und Schiffe in der Musik und im Text vor, doch nichts ist davon zu sehen, denn für Holten sind sie Metaphern für künstlerische Inspiration.

Also ein „gefundenes Fressen“ für Journalisten, die ihre Zeilen damit füllen können, das Gesehene zu beschreiben, ohne sich damit auseinandersetzen zu müssen. Für die musikalische Umsetzung bleiben dann immer noch 5 % des Textes übrig.

Was sich auf dem Papier als dramaturgisch interessantes Hirnkonstrukt liest, sich zwar ständig mit dem Text reibend, doch, wenn man sich darauf einlässt, dies als lästiges Ûbel vernachlässigen zu können, erwies sich in der Realität als 1 ½ Akte lang ziemlich zähflüssig, doch mit dem Duett Senta – Holländer nahm die Aufführung Fahrt auf und zog – zumindest mich – mehr und mehr in den Bann. Dies könnte natürlich auch dem Umstand geschuldet sein, dass man mit CAMILLA NYLUND eine Senta gefunden hat, wie ich sie in über 50 Aufführungen in mehr als 55 Jahren nicht vollkommener erlebt habe. Ich schreibe absichtlich „erlebt“ und nicht nur „gehört“, denn diese Senta war ein Gesamterlebnis.

Camilla Nylund, die ich erstmals vor fast 20 Jahren in Savonlinna als Pamina hörte, hat sich seitdem durch kontinuierlichen Aufbau und Rollenwahl zu einem im wahrsten Wortsinn „jugendlich-dramatischen“ Sopran von Weltklasse-Format entwickelt, nach wie vor jugendlich in Ausstrahlung und Stimmtyp und dramatisch in der perfekt ausgeführten forte-Höhenattacke der Ballade, des Duetts mit dem Holländer und des Schlusses. Selbst die ersten, nur gesummten Töne – von so mancher Kollegin gefürchtet – gelangen vorzüglich. Kurz: eine Senta zum Niederknien.

Ûberzeugend in Spiel und vokaler Ausformung seines Parts der dänische Bariton JOHAN REUTER in der Titelrolle mit weich timbriertem Bariton von großer Durchschlagskraft.

Die Finnische Nationaloper scheint sparen zu müssen. Pressevertretern wird nur noch eine Pressekarte gewährt, und auch auf den Pausen-Sektempfang für VIP-Gäste wurde verzichtet. Leicht hätte man noch mehr Geld sparen können, indem man den überflüssigen Daland-Import (GREGORY FRANK) durch das Ensemblemitglied Jyrki Korhonen ersetzt hätte, und auch die Erik-Zweitbesetzung Mika Pohjonen wäre meiner Meinung nach ein besserer Interpret dieser Rolle gewesen als CHRISTIAN JUSLIN trotz einiger imponierender kraftvoller Höhen. SARI NORDQVISTs Mary irritierte durch unstete Intonation, und die für TUOMAS KATAJALA (bei Wagner: Steuermann) so typische Tonproduktion mit viel Beimischung von Kopfstimme scheint mir bei Mozarts Ottavio besser aufgehoben zu sein – bei aller Hochachtung vor der Qualität dieses exzellenten Sängers.

Der wie immer ganz hervorragende Chor war von MARCO OZBIČ und MARGE MEHILANE einstudiert. Am Pult des guten Orchesters der Finnischen Nationaloper stand routiniert JOHN FIORE, dessen weich gezeichnete Lesart der Partitur den Charakter der visuellen Umsetzung total konterkarierte und dessen bedächtige Tempi mit langen Generalpausen (Ouvertüre) nicht gerade für Spannung sorgten.

Den Zuschauern schien alles gefallen zu haben. Großer, erstaunlich undifferenzierter Beifall für alle Solisten, der beim Erscheinen Kasper Holtens deutlich an Phonstärke zulegte. Es ist immer für jeden Regisseur eine Freude, seine Ideen vor diesem Publikum produzieren zu dürfen, doch so mancher seiner Kollegen hat sich beim Ausbleiben von Gegenreaktionen schon gefragt, was er denn falsch gemacht habe. Doch nicht in Helsinki. Hier ist die Welt für Regisseure noch in Ordnung.

Sune Manninen 26.11.16

Besonderer Dank an unseren Kooperatiopnspartner MERKER-online (Wien)

 

 

DIE NASE von Schostakowitsch

am 20.11.2015

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Schostakowitschs Jugendwerk ”Die Nase” auf die Bühne zu bringen, stellt auch heute noch, 85 Jahre nach der Uraufführung, eine ungeheure Herausforderung für jedes Opernhaus dar, ob es nun Metropolitan Oper oder Mariinsky-Theater heißt. Die Musik des gerade einmal 22jährigen Komponisten klingt immer noch progressiv-aggressiv, ganz abgesehen von den höchste Präzision erfordernden spiel- und schlagtechnischen Anforderungen an Musiker wie Dirigenten. Die Vokallinien sind, besonders bei den Tenören, in den höchsten Lagen notiert, und die Vorlage benötigt einen Bühnenbildner, der in der Lage ist, für schnelle Szenenwechsel zu sorgen.

nas
 

So ist es nur verständlich, dass die Finnische Nationaloper sich zum zweiten Mal (nach Harry Kupfers „Meistersinger“-Inszenierung) einer Produktion des Züricher Opernhauses bedient, die dort im September 2011 Premiere hatte. Regie hatte damals Peter Stein, der Altmeister der  Theater- und Opernszene, geführt, früher ein Revoluzzer, so dass sogar Produktionen vor der Premiere abgesetzt worden waren, heute von der „fortschrittlichen“ Kritik eher wegen seiner altersweisen Bemühung um „Werkgerechtigkeit“ belächelt. Seine Regie der „Nase“, die in Helsinki von Georg Rootering umgesetzt wurde, kam Gogols satirisch-bissiger Vorlage sehr nahe, wenn ich mir auch ein wenig Mehr an Biss gewünscht hätte. Das Bühnenbild von Ferdinand Wögerbauer sorgte für den unbedingt nötigen raschen Szenwechsel; die Kostüme waren von Anna Maria Heinreich.

Mit seiner immensen Erfahrung gerade im russischen Repertoire war Michael Güttler der bestmögliche Dirigent für eine „Nase“ an der Finnischen Nationaloper. Das Orchester war von ihm hervorragend vorbereitet worden, und dank seiner präzisen Schlagtechnik war es ihm ein Leichtes, kleine Unebenheiten wie z.B. verfrühte Solisteneinsätze blitzschnell zu glätten. Wenn es wie in der im Annoncenbüro spielenden Szene leichte Durchhänger gab, waren sie nicht dem Dirigenten geschuldet, sondern der musikalischen und szenischen Vorlage; gegenüber dem sonstigen wahnwitzigen Szenenwechsel ist diese meines Erachtens vom Komponisten etwas zu lang ausgewalzt worden. Ansonsten war Michael Güttler ein musikalischer Leiter, um den jedes Opernhaus die Finnische Nationaloper beneiden könnte.

Angesichts der Vielzahl des Personenregisters reicht der Platz dieser Rezension nicht aus, jede der teilweise aus dem Chor rekrutierten Soli auch nur mit einem kurzen Attribut zu bedenken. Wenn ich mich also auf die Feststellung beschränke, dass die Helsinki-Oper hiermit ihre große Leistungsfähigkeit unter Beweis stellte, ist dies nicht als bloße Phrase gemeint. Der Chor (einstudiert von Marge Mehilane) beeindruckte mit mächtigem Klang im Chorkollektiv, und bei den diversen Kleinstpartien war keine einzige Schwachstelle zu beklagen.

nase

Und trotz dieser Kollektivleistung sind es bei jeder Aufführung der „Nase“ einige Partien, auf die sich die Aufmerksamkeit konzentriert. Bei YouTube gibt es ein vom Sänger selber eingestelltes Video einer „Nase“-Produktion, das mit „Vladimir Samsonov – best roles“ beworben wird. In der Tat war Samsonov als sich seiner Nase verlustig gehender Kovalyov immer noch nach über 20jähriger Bühnentätigkeit eine beeindruckende Persönlichkeit mit intakter Stimme, dem man im punktgenauen Servieren von Höhepunkten seine lange Erfahrung am St. Petersburger Operettentheater anmerkt. So sehr ich Andrey Popov bewunderte, wie er sich der unbequem hohen Tessitura von Ivan, Kovalyovs Diener, mit stupendem Höhenstrahl entledigte, so sehr bedauerte ich es, dass das Besetzungsbüro die Chance verpasste, Popov mit dem Polizeiwachtmeister zu besetzen, einer Partie, mit der er sogar an der MET für Furore gesorgt hatte.

In Helsinki war Alexey Sulimov gewiss nicht schlecht, aber (im Vergleich zu Popov) einfach zu „normal“, was ebenfalls für den „Nase“-Tenor vonLeonid Bomshteyn galt. Unter den vielen kleineren Partien fiel ein Bassist mit sonorem Material besonders auf: Nicholas Söderlund, der zusätzlich noch die Rolle des Doktors vokal übernommen hatte, während Koit Soasepp sie auf der Bühne  verkörperte. Und auch wenn er nur in wenigen Kleinstrollen in dieser „Nase“ auftrat, werden wir uns vielleicht in vielen Jahren daran erinnern, dass wir den jungen 22jährigen Bass Markus Suihkonen bei seinem Debüt an der Finnischen Nationaloper gehört haben. Wenn nicht alles täuscht, gehört diesem jungen Mann, der im Sommer den Timo-Mustakallio-Wettbewerb gewonnen hatte, die finnische Bass-Zukunft. Diesen Namen sollte man sich merken!!!

Fotos: Heikki Tuuli

Sune Manninen 22.11.15

Besonderer Dank an MERKER-online

 

 

LE NOZZE DI FIGARO

Aufführung am 12.09.2014                                     

Premiere: 29.8.2014

Ein junger Figaro - überraschend traditionell in Helsinki

Figaros Hochzeit von W.A.Mozart ist wahrlich keine Rarität auf den Spielplänen internationaler Opernhäuser, und dennoch ist es immer wieder eine Herausforderung für jedes Ensemble, diesem riesigen Stück mit seinen "Evergreens" gerecht zu werden. Die Nationaloper Finnlands in Helsinki stellte sich dieser Herausforderung mit einem jungen finnischen Ensemble, das in seiner Stimmigkeit durchaus einen inspirierenden Zugang zu Mozart gefunden hat.

Anna Kelos‘ Regie hilft hier sehr. Der zugegebenermaßen nicht gerade kleinen Bühne der finnischen Oper wird sie Herr mit einem quasi komplett aufgebauten Anwesen des Grafen Almaviva (kreiert von Jani Ullas), und sie kulminiert ihre Einfälle in einem opulenten verwunschenen Garten, in dem ein riesiger Springbrunnen plätschert, in welchem sich später Figaro und der Graf gegenseitig zu ertränken versuchen. Sprich: Die Inszenierung erzählt geradlinig mit diversesten kleinen Twists die Geschichte Bild für Bild nach und liefert sowohl ästhetisch als auch zwischenmenschlich die nötigen Impulse, die viele der Rollendebutanten dazu beflügeln, Höchstleistung zu bringen.

Die Inszenierung ist wie im Programmheft besprochen in der originalen Zeit des Stückes angesiedelt, die Sänger und Sängerinnen spielen aber mit heutigen Gesten. Moderne Figuren werden in ein historisches Umfeld gestellt.

Mit Lichtregie, groß aufgefahrenen Bühnenbildern und von Erika Turunen aufwendig geschneiderten Kostümen entsteht hier eine Figaro-Atmosphäre, die stimmungsvoll die Probleme der Akteure unterstützt. Den Figuren wird folgerichtig auch ein „moderneres“ Verhalten zugewiesen, hat doch zum Beispiel die Gräfin genauso wie der Graf anfänglich Affären außerhalb ihrer Ehe, und es wird mit Cherubino schon von Anfang an der Ausblick auf den dritten Teil der Trilogie gegeben, in dem die Gräfin und Cherubino auf das Resultat ihrer Affäre zurückblicken "dürfen".

Dennoch geht die Buffa-Atmosphäre der Oper nie unter. Sowohl die Regie als auch die Sänger bringen in den traurigen Momenten der Oper Immer wieder heitere Lichtmomente unter, die alle engagiert umsetzen. Die Balance zwischen Komik und Tragik geht somit nie verloren. Insgesamt wird hier ein Figaro hier auf die Bühne gestellt, der die Geschichte stringent erzählt, mit diversen Twists und kleineren neuen Sichtweisen auf den schon so häufig interpretierten Stoff.

Musikalisch horcht man aufgrund des Dirigats von Susanna Mälkki in der Ouvertüre auf, arbeitet sie doch mit "Finnlands Nationaloperas Orchester" diverse Farben aus Mozarts Partitur heraus, die man vorher noch nicht gehört hat. Theodor Currentzis, der meines Erachtens eine frische und moderne Interpretation im Studio auf Silberling gebannt hat, stand hier hörbar über viele Strecken orchestral Pate. Es fehlt der jungen Dirigentin aber noch die Erfahrung sowohl mit der Musik Mozarts, als auch mit Sängern. Hier hört man deutlich, dass sie sich vornehmlich mit neuer Musik beschäftigt. Dann fallen an vielen Strecken die großen Ensembles auseinander und auch diverse Ornamentationen in der Vortragsweise der Sänger wären wünschenswert gewesen. So mischt sich eine versucht frische Musizierweise mit alten "Traditionen" - und gefällt so nur teilweise.

Bei den Sängern sieht die Sache anders aus: Ola Eliasson singt einen jungen, energischen Grafen Almaviva, der zwar nicht mit der größten Stimme, dafür aber mit viel musikalischem Gespür und einem schönen Timbre gesegnet ist. "Sein" Figaro ist Jussi Merikanto, ein Sänger mit (leider) ihm recht ähnlicher Stimmfarbe, was ihm aber nicht zum Nachteil gemacht werden darf, verfügt er doch über genügend Durchschlagsvermögen und Gestaltungswillen, um die Arien eindrücklich zu musizieren und positiv im Gedächtnis zu bleiben. In den Ensembles hingegen hätte man sich vom Operndirektor gewünscht, zwei verschiedene Farben bei Graf und Figaro zu besetzen, denn hier bleiben viele Farben und Facetten Mozarts verborgen.

Anna Immonen singt eine junge Gräfin, der vielleicht noch die Größe der Stimme fehlt, um einhundert Prozent der Partie ausführen zu können, dennoch singt sie emotional berührend und darstellerisch anregend die Contessa Almaviva, deren Arie "Dove sono" zu einem Höhepunkt des Abends wird. Es wird spannend sein, diese Sopranistin im Laufe der Jahre in weiteren Partien ihres Fachs zu Gehör zu bekommen. Susanna wird an diesem Abend von einer Soubrette gesungen, anders als der oft praktizierten Tradition, eher einen lyrischen Sopran damit zu besetzen. Es stört aber in keinem Falle. Eine helle, schlanke Stimme besitzt Hanna Rantala dennoch, und sie strahlt dezent in den Ensembles mit ihren Kantilenen in der Höhe.

Ann-Marie Heino besitzt als Cherubino ein etwas flackerndes Vibrato, dennoch liegt ihr die Partie sowohl darstellerisch als auch musikalisch. Die übrigen Rollen bleiben wegen der üblichen Strichfassung "unterfordert". Der genialen Marcellina von Päivi Nisula, deren Stimme Durchschlagskraft und dabei dennoch die Flexibilität besitzt, alle Facetten des Charakters herauszuarbeiten, wäre zu wünschen gewesen, „ihre“ Arie im vierten Akt singen zu dürfen. Ilkka Hämäläinen als Don Basilio und Jyrki Korhonen als Don Bartolo bleiben so eher blass. Einen anderen Höhepunkt setzt außerdem Margarita Nacér als Barbarina - Ihre bildschön vorgetragene Arie eröffnet den vierten Akt stimmungsvoll und verzaubert das Publikum in diesen eindrucksvollen eineinhalb Minuten.

Der "Finnlands Nationaloperas Kör" absolviert seine zwei kleinen Auftritte mit großem Spielwillen, viel Esprit und musikalisch präzise.

Alles in allem muss man der finnischen Nationaloper Respekt für eine Produktion dieser Art zollen, die ohne große Stars besetzt, mit einem (fast) komplett finnischem Ensemble und einer wunderschönen Inszenierung überzeugen kann.

Thomas Pfeiffer, 8.10.2014                          

© der Fotos: Heikki Tuuli

 

 

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